Troisdorfer läuft beim Marathon in München mit Laufen gegen das Vergessen

RHEIN-SIEG-KREIS · "Sicherheit." Basheer Alzalaan muss nicht lange überlegen, was sein Leben in Deutschland von dem in seiner syrischen Heimat unterscheidet. "Man kann hier leben und sich bewegen, ohne ständig Angst haben zu müssen", sagt der 29-Jährige.

 Trainieren für den München-Marathon: Ninja Taprogge und Basheer Alzalaan im Trikot der Care-Staffel.

Trainieren für den München-Marathon: Ninja Taprogge und Basheer Alzalaan im Trikot der Care-Staffel.

Foto: Care/Giulia Tossmann

Seit fast neun Monaten wohnt er in einer Flüchtlingsunterkunft in Troisdorf. Sein Asylantrag ist genehmigt. Er sucht eine Arbeit, möchte seine Familie nachholen und engagiert sich ehrenamtlich. Als Dolmetscher in der Troisdorfer Notunterkunft und bei Care. Am Sonntag läuft er in einer Staffel der Hilfsorganisation beim München-Marathon mit - 10,8 Kilometer.

"Ich möchte meinen Landsleuten zeigen, dass ihr Leid auch im mehr als 4000 Kilometer entfernten Deutschland nicht in Vergessenheit gerät", erklärt Basheer Alzalaan seine Beweggründe. Und er möchte die Aufmerksamkeit auf die Not in seiner Heimat lenken. Seit fast fünf Jahren herrscht dort Bürgerkrieg. "Unser Dorf wird täglich bombardiert", sagt der 29-Jährige. "Seit drei Jahren haben wir keinen Strom, kein sauberes Wasser. Es gibt keine Schulen, den Krankenhäusern fehlen die Ärzte." Die Lebensmittel sind rar und teuer. Er hat nicht mehr als Englischlehrer arbeiten können.

"Es ist von Tag zu Tag schwieriger, zu überleben", sagt Basheer Alzalaan. Und es gebe keine Perspektive. Daher habe er sich entschlossen zu fliehen - ohne seine damals schwangere Frau und die beiden Töchter. "Ich hatte große Sorge, dass ich es nicht schaffe", erklärt er, warum er Ende 2015 mit seinem Bruder und zwei Freunden und nicht mit seiner Familie flüchtete.

20 Tage dauerte sein Weg aus Dier Ezour im Osten Syriens bis nach Deutschland. 20 Tage, die geprägt waren von Hunger, Kälte und der Angst, entdeckt zu werden. "Gewalt kontrolliert den Weg, den man geht", sagt er. Es lauere überall Gefahr.

In einem Gummiboot ging es aus dem türkischen Bodrum auf die griechische Insel Kos. "Wir waren 26 Menschen in einem Boot, das eigentlich nur für sieben geeignet war." Alle hätten Griechenland erreicht, aber die Angst sei riesig gewesen. Seinen Bruder und einen Freund hatte er unterwegs verloren, in Serbien aber wiedergefunden. Ein kleiner Glücksmoment, wie Basheer Alzalaan sagt.

Mit "glücklich" oder "gutes Omen" übersetzt er seinen Vornamen ins Deutsche. Alzalaan heiße "traurig, nicht zufrieden". Er trägt die eigene Zerrissenheit im Namen. So glücklich er ist, in Deutschland zu sein, so sehr treibt ihn die Sorge um seine Familie um. Besonders, wenn er aktuelle Bilder aus Syrien sieht oder in der Notunterkunft mit Asylbewerbern spricht.

Ein Mal in der Woche hat er Kontakt zu seiner Frau, den Töchtern Lujain (5) und Safaa (3) und seinem drei Monate alten Sohn Mohammed. Wenn es eine Telefon- oder Internetverbindung gibt. Sie leben jetzt bei seinen Eltern. Seinen Sohn kennt er nur vom Foto. "Ich möchte sie so schnell wie möglich nach Deutschland holen", sagt Basheer Alzalaan.

Dafür brauchen sie einen Termin in der deutschen Botschaft im Libanon oder in der Türkei. In Beirut ist im Februar der nächste frei, in der Türkei nicht vor Oktober 2016. "Ich habe für Beirut einen Antrag gestellt und hoffe jeden Tag, dass ich ihn bestätigt bekomme."

Binnen sechs Monaten wollte Basheer Alzalaan die deutsche Sprache lernen. "Ich muss mit den Menschen sprechen können", sagt er. Sein Ziel hat er erreicht. Nicht nur über Kurse, auch in vielen Gesprächen und beim Fußballtraining in Troisdorf. "Ich suche Beschäftigung", sagt er. Er wolle nicht nur da sitzen und warten. Bei Care engagiert er sich seit dem Sommer in einigen Projekten. So ist er etwa Jury-Mitglied in einem Schreibwettbewerb für Kinder und Jugendliche, Thema "Heimat". Im Dezember macht er ein berufsbezogenes Praktikum bei der Hilfsorganisation. "Ich würde gerne wieder als Englischlehrer arbeiten", sagt er. Dafür müsste er sein Literaturstudium aber ergänzen.

Basheer Alzalaan fühlt sich wohl in Troisdorf. Syrien bleibt aber seine Heimat. "Es wäre schön, wenn ich irgendwann zurückkehren könnte", sagt er. Vorstellen kann er sich nicht, dass sich die Lage einmal beruhigt. "Aber ich wünsche es mir von Herzen."

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