Extremwanderer aus Sankt Augustin Fast 4000 Kilometer auf dem Jakobsweg

SANKT AUGUSTIN · Er war dann mal weg, und das jedes Jahr - über einen Zeitraum von sieben Jahren. Lange bevor Hape Kerkeling den Jakobsweg gegangen ist und darüber einen Bestseller mit dem Titel "Ich bin dann mal weg" geschrieben hat, ist Martin Thull aus Sankt Augustin quer durch durch Deutschland gewandert und hat darüber ein Pilger-ABC geschrieben.

 Protokoll einer Pilgerreise: Martin Thull und seine Wanderkarte mit den Stempeln vom Jakobsweg.

Protokoll einer Pilgerreise: Martin Thull und seine Wanderkarte mit den Stempeln vom Jakobsweg.

Foto: Michael Lehnberg

Von Mai 2000 bis 2007 hat sich der Sankt Augustiner Martin Thull jedes Jahr für zehn bis 14 Tage auf den Weg gemacht und so mehr als 2500 Kilometer auf dem Jakobsweg absolviert bis zum Ziel Santiago de Compostela. Er hat darüber Bücher geschrieben, und jetzt das "Kleine Pilger-ABC" in einer aktualisierten Fassung vorgelegt. Darin findet der Pilger nun auch Stichwörter wie "Handy", "Akku" oder "Ladegerät". "Es hat sich ja doch in den vergangenen 15 Jahren so einiges getan", sagt Thull.

Nun liegt es schon einige Jahre zurück, dass er Santiago erreicht hat. Aber er hat sich noch einmal auf den Weg gemacht und ist den Jakobsweg von Görlitz alleine quer durch Deutschland nach Sankt Augustin gelaufen, in zwei Jahrestappen insgesamt 747 Kilometer. "Das Netz des Jakobsweges zieht sich ja durch ganz Europa", sagt Thull. Über Leipzig, Eisenach, dann weiter von der Wartburg über den Elisabethpfad nach Marburg und Siegen bis nach Sankt Augustin führte ihn sein Weg. "Das war nahezu identisch mit dem Jakobsweg", so der Sankt Augustiner. Auch die Erlebnisse dieser Etappen flossen als Stichwörter in das neue Pilger-ABC ein, etwa der "Elisabethpfad" oder "Deutsche Jakobswege". Wer weiß schon, dass es Hinweise auf mehr als 70 Jakobswege in Deutschland gibt.

Martin Thulls Leidenschaft für den Jakobsweg begann 1999, als er das erste Mal Santiago nach Wandertouren von 1996 an in Nordspanien erreichte. Er lernte ein holländisches Paar kennen. Die beiden hatten ihren Job aufgeben, die Wohnung vermietet und sich neun Monate auf den Weg gemacht - hin und zurück auf dem Jakobsweg. "Da hat mich der Virus irgendwie gepackt, und da ist die Idee entstanden, das zu machen" erinnert sich Thull. Insgesamt sind daraus fast 4000 Kilometer geworden. Über viele Kilometer hat ihn ein Freund begleitet.

Allerdings durfte Martin Thull im Jahr 2000 nur unter Auflagen loslaufen. "Ich musste ein Handy mitnehmen und mich jeden Tag bei meiner Frau melden." Gleichwohl sei man nie wirklich allein, sagt Thull - auch wenn man sich anfangs allein auf den Weg macht. "Man lernt jeden Tag Pilger kennen."

Was damit begann, einmal auszuloten, was "Mann" so Ende 40, Anfang 50 "drauf" hat, bekam mehr und mehr auch eine spirituelle Dimension, die auch mitgeholfen hat, die immer wiederkehrenden Zweifel zu überwinden. "Ich bin als Wanderer gestartet und als Pilger angekommen." "Zweifel" ist denn auch ein Eintrag im Pilger-ABC. "So manches Mal fragt man sich schon, ob das alles so richtig ist, was man da macht", sagt Thull. Staubige Wege, schwerer Rucksack, klobiges Schuhwerk, dazu viele Kilometer zu Fuß: Es gibt Schöneres. Am Abend nach der Tagesetappe warteten eine heiße Dusche und ein leckeres Essen mit einem Glas Wein. "Zweifel sind lästig, aber sie verschwinden auch wieder" ist im Buch etwa zu lesen.

Zweifellos nützlich ist das kleine Pilgerlexikon: So dürfte die Information, Friedhöfe anzusteuern, für den Wasserhaushalt des Pilgers hilfreich sein. Auf Friedhöfen gibt es laut Thull immer frisches Wasser. Selbst der Freund französischen Käses vermag aus dem Buch wichtiges herauszulesen. Der Tipp: Unterwegs gekauften Camenbert sollte man einen Tag im Rucksack reifen lassen. Für Martin Thull ist das Kapitel "Jakobsweg" jetzt abgeschlossen. "Das ist ja schon ziemlich anstrengend", sagt er. Er will nun leichtere Wanderungen unternehmen und in der Gruppe wandern. Sein nächstes Ziel: die griechische Insel Rhodos.

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