Ton-Ader in Siegburger Bau-Grube Frischer Ton für alte Krüge

SIEGBURG · In der H & M-Baugrube verläuft eine Ton-Ader. Die Bauherrenfamilie Kranz hat Ton abtragen lassen. Zwei Siegburger Frauen, die ganz unterschiedlich mit Ton arbeiten, wollen sich seiner annehmen: Gisela Frenzel und Ines Hasenberg.

 Rundgang durch die Baugrube: In etwa sieben Metern Tiefe schlummerte der Siegburger Ton am oberen Markt.

Rundgang durch die Baugrube: In etwa sieben Metern Tiefe schlummerte der Siegburger Ton am oberen Markt.

Foto: Holger Arndt

Der Großbohrer hat sie an den Tag gebracht: eine tiefe Tonader. Äußerst heller, fast bläulich schimmernder Ton liegt seit Jahrhunderten dort, wo derzeit am oberen Markt mit dem "Quartier Reichenstein" Raum für eine H & M-Filiale entsteht. Das Material, aus dem die Siegburger Töpfer seinerzeit ihre Keramiken formten. Eben das soll auch nun wieder geschehen.

In etwa elf Metern Tiefe schlummert das irdene Gut, das die heutige Kreisstadt im 16. und 17. Jahrhundert weltweit bekannt gemacht hat. Um an ihr Material zu gelangen, mussten die Töpfer damals schwer arbeiten. Denn die Tonschicht ist hart. So hart, dass selbst Bagger es kaum schaffen, den Ton zu lösen. Mit einer Harke hat Bernd Kranz etwas Ton gelöst und Gisela Frenzel in ihre Töpferei am Nogenter Platz gebracht. "Das ist eindeutig Siegburger Ton", hat die sofort erkannt. "Der ist sehr weiß und sehr rein."

Zunächst transportierte Bernd Kranz zwei Anhänger Ton zum Nogenter Platz, damit Gisela Frenzel daraus in Siegburger Tradition Gefäße für den Abteilikör formt. Den setzt Kranz seit dem Weggang der Benediktinermönche zusammen mit seinem Bruder Rüdiger an. "Der Grundgedanke war, dass alles aus Siegburg stammt", erklärt Kranz. In einem nächsten Schritt hat er sich an Hasenberg gewandt. "Als er anrief, hatte mein Mann gerade mühevoll zwei Eimer Ton an einer Baustelle neben unserem Haus ausgebuddelt", sagt die Keramik-Gestalterin.

Sie setzt sich zusammen mit ihrem Mann Christoph und Miriam Bunzel von der Tourist Information dafür ein, Siegburg wieder als Keramikstadt bekannt zu machen. Im vergangenen Jahr haben sie dafür das Konzept des Keramikmarktes überarbeitet, der nun auf ausgewählte, renommierte, professionelle Aussteller setzt. "Die Siegburger Töpfertradition soll wieder mehr ins Bewusstsein rücken", erklärt Bunzel. Daher gebe es jetzt Töpferführungen durch die Stadt oder einen Keramikpreis.

Der Anruf bei Hasenberg kam wie gerufen, verrät diese. "Wir planen ein Keramiksymposium, bei dem internationale Töpfer sich künstlerisch mit den traditionellen Siegburger Schnellen auseinandersetzen", sagt sie. Dabei handelt es sich um Trinkkrüge. Die Keramiken sollen anschließend in einer Ausstellung durch Europa reisen. Dass sie dazu nun auch ausreichend echten Siegburger Ton haben, sei eine glückliche Fügung gewesen. "Das Material ist nicht teuer", so Hasenberg. Es gehe aber um die Historie. Und der Ton aus der Baugrube ist wirklich reiner Siegburger Ton, das hat die technische Analyse ergeben, berichtet Hasenberg.

Mehrere Lastwagenladungen mit je fünf Tonnen Ton hat Familie Kranz zum Bauhof gefahren. "Dort kann er lagern, bis er aufgearbeitet wird", sagt Bunzel. Denn ehe der weiße Stoff auf der Töpferscheibe Formen annehmen kann, muss er gesäubert werden. "Dazu muss er erst einmal trocknen", erklärt Frenzel. Dabei verliere er an bläulicher Farbe. Die stammt, so Hasenberg, von Humusstoffen. Ist der Ton trocken, zerkleinert Gisela Frenzel die Klumpen. Mit einer Bürste entfernt sie Dreck oder Pflanzenreste und weicht das Gestein in Wasser ein. Wenn aus dem Klumpen eine breiige Masse geworden ist, legt die Töpfermeisterin diese auf eine Gipsplatte, die ihr Wasser entzieht.

"Erst wenn ich ihn gut geknetet habe, kann ich ihn verarbeiten", so Frenzel. Eine große Portion Idealismus stecke in dieser Arbeit, gibt die Frau, die seit 1974 die Tradition der Töpfer in der Kreisstadt fortführt, zu. Während sie die historischen Formen und Gefäße ihrer Vorfahren bewahrt, setzt Hasenberg sich künstlerisch mit dem historischen Material auseinander. Die Liebe zum Beruf eint beide Frauen. Hasenberg bringt es auf den Punkt: "Es reicht nicht, die Asche zu bewahren, man muss die Glut weitergeben."

Info

Auf den Spuren der Siegburger Töpfer können Interessierte am Samstag, 21. März, ab 14 Uhr bei einer Stadtführung wandeln. Der Rundgang kostet vier Euro. Anmeldung unter Tel. 0 22 41/1 02 74 33 oder per E-Mail an tourismus@siegburg.de.

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