Rhabarberschlitten in Siegburg Ehemalige Fahrgäste erinnern sich

SIEGBURG · Manchmal hört Walter Kessel in seinem Rheidter Wohnhaus noch den Pfiff der Bahn. Es ist der kleine Güterzug, der neben der Landstraße dahinschleicht.

 Eine Jugend auf dem Brückberg: Günter Keuper fuhr viele Jahre mit der Kleinbahn.

Eine Jugend auf dem Brückberg: Günter Keuper fuhr viele Jahre mit der Kleinbahn.

Foto: Arndt

"Da kommen Erinnerungen hoch", sagt der 69-Jährige. Es sind Erinnerungen an den Rhabarberschlitten, der früher auf der Strecke pendelte. In jungen Jahren fuhr Kessel fast täglich damit.

Anfang der 50er Jahre kam seine Familie in das noch sehr überschaubare Rheidt, weil der Vater die Leitung der Schule übernahm. Die Bahn sei für ihn mehr als nur Fortbewegungsmittel gewesen, erzählt Walter Kessel, der Gründer der Bonner Akademie ist. "Der Rhabarberschlitten eröffnete mir, der in diesem kleinen Dorf lebte, neue Möglichkeiten."

Bahn zu fahren, das bedeutete für ihn erstmals ein Stück Selbstständigkeit. Man ratterte über die Felder des "Balkans" in Richtung Köln oder nach Siegburg. "Ich stand gerne vorne beim Fahrer, da hatte ich den Überblick", so Kessel. Ab und an durfte er die Fußglocke betätigen. Das Fahren sei entspannt gewesen, und die schlichte Ausstattung - harte Holzbänke, keine Heizung - habe damals niemanden gestört.

Und doch war der Rhabarberschlitten auch Vorhof zur Hölle - zumindest für den Schäferhund der Kessels. "Als wir einmal in Urlaub fuhren, brachte ich ihn mit der Bahn ins Troisdorfer Tierheim, wo er für zwei Wochen blieb", erinnert sich der Rheidter. Dem Hund gefiel es im Heim gar nicht. "Er wollte danach nie wieder in die Bahn steigen, weil er dieses negative Erlebnis damit verknüpfte."

Günter Keuper hat dagegen nur positive Erinnerungen. Der 73-Jährige wuchs auf dem Brückberg auf, wo sein Vater 1946 als Gefängniswärter eine Dienstwohnung bezog. "Ich bin immer mit dem Rhabarberschlitten gefahren." Anfangs zur Volksschule in der Humperdinckstraße, dann zur Realschule am Heimbach in Troisdorf. Und schließlich, als Lehrling der Sparkasse, zu diversen Filialen - auch nach Rheidt, wo er später Filialdirektor war.

"Als Kind war ich oft spät dran, wenn ich auf dem Brückberg zur Bahn musste", erzählt Keuper. Also nahm er eine Abkürzung und schlüpfte an der Luisenstraße durch einen Zaun. Damals, in der Nachkriegszeit, machte man sich damit verdächtig. "Die Militärpolizei kam gerade vorbei und nahm mich sofort mit. Die dachten, ich hätten geklaut." Die Mutter konnte das Missverständnis aufklären.

Ruth Kühn, frühere Vorsitzende des Kreiskatholikenrats, kennt die Straßenbahn noch allzu gut aus ihrer Jugend. Sie verbindet damit ein Schockerlebnis: "Als ich 1955 mit 17 meinen Führerschein machte, kam die Bahn plötzlich frontal auf mich zu. Sie fuhr ja auf der Gegenfahrbahn." Mit zitternden Knien habe sie versucht, zurück zu setzen. Passanten fühlten sich bemüßigt, sie wild gestikulierend einzuweisen. "Eine Frau am Steuer - das war damals sowieso noch exotisch", sagt Ruth Kühn.

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Haben auch Sie Erinnerungen an die historischen Siegburger Bahnen? Schrieben Sie uns: siegburg@ga.de

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