Hermann-Josef Gerlach porträtierte Siegburg Bewegte Bilder, bewegte Zeiten

SIEGBURG · Siegburg, ein Samstag im Sommer 1962. Lange bleibt es nicht ruhig auf den Straßen. Die Markthändler bauen ihre Stände auf, am Bahnhof steigen Menschenmassen aus Bussen und der Stadtbahn "S", die gerade aus Bonn kommt. Geschäfte, Post und Behörden öffnen, und durch den Stadtkern quälen sich Blechlawinen.

 Siegburger Chronist der 60er Jahre: Hermann-Josef Gerlach und seine 16-Millimeter-Kamera.

Siegburger Chronist der 60er Jahre: Hermann-Josef Gerlach und seine 16-Millimeter-Kamera.

Foto: Holger Arndt

"Siegburg - Porträt einer Kreisstadt", so heißt der Farbfilm, in dem all diese Szenen zu sehen sind. Gedreht wurde der Streifen, der zur 950-Jahrfeier seine Wiederveröffentlichung auf DVD erlebte, von Hermann-Josef Gerlach. Der Amateurfilmer hat in den 60er Jahren das Geschehen in seiner Heimatstadt mehrfach auf Zelluloid gebannt.

Ein ausgebauter Hauskeller, weit draußen in Lohmar. Hier wohnt Hermann-Josef Gerlach heute, umgeben von historischen, analogen Gerätschaften - darunter jene 16-Millimeter-Filmkamera, mit der er den einzigartigen Farbfilm über Siegburg gedreht hat. Wie es damals dazu kam? "Ich war Hobbyfilmer und gehörte dem Bonner Filmclub an", erinnert sich der 78-Jährige, der in Siegburg auf der Zeithstraße groß geworden ist.

So zog er an sonnigen Julitagen 1962 los, um Szenen aus Siegburg einzufangen. Das geschah nicht spontan, sondern professionell geplant. Diesen Eindruck vermittelt jedenfalls der Drehplan, den Gerlach noch hat. Damit das Porträt nicht zu trocken ausfiel, dachte sich der Jungfilmer eine kleine Rahmenhandlung aus: Er ließ ein Pärchen - Ute Boewen und Heinz-Wilhelm Schmitz - ein bisschen durch die Stadt flanieren. Natürlich erst nach getaner Arbeit: Ute muss vormittags noch auf dem Amt Akten wälzen. Heinz-Wilhelm vertreibt sich währenddessen die Zeit an einer Milchbude. Später sieht man die beiden auf dem Michaelsberg und Bötchenfahren auf der Sieg, nahe des Siegblicks. Der Film hat weitgehend keinen O-Ton, stattdessen kommentiert Gerlach lakonisch in breitem Rheinisch aus dem Off. Für die Untermalung setzte er jazzige Klänge ein, was dem Film eine gewisse Dynamik verleiht.

Einige Szenen waren schon bei der Uraufführung im Oktober 1963 im "Haus auf der Arken" Geschichte. Da erscheint beispielsweise noch das alte Bahnhofsgebäude, das "den Spitzhacken des modern denkenden Kreisstädters zum Opfer gefallen ist", wie Gerlach kommentiert. Auch sieht man noch die Kleinbahn Siegburg-Zündorf - besser bekannt als Rhabarberschlitten - "in unberechenbaren Schlangenlinien" durch die Innenstadt fahren. An der goldenen Ecke biegt die Bahn in die Kaiserstraße ein, Gerlach ist mit der Kamera dicht dran. "Wir fuhren mit dem Auto hinterher. Ich stand auf dem Beifahrersitz und filmte durch das geöffnete Dachfenster", erzählt er. Ein Opel Kapitän war das, am unteren Bildrand sieht man die geschwungene Motorhaube. "Das war eine richtige Gangsterlimousine."

Zugleich zeigt der Film eindrucksvoll, dass die Innenstadt schon zwölf Jahre vor Einführung der Fußgängerzone vor dem Verkehrsinfarkt stand. Die Holzgasse war damals noch die B 56, sie traf vor dem alten Kreishaus auf die B 8. Viele Bilder aus dem Stadtkern sind von dichtem Getümmel und Blechlawinen gekennzeichnet. Fußgänger, Bahn und Autos quetschen sich aneinander vorbei. Ein Verkehrspolizist versucht, irgendwie die Übersicht zu behalten. Die Verkehrssituation ist einer der kritischen Punkte, die Gerlach ganz unbefangen anspricht; ebenso die Umweltverschmutzung durch die Phrixwerke und die Verunreinigung der Sieg.

Der Film "Siegburg - Porträt einer Kreisstadt" wurde seinerzeit mehrfach in Siegburg aufgeführt, vor allem im Zuge der 900-Jahrfeier, unter anderem auf dem Marktplatz. Von Bürgermeister Hubert Heinrichs und Stadtdirektor Gerhard Kersken erhielt Gerlach dann auch den Auftrag, das Stadtjubiläum 1964 zu filmen. Der Beitrag entstand in schwarz-weiß. Die offiziellen Feierlichkeiten zeigend, wirkte er aber statisch und ist nicht so unterhaltsam wie "Porträt einer Kreisstadt". Diese beiden alten Gerlach-Streifen sind zusammen mit dem neuen Siegburg-Film zur 950-Jahrfeier erschienen - aber nur in einer limitierten Premium-Edition als Doppel-DVD. Sie ist fast vergriffen, der GA verlost eines der letzten Exemplare (siehe Infokasten).

Für Gerlach, der hauptberuflich bei der Bundestagsverwaltung tätig war, schlossen sich nach der 900-Jahrfeier weitere Filmaufträge in der Stadt an. So filmte er 1967 die letzte Ratssitzung im alten Ratssaal an der Schulgasse und die erste im 1968 eingeweihten Rathaus. Beide Beiträge ließ der 78-Jährige jetzt digitalisieren und übergab sie dem Stadtarchiv. In seinem privaten Bestand habe er noch den einen oder anderen Schatz, verrät Gerlach. Schließlich konzipierte er in den 60er Jahren die Reihe "Siegburger Fenster" mit Kurzbeiträgen. Formal nahm er damit schon das heutige Lokalfernsehen vorweg.

Längst hat sich der Siegburger von der Filmerei verabschiedet. Er besitze heute eine ganz gewöhnliche Digitalkamera, sagt er. "Damit mache ich Urlaubsfotos, nur für mich, zur Erinnerung."

GA verlost Siegburg-Film

"Siegburg - Porträt einer Kreisstadt" dürfte das älteste Filmdokument Siegburgs in Farbe sein. Der Film wurde als Bonus zum neuen Siegburg-Film anlässlich der 950-Jahrfeier veröffentlicht. Diese Doppel-DVD, auf 950 Stück limitiert, ist fast vergriffen. Der GA verlost eines der letzten Exemplare. Wer es gewinnen will, muss eine Quizfrage richtig beantworten:

Wann wurde "Siegburg - Porträt einer Kreisstadt gedreht?"

A: 1962. B: 1964. C: 1968.

Senden Sie den Lösungsbuchstaben per E-Mail an siegburg@ga.de.

Der Gewinner wird von der Redaktion ausgelost und bekommt eine Benachrichtigung.

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