Übersicht über die Siegburger Glocken Die Sprache der Glocken

SIEGBURG · Wie oft schlagen eigentlich die Glocken am Tag, zu welcher Uhrzeit und aus welchem Grund? Im Alltagslärm hört man sie oft gar nicht oder nur unbewusst - aber es fällt auf, wenn sie nicht erklingen. Ein Überblick über die Glocken der Großgemeinde Sankt Servatius.

 Stefan Groß erklärt im Turm von St. Dreifaltigkeit das Zusammenspiel der Glocken.

Stefan Groß erklärt im Turm von St. Dreifaltigkeit das Zusammenspiel der Glocken.

Foto: Paul Kieras

Stefan Groß, Verwaltungsleiter der Großgemeinde Sankt Servatius und seit 1972, seinem neunten Lebensjahr, ehrenamtlich als Küster an Sankt Dreifaltigkeit Wolsdorf tätig, kennt sich aus. Groß ist der Experte für Glocken. Hoch oben im Glockenturm "seiner" Kirche zeigt er zunächst einmal, wie das Ganze funktioniert.

Früher musste jede einzelne der insgesamt vier Glocken noch kräftezehrend mit einem Seil zum Schwingen gebracht werden, erklärt Groß. Später geschah das per Knopfdruck am noch betriebsbereiten Schaltkasten des "Herforder Schaltkastenwerks". Heute ist alles am Computer programmiert, niemand muss mehr zu den entsprechenden Zeiten vor Ort sein. Das gilt ebenso für die sieben Glocken der Abteikirche, die fünf von Sankt Anno und vier von Sankt Servatius. Eine enorme Erleichterung.

Lediglich die jeweils eine Glocke in den Kapellen der Stadt wird noch händisch geläutet - beispielsweise die der kleinen Hubertuskapelle Ecke Wolsdorfer Straße/Jakobstraße, die immer am Kirmesfreitag und Kirmessonntag während der Prozession in Wolsdorf zu hören ist. Die einzige Zeit, in der die Glocken stumm bleiben, ist die in der Karwoche von Gründonnerstag bis zur Osternachtfeier. "Dann ertönt das volle Programm, nämlich alle Glocken zusammen", erklärt Groß.

So sei es auch vor Gottesdiensten an hohen Feiertagen oder auch bei Hochzeiten. Zu anderen Anlässen erklingt nur eine bestimmte Anzahl und Auswahl von Glocken, die exakt vorgegeben sind: Etwa für den Samstagabend zum Einläuten des Sonntags, zur Abendmesse an Werktagen oder zur Schulmesse.

Dreifaltigkeitsglocke ist die schwerste

Nur in Sankt Dreifaltigkeit wird die sogenannte Totenglocke, die tiefste und mit 1,05 Tonnen schwerste ("Dreifaltigkeit")-Glocke jeweils um 19.10 Uhr am Tag der Todesnachricht geläutet. Als die Benediktiner noch auf dem Michaelsberg lebten, verkündete dort die Totenglocke das Ableben eines Ordensbruders zum Todeszeitpunkt.

Unterschiedlich geregelt ist die Dauer des jeweiligen Geläutes. In Wolsdorf beispielsweise beträgt sie vor einer Sonntagsmesse etwa fünf bis sechs Minuten, Silvester bis zu zehn Minuten, in der ehemaligen Abteikirche bis zu 20 Minuten vor Messbeginn. Jeden Tag um 7, 12 und 18 Uhr läuten die Glocken zum "Angelus" und immer freitags zur Sterbestunde Jesu um 15 Uhr, sie sind benannt nach dem Gebet "Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft" (lateinisch: Angelus Domini nuntiavit Mariae). Von ganz praktischem Nutzen ist auch die "Zeitansage" der Glocken, da sie nach der Atomuhr Braunschweig ausgerichtet sind.

Sankt Servatius gibt im Viertelstundentakt, Sankt Dreifaltigkeit im halbstündigen Abstand per Glockenschlag die genaue Uhrzeit an, zur vollen Stunde erfolgt die entsprechende Anzahl von Glockenschlägen.

Wolsdorf stellt sein Geläut als einzige Kirche auch nachts nicht ab. "Hier fühlt sich niemand gestört", erklärt Stefan Groß. Ganz im Gegenteil: Als für einige Zeit ab 10 Uhr abends die Glocken abgeschaltet wurden, hätten Anwohner anschließend darum gebeten, sie wieder schlagen zu lassen, berichtet Groß am Ende der Besichtigung.

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