Jugendhilfe im Rhein-Sieg-Kreis Härtefälle werden im Ausland untergebracht

RHEIN-SIEG-KREIS · Es ist so etwas wie der letzte Versuch bei so genannten Härtefällen: Jugendliche, bei denen alle gängigen Mittel der Jugendhilfe ausgeschöpft sind, werden im Ausland untergebracht - auch vier Kinder und Jugendliche aus dem Rhein-Sieg-Kreis.

Das geht aus der Antwort des Kreisjugendamtes an die Kreistagsfraktion Die Linke und die Kreistagsgruppe FUW-Piraten hervor. Die hatten ausgehend von kritischen Fernsehberichten über die Auslandsunterbringung von Heimkindern nachgefragt.

Unter anderem war in den Berichten der Vorwurf erhoben worden, Träger würden viel Geld damit verdienen, Jugendliche in sozialpädagogischen Lebensgemeinschaften personell unzureichend betreuen zu lassen. Zudem müssten die Jugendlichen arbeiten, statt zur Schule zu gehen. Linke, FUW und Piraten stellen nun im Jugendhilfeausschuss den Antrag, die Zusammenarbeit des Kreises mit der Stiftung Leuchtfeuer und der Life Jugendhilfe zu beenden.

"Das Jugendamt versucht zunächst, alle Möglichkeiten der ambulanten und stationären Hilfe auszuschöpfen", erklärte Kreissprecherin Rita Lorenz. Das Kreisjugendamt ist zuständig für Eitorf, Windeck, Much, Neunkirchen-Seelscheid, Ruppichteroth, Alfter, Swisttal und Wachtberg. Es betreut 700 Kinder und Jugendliche ambulant und teilstationär sowie 670 über stationäre Hilfen. Vier der stationär betreuten Kinder und Jugendlichen seien im Ausland untergebracht, genauer in den Niederlanden, Griechenland, Kirgisien und Estland.

"Grundsätzlich ist die Unterbringung im Ausland ein sehr selten angewandtes Mittel", erklärte Lorenz. Es greife bei Kindern und Jugendlichen, die bereits eine lange "Jugendamtskarriere" hätten. "Das sind ganz besondere Fälle, bei denen alle anderen Formen der Hilfe bereits gescheitert und die pädagogisch nicht mehr erreichbar sind."

Es sind junge Menschen, die kriminell geworden sind, die etwa schon in Untersuchungshaft saßen, Drogenprobleme haben, obdachlos sind oder als Prostituierte arbeiteten. "In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, sie aus dem gewohnten Umfeld zu nehmen", so Lorenz. In der eher reizarmen Umgebung, in der viele Auslandsprojekte angesiedelt seien, sei es einfacher, sich auf eine pädagogische Hilfe und Bindung einzulassen.

So erklärt auch die kritisierte Kölner Stiftung Leuchtfeuer, mit der der Kreis kooperiert, ihre Auslandsarbeit: Man versuche, die Jugendlichen an regelmäßige Abläufe und an eine Tagesstruktur heranzuführen, ihre Konzentrationsfähigkeit und sozialen Fähigkeiten zu stärken sowie Arbeitshaltungen wie Regelmäßigkeit oder Konzentration einzuüben. Die Stiftung weist den Vorwurf von sich, sich zu Lasten der Jugendlichen zu bereichern: "Als gemeinnützige Einrichtung unterliegen wir einer strengen Überwachung." Ähnlich nimmt auch die Life Jugendhilfe Stellung.

Die Auslandsunterbringung sei der letzte Versuch, Jugendliche wieder auf die Spur zu bringen, sagte Lorenz. "Dem geht eine sehr lange Planung in enger Absprache mit Amtsleitung und Dezernenten vorweg. Die Kinder sollen nicht abgeschoben werden, die Träger werden nach sehr engen Kriterien ausgewählt."

So müssten alle eine Einrichtung in Deutschland betreiben. Und sie müssen einen Qualitätsnachweis für die vor Ort arbeitenden Mitarbeiter sowie eine Selbstverpflichtung vorlegen. Sie benötigten eine Betriebserlaubnis durch das Landesjugendamt, dessen Heimaufsicht sie zudem unterliegen. "Wir haben bislang sehr gute Erfahrungen gemacht", sagte Lorenz. Es gebe monatlich einen Austausch mit den Trägern, mindestens zwei Mal im Jahr reise ein Jugendamtsmitarbeiter in das jeweilige Land, mit älteren Jugendlichen werde geskypt. "Sollten Unregelmäßigkeiten auftreten, dann wird die Maßnahme sofort beendet", versichert sie. Und die Kosten? "Ein Platz im Ausland ist nicht teurer als eine Inlandsunterbringung." Das Kreisjugendamt plane für dieses Jahr 17 Millionen Euro für stationäre Hilfen ein.

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