"Sprayers von Zürich" Naegeli-Graffito erhitzt die Gemüter

SIEGBURG · Am Sonntag packte Harald Naegeli, der als "Sprayer von Zürich" bekannt geworden ist, nach der offiziellen Eröffnung seiner Ausstellung im Museum zur Spraydose und sprühte einen Pegasus an die strahlend weiße Wand im Erdgeschoss. Ganz legal.

 Als eine "Unverschämtheit" empfindet Museumsarchitekt Hartmut de Corné den gesprühten Pegasus von Harald Naegeli.

Als eine "Unverschämtheit" empfindet Museumsarchitekt Hartmut de Corné den gesprühten Pegasus von Harald Naegeli.

Denn bei seinen Graffitis, die er Ende der 1970er Jahre im öffentlichen Raum meist bei Nacht und Nebel hinterließ, tat er das nicht und wanderte dafür sogar ins Gefängnis. Während die Vernissage-Gäste wussten, was sie erwartete, schauten einige Aussteller und Besucher beim gleichzeitig stattfindenden Forum für Kunst und Handwerk ungläubig auf das, was sie sahen. Da konnte ein Künstler ungehindert ein Graffito auf der Wand hinterlassen und bekam für die Aktion Beifall.

Offensichtlich wutentbrannt verließ derweil der Architekt des Museums, Hartmut de Corné, die Räumlichkeiten, ohne das Ergebnis von Naegelis Sprayaktion abzuwarten. "Ich empfinde es als eine Unverschämtheit, eine schon gestaltete Wand noch einmal gestalten zu wollen", echauffierte er sich.

Und stellte die Frage, was wohl als Nächstes komme: "Kann sich dann ein noch berühmterer Künstler die nächste Wand vornehmen?" Außerdem habe das Werk keinerlei Bezug zum Ort oder einer Begebenheit, der die Wirkung seiner Werke im öffentlichen Raum ja gerade ausmache. Und wenn überhaupt hätte das Ganze nur Sinn an der Außenfassade des Museums gemacht.

Das sah der Siegburger Künstler Hermann Josef Hack ähnlich und äußerte sich dazu bei Facebook: "Was für ein Unterschied zu den Arbeiten im öffentlichen Raum! Auch wenn die Zeichnungen dieselbe Qualität haben, hier wirken sie ausgestellt und können ihre Wirkung nicht entfalten. Also eher eine Hommage an Zeiten, in denen diejenigen, die jetzt applaudieren, gleich die Polizei gerufen hätten."

Museumsleiterin Gundula Capary sieht dagegen sehr wohl einen Bezug zum Haus, sogar im direkten Umfeld des Naegeli-Graffito. Es passe unter anderem zum daneben angebrachten strichförmigen Aufriss der Sankt Servatius Kirche oder zum Ausstellungsschwerpunkt in den gegenüberliegenden Räumen, wo unter anderem die Höhlenmalerei thematisiert ist, deren Technik Naegeli sich bediene. Auch den Vorwurf der Wirkungslosigkeit will sie nicht gelten lassen. Das Sprayen sei als eine Performance zu verstehen gewesen, nicht als eine Botschaft, und könne daher gar nicht mit den illegalen Aktionen im Freien verglichen werden.

Es gehe darum, einen Eindruck von Naegelis Graffiti zu vermitteln. Die Wand habe er selbst Sonntagmorgen spontan und bewusst im Inneren des Museums ausgewählt. Vom Besprühen der Außenfassade sei aus dem Grund abgesehen worden, dass Nachahmer das unter Umständen als Einladung verstanden hätten, ebenfalls zur Spraydose zu greifen. Aber selbst an der Außenwand wäre die Wirkung des Graffitos als legal naturgemäß eine andere als bei den illegalen Sprays an fremden Häusern und Wänden gewesen.

Außerdem erinnerte sie die Kritiker daran, dass mittlerweile Werke vieler Sprayer konserviert beziehungsweise unter großem Aufwand wiederhergestellt würden, weil man den Kunstwert erkannt habe. Andere fände man jetzt sogar als Ausstellungsstücke in den Museen wieder.

"Haben diese Graffiti nicht ebenfalls ihre ursprüngliche Wirkung verloren, weil sie faktisch im Nachhinein legalisiert und zur Schau gestellt werden?," stellt sie die Gegenfrage. Naegeli dürfte jedenfalls seinen Spaß daran haben, dass er mit seiner Aktion wieder einmal für eine lebhafte Diskussion gesorgt hat.

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