Interview mit Frater Linus Abschied von der Siegburger Abtei

Siegburg · Seit der Entscheidung, den Siegburger Konvent der Benediktiner aufzulösen, sind fast zwei Jahre vergangen. In der Folge haben die Mönche sukzessive die Abtei auf dem Michaelsberg verlassen. Bis auf Frater Linus, der als Liquidator des Vereins der Benediktiner vom Michaelsberg die Abwicklung der Abtei geregelt hat. Am Sonntag ist die Liquidation beendet und der Verein Geschichte. Im GA-Interview spricht Frater Linus über sein Leben auf dem Michaelsberg, die Liquidation und seine Zukunft.

Mit zwei Unterschriften haben Sie Mitte August das Ende der Liquidation besiegelt. Was war das für ein Moment für Sie?
Frater Linus: Es war der emotional schwerste Moment meines bisherigen Lebens. Gleichwohl bin ich froh, dass es nun vorbei ist. Hinter mir liegen zwei Jahre, die nicht ohne waren.

Inwiefern?
Frater Linus: Es war nicht die Liquidation alleine. In der Zeit ist sieben Mal in das Kloster eingebrochen worden. Bei Regen stand das Wasser im Kreuzgang. Und dann waren da die Vorwürfe vieler Siegburger, wir hätten den Konvent leichtfertig aufgegeben.

Was hat den Konvent letztendlich zu diesem Schritt bewogen?
Frater Linus: Neben finanziellen Gründen spielte der fehlende Nachwuchs eine Rolle. Keiner der Siegburger Mönche hätte zuletzt zum Abt gewählt werden können. Dem im November 2010 getroffenen Entschluss sind zwei Jahre intensiver Beratungen mit der Kurie in Rom, dem Erzbistum, Banken und Wirtschaftsprüfern vorangegangen. Die knappen finanziellen Ressourcen haben uns letztlich die Luft zum Atmen genommen.

Was bedeutet es konkret, eine fast 950 Jahre währende Geschichte zu liquidieren?
Frater Linus: Es waren zum Beispiel rund 150 Verträge zu kündigen, von der Waschmittellieferung über die Krankenversicherungen der Mönche bis hin zur Auflösung unser aller Arbeitsverhältnisse. Zudem mussten alle Gebäude im Besitz des Konvents umgeschrieben werden. Und letztlich auch die Abtei leer geräumt werden.

Wer stand Ihnen bei der Liquidation zur Seite?
Frater Linus: Viele haben die Vorstellung, ich hätte alleine die Entscheidungen getroffen. Das zu glauben, ist naiv. Von Anfang an habe ich mich bei allem mit den höchsten Instanzen der Kurie in Rom besprochen. Außerdem habe ich niemals einen Vertrag unterschrieben, der nicht vorher von unseren Anwälten geprüft wurde.

Wie denken Sie rückblickend über Ihre Zeit im Konvent?
Frater Linus: Ich bereue keinen einzigen Tag. Es gab viele schöne, bewegende und lustige Momente, die ich nicht missen möchte.

Können Sie Beispiele nennen?
Frater Linus: Wenn wir in der Osternacht in die dunkle Abteikirche einzogen, das Lumen Christi sangen und es dann hell wurde und die Glocken läuteten. Oder unsere festen Rituale im täglichen Leben. Und insbesondere das Zusammenleben mit meinen Mitbrüdern.

Wie geht es Ihren Mitbrüdern?
Frater Linus: Ich habe zu allen Kontakt. Für uns war das Ende des Konvents ein Trauma. Wir standen alle vor dem Nichts. Schließlich haben wir unsere Heimat verloren. Das sieht die Ordensregel so nicht vor. Es war nicht einfach, etwas Neues zu finden. Letztlich hat aber jeder selbst den Weg gewählt, den er nun gegangen ist.

Ihr Weg führt Sie ins Ausland. Was nehmen Sie mit, wenn Sie die Abtei verlassen?
Frater Linus: Wenn ich das letzte Mal den Schlüssel umdrehe, ist das Kapitel Siegburg für mich beendet. Mein Lebensschwerpunkt liegt dann woanders.

Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie noch einmal das Amt des Liquidators übernehmen?
Frater Linus: Ja. Es ist nicht alles gut gelaufen. Aber, ich würde alles noch einmal genauso machen. Und trotz enttäuschender Begebenheiten, ich gehe nicht mit Groll.

Zur Person
Frater Linus, mit bürgerlichem Namen Florian Appel, kam Allerheiligen 2005 als Postulant nach Siegburg. Nach seinem Noviziat legte er für drei Jahre sein Gelübde ab. In dieser Zeit studierte der heute 27-jährige gelernte Bankkaufmann Finanz-, Stiftungs- und Allgemeines Management im Fernstudium. Als Cellerar regelte er die wirtschaftlichen Belange des Konvents. 2010 legte Frater Linus seine Ewige Profess ab, als letzter Mönch auf dem Michaelsberg. Er geht nun in ein Benediktinerkloster im Ausland.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort