Interview mit Frithjof Kühn "Rhenag-Einstieg ist eine einmalige Chance"

SIEGBURG · Soll sich der Rhein-Sieg-Kreis am Energieversorger Rhenag beteiligen oder nicht? Der Kreistag entscheidet am 12. Dezember, ob der Kreis dem Stromkonzern RWE 15,1 Prozent der Rhenag abkauft. Aber auch die 19 Städte und Gemeinden sind involviert. Schließlich muss der Kreis für die mögliche Beteiligung einen Kredit in Höhe von 74,1 Millionen Euro aufnehmen. Dafür ist ein Nachtragshaushalt erforderlich.

Der Kreis erwartet nach eigener Rechnung dauerhaft nennenswerte Dividendenerträge, wodurch er schon 2014 die Kreisumlage um 0,60 Prozentpunkte - insgesamt 3,9 Millionen Euro - für die Kommunen senken könnte. Viele Städte und Gemeinden billigen das nicht, obwohl viele immer wieder eine Senkung der Umlage gefordert haben. Hintergrund: Vielen Politikern in den Kommunen ist der Rhenag-Einstieg des Kreises nicht geheuer. Landrat Frithjof Kühn sieht dagegen finanzielle und energiepolitische Chancen.

Viele Kommunen sind mit Ihrem Nachtragshaushalt nicht einverstanden. Haben Sie mit so viel Ablehnung gerechnet?
Frithjof Kühn: Das hat mich schon überrascht. Beim Nachtragshaushalt geht es zunächst mal um eine Kreditermächtigung für den Anteilserwerb bei der Rhenag - und in der Folge um eine Senkung der Kreisumlage um 0,60 Prozentpunkte für 2014. Die Städte und Gemeinden können davon ausgehen, dass sie auch in den Folgejahren eine entsprechende Entlastung bekommen. Viele Städte und Gemeinden, gerade die kleineren, sind ja auf jeden Euro angewiesen. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, wenn genau diese dann Nein zum Nachtragshaushalt sagen.

Die Lokalpolitiker hatten offenbar das Bedürfnis, sich mit dem Anlass der Umlagesenkung auseinanderzusetzen - der Rhenag-Beteiligung des Kreises. Ist das nicht verständlich?
Kühn: Bei der vorgeschriebenen Benehmensherstellung geht es um den Nachtragshaushalt, laut Gesetz sogar ausschließlich um die Kreisumlage. Nur darüber haben die Kommunen zu entscheiden. Ich finde es irritierend, dass sich einige bei der Diskussion nicht auf diesen Punkt konzentriert haben, sondern auf die mögliche Beteiligung an der Rhenag. Über den Anteilserwerb entscheidet einzig und allein der Kreistag. Die Kommunen können davon ausgehen, dass er solche Entscheidungen verantwortungsvoll trifft.

Aber der mögliche Anteilserwerb hätte doch Auswirkungen auf die Kommunen, oder?
Kühn: Natürlich. Nach unserer Rechnung sind es nur positive.

Hier und da wurde befürchtet, dass Kommunen im Falle einer Rhenag-Beteiligung des Kreises bei Konzessionsentscheidungen nicht mehr unbefangen agieren könnten. Wie sehen Sie das?
Kühn: Das ist Unsinn. Die Kommunen entscheiden über die Kozessionen völlig selbstständig und unabhängig, ob bei Strom, Gas oder Wasser.

Teilweise zielten die Bedenken auch auf die Kreditaufnahme, den "Rhenag-Einstieg auf Pump". Die CDU-Kreistagsfraktion forderte Nachbesserungen bei der Finanzierung. Wie steht es damit?
Kühn: Wir haben die Kreditfinanzierung jetzt auf 15 statt wie anfangs geplant auf zehn Jahre angelegt. Damit entgehen wir dem Risiko einer Zinserhöhung. Außerdem wollen wir 0,1 Prozent unseres SSB-Anteils (Schienenverkehrsunternehmen von Bonn und dem Kreis, Anm. d. Red.) an die Stadtwerke Bonn verkaufen. Den Erlös von mehr als fünf Millionen Euro könnten wir in den Rhenag-Anteilserwerb einsetzen. Damit reduziert sich der Kreditbedarf auf 74,1 Millionen Euro.

Neben der finanzwirtschaftlichen Seite wollte die Kreispolitik auch Einfluss auf die Gestaltung der Energiewende. Sehen Sie das als gegeben an?
Kühn: Ja. Der Kreistag hat ein Klimaschutzkonzept beschlossen. Die Rhenag wäre bei der Umsetzung ein geeigneter Partner. Mit RWE ist vereinbart (zitiert aus einem Schriftstück): "Die Partner sind sich einig, dass die Rhenag zu einem Versorgungsunternehmen mit starken kommunalen Gesellschaftern im Rhein-Sieg-Kreis ausgebaut werden soll, welches bei der Realisierung der energiepolitischen Ziele des Kreises auch im Rahmen der Daseinsvorsorge unterstützend tätig wird." Das ist doch eindeutig. Da geht es um Themen wie Elektromobilität ebenso wie um die Umrüstung alter Heizungen oder die Erzeugung erneuerbarer Energien. Außerdem haben wir die Zusage, dass die Rhenag als Dienstleister für Stadtwerke zur Verfügung steht.

Ist denn bei einem Anteil von 15,1 Prozent - und einem Sitz im Aufsichtsrat - überhaupt der Einfluss auf Unternehmensentscheidungen gegeben? War bei den Verhandlungen mit RWE nicht mehr drin?
Kühn: Dazu ist RWE zurzeit nicht in der Lage. Wir haben aber die Option auf weitere zehn Prozent, womit der Kreis dann zusammen mit der Rheinenergie - also den Stadtwerken der Stadt Köln - eine kommunale Mehrheit innerhalb der Rhenag stellen könnte.

Und wenn RWE die zehn Prozent nicht verkauft?
Kühn: Um uns abzusichern, haben der Kämmerer und die Beteiligungsverwaltung mit RWE eine sogenannte Put-Option ausgehandelt. Wenn uns RWE die Aufstockung um zehn Prozent nach einem Zeitraum von fünf beziehungsweise zehn Jahren nicht anbietet, können wir komplett aussteigen. RWE müsste dann unseren ganzen Anteil zurückkaufen. Die, denen der Einfluss am Anfang zu gering erscheint, brauchen nur einen langen Atem. Jetzt geht es darum, schon einmal den Fuß in die Tür zu bekommen.

In der Diskussion in den Kommunen und im Kreis wurde auch Ihre Rolle kritisch gesehen: Einerseits sind Sie im RWE-Aufsichtsrat, andererseits werben Sie dafür, dass der Kreis RWE einen Teil der Rhenag abkauft...
Kühn: Damit muss ich leben, auch wenn es weit hergeholt ist. Ich habe mich aus den Verhandlungen herausgehalten, obwohl ich als RWE-Aufsichtsrat ohnehin nicht beteiligt bin. Für die operative Geschäftstätigkeit ist der Vorstand der RWE Deutschland AG, eine Konzerntochter der RWE AG, zuständig. Ich bin als Landrat verpflichtet, die Interessen des Kreises und seiner Kommunen wahrzunehmen. Und dieser Verpflichtung komme ich nach.

Was wäre, wenn der Kreistag dem Anteilskauf nicht zustimmt? Wie entwickelt sich die Umlage dann?
Kühn: Sie wäre wie bisher den üblichen Schwankungen unterworfen. Durch eine Rhenag-Beteiligung könnte man eine dauerhafte Senkung ermöglichen. Es handelt sich um eine einmalige Chance.

Zur Person

Frithjof Kühn (70) kam 1981 zur Kreisverwaltung. Er war unter anderem Dezernent und Oberkreisdirektor, bevor er 1999 als CDU-Kandidat erstmals zum hauptamtlichen Landrat gewählt wurde. 2014 geht er in Ruhestand.

Die Kreisumlage

Durch die Kreisumlage finanzieren die Kommunen Aufgaben des Rhein-Sieg-Kreises. Der Kreistag hat den Haushalt 2013/14 im März beschlossen. Bei einem Volumen von rund 227 Millionen Euro beträgt die Kreisumlage demnach in diesem Jahr 36,71 Prozentpunkte, womit sie leicht unter dem Niveau von 2012 liegt. 2014 soll die Umlage demnach bei 36,18 Prozentpunkten liegen. Bei der (kreditfinanzierten) Rhenag-Beteiligung von 15,1 Prozent rechnet der Kreis mit deutlichen Dividendenerträgen. So sollen für 2013 rund 5,3 Millionen Euro herausspringen. Verrechnet mit Steuerersparnissen und Zinsaufwand, bleibt für den Ergebnisplan noch ein Überschuss von rund vier Millionen Euro. So könnte die Kreisumlage um 0,6 Prozentpunkte gesenkt werden, womit die Kommunen für den Kreis einen geringeren Betrag aufbringen müssten.

Die Rhenag

1872 gegründet, gehört die Rhenag (Rheinische Energie Aktiengesellschaft) heute zu 66,67 Prozent RWE, der Rest ist in Besitz der Kölner Rheinenergie. Sie ist hauptsächlich im Rhein-Sieg-Kreis tätig und versorgt dort mehr als 100.000 Kunden mit Erdgas, aber auch mit Strom und Wasser. Neben dem Energiegeschäft setzt die Rhenag auch auf Dienstleistungen (IT, Beratung und Zählerablesung). Das Unternehmen beschäftigt rund 400 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz lag im vergangenen Jahr bei 251 Millionen Euro. 2012 erwirtschaftete die Rhenag einen Gewinn von 37,5 Millionen Euro. Die Zentrale der Rhenag ist in Köln, in Siegburg befindet sich ein Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum. Im Falle einer Kreis-Beteiligung wird auch der Hauptsitz in den Kreis verlegt. Der Ort ist noch offen. Die Rhenag ist vor allem im Rechtsrheinischen Gas- und teilweise Stromversorgerin sowie Betriebsführerin im Bereich Wasser/Straßenbeleuchtung. Nur Troisdorf und Bad Honnef, die eigene Energieversorger haben, sind außen vor. Das linksrheinische Kreisgebiet wird von der Regionalgas Euskirchen (RGE) versorgt. An diesem Unternehmen ist die Rhenag mit etwa 43 Prozent beteiligt. Steigt der Kreis bei der Rhenag ein, soll die Kooperation mit der RGE verstärkt werden.

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