Siegburger Original wird 100 GA-Fotograf Holger Arndt bringt Licht in Lottchens Leben

SIEGBURG · Kennengelernt haben sie sich vor mehr als 20 Jahren. "Bei der Einweihung des Stadtmuseums saß auf einmal diese Figur auf der Treppe", erinnert sich GA-Fotograf Holger Arndt. "Das ist das Lottchen", habe man ihm auf seine Nachfrage erklärt. Ergänzt um den Zusatz: "Das war ein Siegburger Faktotum, das mit seinem Pony und Wagen durch Siegburg gezogen ist." Mehr war damals nicht zu erfahren.

Die Faszination des heute 61-Jährigen für das Original aber war geweckt. Vor einem Jahr etwa wollte er es genauer wissen, hat recherchiert und dabei einiges über Lottchen an den Tag gebracht. Etwa, dass es als Charlotte Bertram am 19. November 1912 geboren wurde. Zum 100. Geburtstag des Originals möchte Holger Arndt ein wenig Licht in Lottchens geheimnisumwittertes Leben bringen. Daher lädt er für Dienstag, 20. November, ab 18 Uhr zur Geburtstagsparty ins Stadtmuseum ein.

"Es war kein einfaches Leben", fasst Arndt zusammen, was er binnen eines Jahres von Zeitzeugen erfuhr und aus Akten des Kreisarchivs zusammentrug. Die Eltern sahen ihr Lottchen als Tochter an und tauften sie auf den Namen "Charlotte". Dabei war ihr Geschlecht nicht eindeutig, sie war ein so genannter Hermaphrodit, nicht Mann und auch nicht Frau.

Zudem war Lottchen kleinwüchsig - eine Kombination, welche die Siegburgerin, die drei ältere Brüder hatte, oft zur Zielscheibe von Hänseleien und Nachstellungen werden ließ. "Wenn sie nach Feierabend in eine Kneipe ging, was sie oft und gerne tat, schlossen die anderen Gäste Wetten darüber ab, auf welche Toilette sie denn nun gehen würde", hat Holger Arndt sich erzählen lassen.

Der "Driesch" war Lottchens Heimat, gleichwohl wechselte sie mehrfach ihren Wohnort innerhalb der Kreisstadt. "In den Akten wird ihr Beruf als Fuhrunternehmen geführt", sagt Arndt. Das Pony, von dem Siegburger ihm einst berichteten, war in Wahrheit ein Muli, wie er herausgefunden hat. Zusammen mit seinem Grautier Esel und seinem Wagen sammelte Lottchen etwa die Post in Firmen ein.

Aber auch im Siegburger Vereinsleben war Charlotte aktiv, wie Fotos dokumentieren, die Arndt von Zeitzeugen erhalten hat. Da marschiert Lottchen in Uniform dem Siegburger Karnevalszug vorweg oder feuert kräftig die Mannschaft des Siegburger Sportvereins 04 an, zu dessen Maskottchen sie zeitweise gar avancierte.

"Es ist erstaunlich, wie viele Menschen sich noch an Lottchen erinnern und etwas über sie erzählen können", sagt Holger Arndt. Unlängst, als er eine "100" für Lottchens Geburtstagstorte kaufte, kam er mit einem Hangelarer ins Gespräch, der ihm gleich Anekdoten über das Siegburger Original erzählte. All das hat Arndt zu einem Vortrag zusammengefasst, den er mit Bildern gestaltet hat und mit dem er Lottchen während der Geburtstagsparty noch einmal zum Leben erwecken wird. Als posthume Ehrung für eine Siegburgerin, um die sich viele Geheimnisse ranken und deren Leben Anfang der 70er Jahre ein jähes Ende fand.

Der Eintritt ist frei, einen Wunsch hat Arndt aber: "Wenn jemand etwas zu Lottchen zu erzählen oder alte Fotos hat, soll er sie doch bitte mitbringen." Sowie einen Luftballon. Als Gegenleistung gibt es Mettbrötchen und Kölsch - Lottchens Lieblingsgetränk.

Die Party für Lottchen steigt am Dienstag, 20. November, im Stadtmuseum, Markt 46. Ab 18 Uhr wird der GA-Fotograf das Leben der Charlotte Bertram in Wort und Bild Revue passieren lassen.

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