Anno-Gymnasium Siegburg Schülerin Nora Weg fuhr gegen das Vergessen nach Russland

SIEGBURG · Nora Weg (17) vom Anno-Gymnasium fuhr gegen das Vergessen nach Russland. Inzwischen lebt nur noch der Großvater, der von den Kriegstagen aus eigener Erfahrung berichten kann. Er war damals rund zehn Jahre alt, als seine Eltern auf ihrem Bauernhof in Muchensiefen eine mehrköpfige jüdische Familie bis zum Kriegsende versteckten.

 Nora Weg hält an ihrer Schule einen Vortrag über ihre Erlebnisse in Sankt Petersburg.

Nora Weg hält an ihrer Schule einen Vortrag über ihre Erlebnisse in Sankt Petersburg.

Foto: Arndt

Heute lebt auf dem Hof seine Enkelin Nora Weg, und mit ihr wird die Erinnerung an diese Familiengeschichte wachgehalten. Die 17-Jährige interessiert sich sehr für die Umstände der damaligen Zeit, die Verfolgung der Juden und für Widerstandsgeschichten, wie die ihrer Familie. Schon in der achten Klasse gestaltete sie eine Führung über den jüdischen Friedhof.

Am 9. November des vergangenen Jahres hielt sie einen Vortrag über die Rettungsgeschichte in der Gedenkstätte "Landjuden an der Sieg", Präsentationen in der Schule folgten.

Annette Hirzel, Schulpfarrerin des Anno-Gymnasiums, schlug daraufhin die engagierte Schülerin für die Teilnahme an der 18. "Internationalen Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages" vor. Voraussetzung für die Teilnahme an der einwöchigen Tagung in Sankt Petersburg und Berlin ist, dass junge Menschen sich in Projekten und Initiativen zur Geschichte des Nationalsozialismus oder gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder Rassismus engagiert haben.

Als eine der jüngsten Teilnehmerinnen war Nora Weg vom 21. bis 27. Januar mit von der Partie. Insgesamt 80 junge Menschen zwischen 17 und 25 Jahren befassten sich im Rahmen dieser Tagung unter anderem mit der deutschen Besatzung in Osteuropa und der Blockade durch die deutsche Wehrmacht im ehemaligen Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg.

Eindrücklich erzählt Nora nun von ihren Erlebnissen der vier Tage in Sankt Petersburg. Neben den Besuchen bei Denkmälern, dem deutsch-russischen Begegnungszentrum an der Sankt-Petri-Kirche und dem Goethe-Institut blieben der Schülerin besonders die Gespräche mit den Zeitzeugen in Erinnerung. "Wir sprachen mit einer alten Frau, die die Blockade als Kind miterlebt hat", erzählt Nora ihren Mitschülern, "sie war unter anderem in einem 'Kinder-KZ' und musste Medikamentenversuche über sich ergehen lassen."

Aus ihrer Familie hätten nur ihre Schwester und sie diese Zeit überlebt. "Und trotzdem strahlte sie so eine positive Art aus und riet uns, immer nach vorne zu schauen", sagt Nora und fügt hinzu, dass sie das sehr beeindruckt habe.

Am 27. Januar vor 70 Jahren endete die Blockade. Daran erinnerte auch die offizielle Gedenkstunde des Deutschen Bundestages, an dem die 80 Jugendlichen ebenfalls teilnehmen durften. Erneut konnten sie im Anschluss an die Veranstaltung einem Zeitzeugen Fragen stellen: Der 95-jährige Schriftsteller Daniil Granin hat die Blockade ebenfalls überlebt. Er stand zusammen mit Bundestagspräsident Norbert Lammert zum Gespräch zur Verfügung.

Weitererzählen hilft gegen das Vergessen. So berichtet auch Nora Weg ihren Mitschülern gerne über ihre Familiengeschichte und die Schicksalsberichte der Zeitzeugen. In Zusammenarbeit mit Schulpfarrerin Annette Hirzel gestaltet Nora eine Gedenkschrift, die die persönliche Geschichte von Noras Urgroßeltern in den regionalen und geschichtlichen Kontext einordnet und wiedergibt.

"Jedes Schicksal zeigt uns, was für jeden Einzelnen auf dem Spiel stand und lässt uns das Leid der vielen begreifen", begründet Hirzel das Engagement.

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