Anno-Gymnasium in Siegburg Holocaust-Überlebender Naftali Fürst berichtet über Auschwitz

SIEGBURG · Eigentlich wollte er nie wieder Deutsch sprechen nach all dem, was er in Deutschland während seiner Jugend erdulden musste. Naftali Fürst, 1932 in Bratislava geboren, verbrachte insgesamt 1033 Tage seiner Kindheit in vier Konzentrationslagern, darunter auch Auschwitz und Buchenwald.

Als einzige überlebende Familie aus der Slowakei fanden er, seine Eltern und sein Bruder nach dem Krieg wieder zusammen und wanderten später nach Israel aus. Zum fünften Mal war Naftali Fürst am Dienstag auf Einladung von Schulpfarrerin Annette Hirzel und Claudia Arndt, Kreisarchivarin und Leiterin der Gedenkstätte "Landjuden an der Sieg", zu Gast am Siegburger Anno-Gymnasium. Vor rund 60 Schülern berichtete er über sein Leben während des Holocausts.

Bis zum Jahr 2005 konnte sich Naftali Fürst, wie er sagt, nicht vorstellen, noch einmal deutschen Boden zu betreten, geschweige denn die Sprache seiner Peiniger zu sprechen. Zu tief saß die Erinnerung an das Grauen, dass er zwischen 1941 und 1945 erleben musste. Erst 60 Jahre später reiste Fürst, der mit seiner Partnerin Tova Wagmann im israelischen Haifa lebt, erstmals wieder nach Deutschland.

Bei zahlreichen Zeitzeugengesprächen an Schulen, bei den jährlichen Veranstaltungen in der Gedenkstätte Buchenwald und bei Besuchen im Thüringer Landtag sowie im Bundestag lässt der 81-Jährige seine leidvolle Geschichte immer wieder Revue passieren, die er auch in seinem Buch "Wie Kohlestücke in den Flammen des Schreckens" festgehalten hat.

"Ich hatte eigentlich zunächst eine behütete, schöne Kindheit und sprach bis zu meinem sechsten Lebensjahr Deutsch", erinnerte sich Fürst. Das habe sich erst geändert, als 1938 im Zuge des Anschlusses von Österreich an das nationalsozialistische Deutsche Reich auch der deutschsprachige Teil der Tschechoslowakei eingegliedert wurde. 1941 kam Naftali Fürst in das Arbeitslager Sered. "Wir wollten in keinem Fall nach Auschwitz, weil wir wussten, was dort geschah", sagte Fürst. Dennoch kam es im November 1944 zur Deportation und Fürst sowie seine Familie fanden sich plötzlich in einem Güterwaggon wieder. Ziel: Auschwitz. "Mit diesem Zug bewegten wir uns in Richtung Hölle", so Fürst.

Der Plan, während der Fahrt zu türmen, scheiterte. Was Fürst in dem Konzentrationslager dann erlebte, lasse sich kaum in Worte fassen. "Das Leben in Auschwitz war schlimmer als der Tod." Bevor die russische Armee das KZ am 27. Januar 1945 befreite, wurden die Gefangenen von den Nazis auf einen Todesmarsch geschickt, den viele aufgrund der Kälte und des Hungers nicht überlebten. Nach fünf Tagen kamen sie in Buchenwald an und Fürst wusste: "Hier wird es nicht ganz so schlimm sein wie in Auschwitz."

Nach dem Marsch war Fürst zunächst sehr krank. "Das Lagerbordell war meine Rettung. Die Frauen mochten mich und versorgten mich mit Lebensmitteln und Süßigkeiten. Als die Amerikaner im April nach Buchenwald kamen, wurde ich genau da befreit. Es wird nicht viele Menschen geben, die sagen können, dass sie aus einem Bordell befreit worden sind", meinte Fürst.

Ob Bundespräsident Joachim Gauck, der US-Schauspieler Jeff Goldblum oder nun die Siegburger Schüler - alle hören aufmerksam zu, wenn Naftali Fürst über sein Leben spricht. Seine Botschaft ist dabei Versöhnung und Frieden, nicht Hass. Er möchte nur eines: Das Wissen über begangenes Unrecht wach halten.

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