Studiobühne Flüchtlinge erzählen ihre Geschichten über Tod und Verfolgung

SIEGBURG · Seit zehn Tagen lebt Sarmad in Siegburg, nachdem er auf einer abenteuerlichen Flucht vor der Terrormiliz IS im Nordirak fliehen konnte. Er und weitere sechs Flüchtlinge berichteten am Sonntagabend über den Grund, ihre Heimat zu verlassen, ihre Hoffnungen für die Zukunft und ihr Leben in Deutschland.

 Die Flüchtlinge Arash Nayebbandi (von links), Bedri, Shakelqim, Shukrei und Dolmetscher Shkumbin Imeri erzählen in der Studiobühne von ihrer Flucht. FOTO: PAUL KIERAS

Die Flüchtlinge Arash Nayebbandi (von links), Bedri, Shakelqim, Shukrei und Dolmetscher Shkumbin Imeri erzählen in der Studiobühne von ihrer Flucht. FOTO: PAUL KIERAS

Sarmad ist erst 15 Jahre alt, hat aber bereits eine Odyssee hinter sich. Seit zehn Tagen lebt der junge Mann in Siegburg, nachdem er auf einer abenteuerlichen Flucht vor der Terrormiliz IS im Nordirak fliehen konnte. Er und weitere sechs Flüchtlinge berichteten am Sonntagabend bei einer öffentlichen Veranstaltung unter dem Titel "Angekommen" in der Studiobühne über den Grund, ihre Heimat zu verlassen, ihre Hoffnungen für die Zukunft und ihr Leben in Deutschland.

Eingeladen hatte sie der Leiter der Studiobühne, René Böttcher. Auf die Idee, diesen Menschen Gehör zu verschaffen, kam er, weil seiner Meinung nach "viel zu viel über Flüchtlinge geredet wird, aber kaum einer weiß, welches Martyrium sie zum Teil durchgemacht haben." Der Abend war nach Böttchers Aussage bereits zwei Stunden nach Ankündigung ausverkauft. Der Eintritt war frei, es wurde aber für die Organisation "See-Watch" gesammelt, die im Mittelmeer Seenotrettung leistet.

Allerdings blieb am Sonntagabend aus unerklärlichen Gründen fast die Hälfte der Plätze in dem kleinen Theater unbesetzt. Die Organisation und Moderation hatte der Schauspielschüler Arash Nayebbandi übernommen, der selbst im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern aus dem Iran nach Deutschland geflohen ist.

Für Sarmad war die Welt im Irak bis vor einem Jahr noch in Ordnung. Vom IS hatte er noch nie etwas gehört. Das änderte sich schlagartig, als in benachbarten Dörfern Schüsse fielen und Granaten einschlugen. Vater, Mutter, Sarmad und drei jüngere Geschwister, die der religiösen Minderheit der Jesiden angehören, ließen alles liegen und stehen und flüchteten in das Sindschar-Gebirge. Von Amerikanern und der irakischen Armee wurden sie gerettet und in ein Lager gebracht.

Da Vater und Mutter bei den kleineren Kindern bleiben mussten, entschlossen sie sich, den damals 14-Jährigen auf eine ungewisse Reise nach Deutschland zu schicken. Mit einer Gruppe von Männern, die wie er alle rund 10.000 US-Dollar bezahlen mussten, ging es - in einem Käfig unter einem Lastwagen versteckt - Richtung Türkei, Bulgarien und Österreich, schließlich nach Deutschland. Dort wurde er durch Vermittlung von Hasan Karzan, der als Dolmetscher eingeladen war und vor fünf Jahren aus dem Nordirak flüchtete und nach Siegburg kam, an einen hier seit 17 Jahren lebenden Landsmann vermittelt, der Sarmad betreut. Der Junge vermisst seine Eltern, mit denen er täglich telefoniert oder über das Internet kommuniziert. Fliehen musste auch der Iraner Armir, der mit seiner Familie zum christlichen Glauben übergetreten ist, damit sein Todesurteil im Iran unterschrieben hat und seit einem Jahr mit Eltern und Bruder in einem Flüchtlingsheim in Troisdorf untergebracht ist.

Mureb und Zakarya aus Syrien flohen über Ägypten nach Deutschland, nachdem herausgekommen war, dass ihr Vater, Botschafter in Belgrad, sich für Oppositionelle gegen das Assad-Regime eingesetzt hatte. Das Leben im Kosovo schilderten Shakelqim, Bedri und Shukrei. Korruption, Willkür und Arbeitslosigkeit hätten zu bitterer Armut geführt, es gäbe keine Zukunft für sie und ihre Familie. Sie mussten alles verkaufen, um aus dem Land zu kommen. Denn das sei nur durch Bestechung der Polizei und Schlepper möglich gewesen. Eine Rückkehr sei für sie unvorstellbar. "Zurück gehen wir nur in Handschellen."

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