Siedlergemeinschaft "Marienfried" in Siegburg Mit Pioniergeist und Muskelkraft

SIEGBURG · Die Siedlergemeinschaft "Marienfried", die ab 1948 in Siegburg baute, ist immer noch aktiv. Nur drei Jahre nach den Schrecken des Krieges, 1948, als durch den Zustrom der Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches größte Wohnungsnot herrschte, gründeten eine Handvoll Männer aus den Reihen der Katholischen Arbeiterbewegung (KAB) das katholische Siedlungswerk Siegburg-"Marienfried" zwischen Wolsdorf und Kaldauen, um sich dort niederzulassen und in Eigenleistung Häuser zu errichten.

 Die Siedlung "Marienfried" heute. Rechts ein Gedenkkreuz, das an Gründer Paul Moog erinnert.

Die Siedlung "Marienfried" heute. Rechts ein Gedenkkreuz, das an Gründer Paul Moog erinnert.

Foto: Holger Arndt

Die Initiative dazu ging auf den damaligen Kaplan Paul Moog zurück, der heute noch als "Siedlungsvater" in Ehren gehalten wird. Überhaupt ist man sich in der Siedlung der historischen Wurzeln bewusst, und auch nach 66 Jahren setzt die Gemeinschaft noch auf Solidarität und Nachbarschaftshilfe. Heute feiert sie ab 18 Uhr im Wendehammer der Taubenstraße ihr Sommerfest.

Der populäre Kaplan Moog (1903-1978) hatte in der Siegburger Nachkriegszeit von der Kanzel aus um Unterstützung für das Siedlungsvorhaben gebeten. Zahlreiche hilfsbereite Bürger brachten ein zinsloses Darlehen ein und auch die ehemalige "Rheinische Zellwolle AG", später Phrix-Werke AG, leistete finanzielle Hilfe. Nach intensiven Verhandlungen mit der im Haus zur Mühlen ansässigen Alexianer-Bruderschaft überließ die dem Verein "in großzügiger Weise ein Areal von 25 Morgen Land", wie es in der Siedlerchronik heißt. Zwischen 1949 und 1954 wurden insgesamt 46 Kleinsiedlerstellen mit 91 Wohnungen einschließlich Kanal und Straßen fertiggestellt.

In einem ersten Bauabschnitt die Häuser in den heutigen Straßen "Am Bildstock", "In den Hecken", in der Sonnenstraße, am Mühlenhofweg sowie "Im Sommerfeld", in einem zweiten Abschnitt die an der Viehtrifft und der Taubenstraße. Auch das Waldstück zwischen "Am Bildstock" und Taubenstraße gehörte dazu, blieb aber unbebaut. Die Straßennamen wurden erst 1964 auf Siedlervorschläge hin eingeführt.

Die feierliche Grundsteinlegung "Am Bildstock 1" erfolgte am 25. September 1949 durch den damaligen Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings. Alle anfallenden Arbeiten - angefangen bei Erd-, Beton und Maurerarbeiten über Zimmerer-, Dachdecker- und Sanitärarbeiten bis zum Straßenbau - übernahmen die Siedler selbst. Im Laufe des Jahres 1950 erhielten sie durch den Einsatz von Maurer-Umschülern auf Vermittlung des Arbeitsamtes Verstärkung.

Norbert Krudewig, seit zwölf Jahren erster Vorsitzender des Vereins, erlebte den Bau der Siedlung nicht, weiß aber aus den Erzählungen seines Bruders Heinz-Werner, der 17 Jahre älter ist, welche kaum vorstellbaren Mühen die Siedler auf sich genommen haben. "Die ersten Baugruben wurden noch ohne Maschinen, also in Handarbeit, ausgehoben, erst später kamen Bagger zum Einsatz", so Krudewig, Dozent für Bauingenieurwesen an der Fachhochschule Koblenz.

Die Steine stellte man aus Bims her, formte sie mittels einer schweißtreibenden muskelbetriebenen Presse. Ebenso beeindruckend ist der zeitliche Arbeitsaufwand der Gemeinschaft. Jeder Siedler musste sich nämlich verpflichten, ein Arbeits-Soll von 80 Stunden pro Monat zu erfüllen, insgesamt kam jeder auf eine Gesamtsumme von 4 500 Stunden. Bewundernswert ist diese Leistung vor allem deshalb, weil diese Arbeitsstunden ja neben der normalen Berufstätigkeit zu leisten waren. Urlaub, Wochenenden und Feierabende verbrachten die Männer und Frauen auf den Baustellen.

Die harten Jahre voller Entbehrungen haben die Siedler bis auf den heutigen Tag zu einer eingeschworenen Gemeinschaft werden lassen, der Solidaritätsgedanke wird auch von den Söhnen und Töchtern, Enkeln sowie Urenkeln weitergetragen und "viele Zugezogene, die nicht aus Siedlerfamilien stammen, treten ebenfalls der Gemeinschaft bei", berichtet Krudewig, der von 1960 bis 1985 im Elternhaus am Mühlenhof/Ecke Sonnenstraße lebte und 1996 auf dem Grundstück neu baute. Umgekehrt bestehen weiter Kontakte und Freundschaften mit ehemaligen Siedlern, die fortgezogen sind. "Viele Freunde von damals sind es heute noch", weiß Norbert Krudewig, dessen Vater Heinrich ganze 33 Jahre lang den Vorsitz innehatte, nicht nur aus eigener Erfahrung zu berichten.

Längst ist die aktive Nachbarschaftshilfe in Kontaktpflege durch Geselligkeit übergegangen. So veranstalten die Siedler Kinder- und Familientage, gemeinsame Ausflüge und einmal im Jahr ein Sommerfest sowie ein Siedlerfrühstück, früher im mittlerweile abgerissenen Jagdhaus, heute in der Kasserole, Wolsdorf. Der Zusammenhalt besteht also nach wie vor.

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