40 Jahre Volkshochschulzweckverband Rhein-Sieg Direktorin Tillmann: "Wir wollen Bildung vermitteln"

Rhein-Sieg-Kreis · Im GA-Interview spricht Direktorin Mechthild Tillmann anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Volkshochschulzweckverbands Rhein-Sieg über dessen Entwicklung, die neue Ausrichtung und die Zukunft.

Der Volkshochschulzweckverband Rhein-Sieg (VHS) feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen. Etwa eine Millionen Bürger aus den Gründungskommunen Lohmar, Much, Sankt Augustin und Siegburg sowie den Kommunen Eitorf, Hennef, Neunkirchen-Seelscheid, Ruppichteroth und Windeck, die 1978 dazukamen, haben bis heute das Fort- und Weiterbildungsangebot der VHS genutzt. Außerdem Tausende von Menschen aus Bonn, Köln, Overath, Rösrath und Neuwied. Über die Entwicklung der Bildungseinrichtung sprach Paul Kieras mit VHS-Direktorin Mechthild Tillmann, die seit dem Jahr 2000 an der Spitze der VHS steht.

Welche Aufgabe hat die VHS?
Mechthild Tillmann: In unserem Leitbild heißt es unter anderem: Das kommunale Weiterbildungszentrum VHS stellt bürgernahe Weiterbildung sicher, die ihr als Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen Verpflichtung ist. Wir wollen Bildung vermitteln, zu der alle - unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht und sozialem Status - Zugang haben.

Hat sich an dieser Zielsetzung seit der Gründung etwas geändert?
Mechthild Tillmann: Der damalige Direktor Joseph Delling hat in seinem Vorwort zum ersten Halbjahrsemester 1975 sinngemäß formuliert, dass die VHS allen Menschen zum Lernen und Verstehen Hilfe leisten will. Er schrieb, ich zitiere: "Sie will helfen, unsere Freizeit anzureichern und sinnvoll zu gestalten. Und nicht zuletzt will die VHS helfen, Gelegenheiten zum Zusammentreffen mit anderen Menschen anzubieten. Die VHS hilft dem Älteren, nicht zu vereinsamen, sie hilft dem Erwachsenen, sich weiterzubilden und nicht stehenzubleiben, sie will dem jungen Menschen helfen zu reifen." Die Botschaft ist heute noch die gleiche, der Inhalt ist vielleicht nur anders formuliert.

Das äußere Erscheinungsbild hat aber schon einen Wandel vollzogen?
Mechthild Tillmann: Anfangs hatte die VHS ein etwas biederes, konservatives Image, ein "Corporate Design" (visuelles Erscheinungsbild eines Unternehmens, etwa ein Logo, Anm. d. Red.) und eine Unternehmensphilosophie gab es nicht. Schon anhand der Programmhefte kann man das sehen. Das erste trug eine eindeutige grafische Handschrift, das von 2000 entsprach dem ästhetischen Anspruch von Ro Willaschek (Künstler, der bis 2010 in Siegburg gelebt hat, Anm. d. Red.). Die Programm-Cover hatten alle einen hohen künstlerischen Wert. Das vorliegende Kursprogramm entspricht einem modernen "Corporate Design" zur Wiedererkennung und Unverwechselbarkeit.

Wie erklären Sie sich den Erfolg der VHS seit dem ersten Tag?
Mechthild Tillmann: Die VHS ging mit 200 Freiberuflern an den Start und zählte gleich im ersten Semester fast 4000 Kursteilnehmer. Für die Leute war plötzlich Bildung ein Thema, sie wollten ihre Freizeit sinnvoll nutzen, etwas für die eigene Horizonterweiterung tun. Dazu muss man wissen, dass laut einer Untersuchung der Zeitschrift "Die Zeit" vom Frühjahr 2014 noch 1974 der Deutschen liebste Freizeitbeschäftigung "aus dem Fenster gucken" war. Das Land Nordrhein-Westfalen verabschiedete also nicht ohne Grund 1974 das Weiterbildungsgesetz als Türöffner zur Bildung für alle. Die Volkshochschulen sollten flächendeckend und bedarfsgerecht in allen Städten und Gemeinden Bildungsangebote im Sinne kommunaler Daseinsfürsorge schaffen. Das war eine echte Innovation.

Hat es unter Ihrer Leitung Änderungen gegeben?
Mechthild Tillmann: Sogar ganz gravierende. Bei uns hat sich ein Paradigmenwechsel von der Angebotsplanung hin zur kundenorientierten Nachfrage vollzogen. Früher haben die hauptamtlichen Pädagogen ein pädagogisch sinnvolles Angebot entwickelt. Heute fragen sie, welche Angebote die Kunden wünschen. Dadurch entsteht ein differenziertes Programm, auf einzelne Zielgruppen zugeschnitten. Wir denken in betriebswirtschaftlichen Termini. Auch beim Team hat ein Umdenken stattgefunden. Früher gab es keine gemeinsame Marschrichtung, jeder hat nach eigenen Vorstellungen gehandelt. Und schließlich steht unsere Einrichtung - auch bedingt durch das Internet - fast rund um die Uhr offen. Der entscheidende Wandel aber liegt in unserer heutigen Einstellung. Es gilt nicht mehr der Satz "Wer Bildung sucht, soll kommen", sondern wir handeln im Sinne von echtem Kundenservice und kundenorientiert.

Und in den Kursangeboten?
Mechthild Tillmann: Aufgrund der Globalisierung und Digitalisierung gibt es zum Beispiel kaum noch Vorträge. Niemand lockt es mehr vom heimischen Sofa, wenn ein Reisebericht auf dem Programm steht. Bedingt durch das Internet wird im Jahr 2014 jeder mit drei Clicks sein eigener Experte auf seinem Interessengebiet. Die Menschen sind durch die neuen Medien autonom geworden. Dabei wächst der VHS eine neue Aufgabe zu. Sie vermittelt, neueste Technologie optimal zum informellen Lernen zu nutzen. Allerdings haben wir an Umfang stark zugelegt. 1974 bot die VHS im ersten Halbjahr circa 200 Kurse, im aktuellen Programmheft sind rund 900 aufgeführt.

Was wünschen Sie sich für die nächsten zehn Jahre?
Mechthild Tillmann: Für mich persönlich weiterhin so viel Elan und Freude an unserer Arbeit, weil ich mich mit Herzblut für Weiterbildung engagiere. Für die VHS Rhein-Sieg, dass Land und Kommunen die Volkshochschule auch zukünftig so tatkräftig unterstützen. Bildung ist nachweislich die Investition mit der höchsten Rendite.

Zur Person

Mechthild Tillmann, 58, wohnt in Bonn. Sie hat in Heidelberg, Bonn und Sussex Anglistik und Germanistik studiert, sowohl eine Magisterprüfung als auch das zweite Staatsexamen für das Lehramt am Gymnasium abgelegt. 1999 wurde sie zur Direktorin der Volkshochschule in der Nachfolge von Joseph Delling, dem Gründungsdirektor gewählt. Ihr Amtsantritt erfolgte am 1. Januar 2000. Sie hat einen Sohn, eine Tochter sowie eine eineinhalbjährige Enkeltochter.

40 Jahre VHS Rhein-Sieg: Die Höhepunkte im Herbst

Sonntag, 19. Oktober, 16 Uhr, Windeck: Eine jüdische Zeitreise. Anekdoten mit Dany Bober, Gedenkstätte Landjuden an der Sieg.

Freitag, 24. Oktober, 19 Uhr, Eitorf: Die Klais-Orgel in Sankt Patricius - Moderiertes Orgelkonzert, Katholische Kirche Sankt Patricius.

Montag, 27. Oktober, 19.30 Uhr, Siegburg: Star Trek - Facts & Fiction, Metin Tolan erklärt die Physik, Stadtmuseum.

Samstag, 22. November, 19.30 Uhr, Ruppichteroth: Let's party! Oldie-Boygroup "Die Driem Beus", Kultur- und Tanzcafé Berghof.

Dienstag, 25.November, 19 Uhr, Hennef: Mechthild Großmann liest. Ein Kräcker unterm Kanapee, Meys-Fabrik.

Samstag, 6. Dezember, 19 Uhr, Much: Besinnliche Klänge zum Advent, Roberto Moya, Gitarrenmusik, Jugendzentrum Much.

Donnerstag, 11. Dezember, 19 Uhr, Sankt Augustin: Klimawandel; gute Aussichten für morgen?! Fragt Sven Plöger, Haus Menden.

Samstag, 13. Dezember, 19.30 Uhr, Lohmar: Das Evangelium auf Kölsch, Rolly Brings & Band, Katholische Kirche Sankt Johannes.

Weitere Informationen zu den Veranstaltungen unter: www.vhs-rhein-sieg.de

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