Eine Stunde mit der Siegburger Steinmetzmeisterin Kathrin Post Erst wenn es laut ist, ist es still

SIEGBURG · Der Wind treibt den Regen an die Scheiben. Ein gleichmäßiges Prasseln auf dem Dach verrät das Grau in Grau vor der Tür. Warm ist es auch in der Halle nicht. Aber immerhin trocken. Rot blitzt auf.

 Mit chinesischer Kreide zeichnet Kathrin Post die Inschrift des Grabsteins vor.

Mit chinesischer Kreide zeichnet Kathrin Post die Inschrift des Grabsteins vor.

Foto: Holger Arndt

Ein unerwarteter Akzent zwischen gedeckten Farben. "Das muss sein", sagt Kathrin Post und blickt auf ihre rot lackierten Nägel. Auch wenn der Lack über kurz oder lang Spuren ihrer täglichen Arbeit tragen wird.

Heute arbeitet die 35-Jährige mit vergleichsweise feinem Gerät. Malt mit chinesischer Kreide Buchstaben auf den naturbelassenen Flusskiesel, später wird sie sie in den Grabstein gravieren.

An anderen Tagen ist es laut und staubig in ihrer Werkstatt an der Aulgasse - und die Steinmetzmeisterin geht an ihre körperlichen Grenzen.

"Es ist nicht jeder Tag gleich", erklärt Kathrin Post, was sie an ihrem Beruf schätzt. Da sind überaus emotionale Momente mit Trauernden, die nach einem passenden, individuellen Grabstein für einen verstorbenen Angehörigen suchen.

Da sind filigrane Arbeiten, bei denen jeder falsche Handgriff die Arbeit von Tagen zerstören würde. Da sind die Kurse, bei denen die 35-Jährige ihr Wissen an bis zu 1200 Kinder und Erwachsene im Jahr weitergibt.

Da sind Stunden der Stille auf dem Friedhof, wenn sie einen Grabstein setzt. Da sind Stunden am Schreibtisch mit viel Büroarbeit. Und da sind immer wieder körperliche Herausforderungen - etwa wenn der 300-Kilogramm-Stein bewegt werden muss.

"Wer mit dem Kopf arbeitet, muss weniger heben", erläutert Post, wie sie das dank Hebeltechnik meistert. Gewichte fangen für die sportliche Frau erst bei 60 Kilogramm an. "Ich bin eine beliebte Umzugshilfe", sagt sie und tätschelt im Vorbeigehen den Kopf der Engelskulptur in der Kursraumecke.

"Darf ich vorstellen, das ist Mary". Eine Auftragsarbeit, die nie abgeholt wurde. Und die seither schweigend über Kathrin Post und ihre Arbeit wacht.

Ursprünglich hatte sie ganz andere Berufspläne.

"Ich wollte eigentlich Innenarchitektur studieren", erzählt sie und arbeitet weiter am Grabstein. Beim Kellnern während des Wartesemesters lernte sie einen Friedhofsgärtner kennen, der ihr ein Praktikum bei einem Steinmetz verschaffte.

2005 legte Kathrin Post ihre Gesellenprüfung als Steinmetzin und Steinbildhauerin ab - ihr Gesellenstück: ein Stöckelschuh. "Von sieben Frauen aus meinem Ausbildungsjahrgang arbeiten nur noch zwei als Steinmetz", berichtet die Frau, die 2007 in Koblenz ihren Meister machte und seit 2008 selbstständig ist.

Bis auf das beständige Regenprasseln ist es still in der Werkstatt. Für Kathrin Post ist es hier aber im Grunde erst wirklich "still", wenn der Staubabzieher dröhnt und sie den Stein mit Meißel, Hammer oder Druckluft bearbeitet.

"Wenn es hier so richtig laut ist, kann ich mich mehr konzentrieren, der Kopf ist ganz frei, und die Gedanken gehen auf Reise." Ein Knopfdruck, der Staubabzieher rattert los - es kostet Anstrengung, ihn zu übertönen.

Kathrin Post greift zum mit Druckluft betriebenen Meißel und höhlt einen Stein aus. "Ein Pfeifenhalter", erklärt sie durch den Mundschutz, über die Schutzbrille hinweg und gegen den Lärm.

"Ich nehme meine Arbeit immer mit nach Hause", sagt Post mit Blick auf die Wolke aus feinem Staub, die sie umgibt. Der setzt sich fest. Das bedeutet für die Steinmetzmeisterin: Jeden Tag Haare waschen.

Etwas anderes lässt sie indes in Büro zurück: Die vielen überaus emotionalen und ergreifenden Momente, die sie mit Kunden teilt, die bei ihr einen Grabstein für einen verstorbenen Angehörigen in Auftrag geben.

"Wer nur unter Tränen etwas über den Verstorbenen erzählen kann, den schicke ich nach Hause", so Post. Dann sei der Zeitpunkt für einen Grabstein noch nicht gekommen. Gleichwohl fließen oft Tränen, wenn die 35-Jährige zusammen mit ihren Auftraggebern - aus ganz Deutschland - einen ganz individuell auf den Verstorbenen zugeschnittenen Grabstein entwirft. Angefangen bei der Auswahl des Steins bis hin zu dessen Gestaltung.

"Das Schöne ist, alle Kunden gehen hier lächelnd wieder raus."

In der GA-Serie "Eine Stunde mit ..." begleiten wir Menschen bei der Ausübung ihres Berufs. Ob Bäcker, Model oder Tierpfleger - sie gewähren uns Einblick in ihren Alltag. Für genau eine Stunde.

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