Abschluss der Siegburger Literaturwochen Ein Mutmacher-Buch von Walter Sittler und Gerd Leipold

SIEGBURG · Neun Orte haben Walter Sittler und Gerd Leipold besucht, um herauszufinden, wie gut es um die Demokratie bestellt ist. Ihre Reise führte sie dabei von Island bis nach Istanbul, von Stuttgart bis nach Stockholm. Herausgekommen ist ein packendes Plädoyer für Transparenz und Demokratie, und dafür, sich einzumischen.

 Auf Spurensuche in Sachen Demokratie: Gerd Leipold (links) und Walter Sittler.

Auf Spurensuche in Sachen Demokratie: Gerd Leipold (links) und Walter Sittler.

Foto: Andreas Dyck

Die zwei Autoren waren am Sonntagabend nach Siegburg gekommen, um im Rahmen der Abschlussveranstaltung der Siegburger Literaturwochen im Stadtmuseum ihr Buch "Zeit, sich einzumischen" vorzustellen. Die Lesung wurde in weiten Teilen zu einem mitreißenden Gespräch darüber, wie sich durch bürgerliches Engagement die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen lassen.

Die Autoren: Mit Sittler und Leipold treffen zwei höchst unterschiedliche Charaktere aufeinander. Der eine kommt aus der Kunst, der andere aus der Wissenschaft. Walter Sittler ist als Schauspieler einem breiten Publikum bekannt. In der ZDF-Reihe "Der Kommissar und das Meer" spielt er die Titelfigur und hat außerdem am Nationaltheater Mannheim und am Staatstheater Stuttgart gearbeitet.

Gerd Leipold ist promovierter Ozeanograf und wurde 1982 Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland. Später wurde er Geschäftsführer von Greenpeace International und arbeitet heute als Umweltberater für Unternehmen. Seit sich Sittler gegen das Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21" aktiv eingesetzt hat, ist den beiden der politisch-gesellschaftliche Widerstand gemein.

Das Buch: Die Autoren Sittler und Leipold gehen in ihrem Buch auf Spurensuche und treffen auf Bürger, die sich politisch einmischen wollen. Sie sprechen mit Politikern wie Griechenlands Ex-Premier Giorgos Papandreou und dem nach außen schräg anmutenden Bürgermeister von Reykjavík. Sie suchen Aktivisten wie die von Wikileaks auf und fühlen den Zivilgesellschaften in Ländern wie Schweden, der Türkei, aber auch an Orten in Deutschland auf den Zahn.

Nicht immer stoßen sie dabei auf Hoffnungsvolles. In Ungarn etwa offenbart sich ihnen eine zunehmend resignierende Bürgerbewegung. In der Türkei treffen sie auf eine repressive Staatsmacht, die bürgerliches Engagement im Keim zu ersticken versucht. Doch die beiden Autoren erinnern ebenfalls daran, dass sich auch Bürgerbewegungen reflektieren müssen und das die Mächtigen in den Chefetagen großer Unternehmen nicht immer gleich "die Bösen" sind.

"Vom Taksim-Platz nach Island. Begegnungen auf dem Weg ins Anthropozän" lautet der etwas sperrige Untertitel des Buches. Das Anthropozän bezeichnet eine geochronologische Epoche, in der die Menschen erstmalig ausschlaggebend das Antlitz und die Prozesse unseres Planeten prägten, das Zeitalter der Menschen also.

Seit insgesamt knapp 200 Jahren präge der Mensch die Erde dermaßen, dass man Angst haben müsse, der Einfluss der Menschen auf den Planeten bedrohe unsere Existenz, sagte Leipold. Ihr Buch sucht die Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit in der Überwindung der Kluft zwischen den Einflussreichen "da oben" und den Machtlosen "dort unten". Transparenz, Wissen, Demokratie und bürgerliches Engagement sollen zu stärkeren und flexibleren Zivilgesellschaften führen.

Das meint der GA: Sittler und Leipold haben ein Buch geschrieben, das Mut macht und in unsere Zeit passt. Menschen haben heute mehr Zugang zu Wissen als jemals zuvor, und sie fordern Mitspracherecht, wollen sich einsetzen, etwas verändern. Das haben nicht zuletzt die Proteste in der Ukraine, in der Türkei und die des arabischen Frühlings gezeigt. Anders als der sperrige Untertitel vermuten lässt, verzichten die Autoren in ihrem Buch auf das schwer verständliche und selbstverliebte Geschwätz alter Herren, das allzu gerne in einschlägigen Sachbüchern Niederschlag findet. Stattdessen reden sie Klartext. Das tut nicht nur ihrer Sache gut, es fordert auch heraus, über das eigene Engagement nachzudenken.

Infos

Das Buch: "Zeit, sich einzumischen" von Walter Sittler und Gerd Leipold ist im Verlag sagas.edition erschienen und für 19,99 Euro als gebundene Ausgabe im Handel erhältlich.

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