Frühchentreffen in Sankt Augustin Wenn jeder Husten zu großer Angst führt

SANKT AUGUSTIN · Die Atmosphäre ist entspannt in dem kleinen Zimmer der Familienbildung Rhein-Sieg an der Bonner Straße. Justus spielt zufrieden grummelnd vor sich hin, Oskar und Madeleine sind inzwischen eingeschlafen auf den ausgebreiteten Kissen oder im Arm der Mutter.

Die Mütter unterhalten sich über die schwierige Zeit nach der Geburt ihrer Kinder, über modische Babykleidung in den winzigen Größen, die sie benötigen, oder über Alltagsprobleme und Fortschritte ihrer Kinder, denn eines haben die drei Babys gemeinsam: Sie kamen alle deutlich vor dem errechneten Termin zur Welt.

Nicht nur für die Frühchen, sondern auch für die Eltern war das eine schwierige Phase. Seit Mai bietet die Lebenshilfe gemeinsam mit der Nachsorge-Organisation "Bunter Kreis" ein Frühchentreffen an. Geleitet wird das offene Treffen von der Nachsorge-Schwester beim Bunten Kreis, Katrin Franz. Alle sind sich einig, dass es ein tolles Angebot ist. Man sehe, wie es anderen Müttern mit ihren Babys gehe und könne sich austauschen. "Nur wer diese Ausnahmesituation selbst erlebt habe, könne auch nachvollziehen, welche Ängste und Sorgen die Mütter beschäftigten, wenn sie die kleinen Wesen mit nach Hause nähmen, ergänzt die Leiterin der Familienbildungsstätte, Nicole Toetz.

"Zunächst hatte ich den Überwachungsmonitor, der Herzfrequenz, Atmung und Sauerstoffsättigung im Blut misst, immer dabei", erinnert sich Melanie Hoffelder. Inzwischen ist ihr Sohn Justus ein Jahr alt und nimmt ohne das Überwachungsgerät fröhlich an der Spielgruppe teil. Justus rollt sich zufrieden immer wieder um die eigene Achse und untersucht mit großem Interesse die Rassel in der Hand von Katrin Franz.

"Ich versuche, bei jedem der Kinder möglichst individuell zu sehen, wo Bedarf besteht", erklärt die Leiterin der Gruppe das offene Konzept. Natürlich gebe es auch Themen, die sie anbiete, wie zum Beispiel Bauchschmerzen, der Einsatz von Bällen zur Förderung der Motorik oder aber Füttern und Beikost. Letztendlich soll dieses Angebot sowohl den Babys als auch deren Müttern Raum geben, um gemeinsam zu entspannen.

Das gelingt heute besonders gut. Madeleine (dreieinhalb Monate alt) schläft selig, und ihre Mutter vermutet, dass der Vormittag mit dem "großen" zweieinhalbjährigen Bruder vermutlich so anstrengend für sie war, dass sie hier gerne Schlaf nachholt. Ihrer Mutter Sarah Helmich ist es wichtig, dass auch Madeleine soziale Kontakte hat. Sie erinnert sich noch an die Gruppen, die sie mit dem großen Bruder besucht hatte. "Da ging es manchmal schon wilder zu." Auch die Mütter beim Frühchentreff seien einfach sensibler. "Wir mussten unser Kind, das eigentlich noch in den Bauch gehörte, plötzlich woanders lassen", erzählt sie von der schwierigen Zeit nach der Geburt.

"Hier gibt es wirklich tolle Anregungen zur Förderung der motorischen Entwicklung der Kinder", ergänzt Melanie Hoffelder. Für sie sei das Angebot auch deshalb wichtig, weil man als Mutter eines Frühchens viel mehr Angst vor Erkältungen der Kinder habe. Ein Husten könne sich bei den Frühgeborenen viel schneller zur Lungenentzündung entwickeln als bei gleichaltrigen Kindern, die nicht zur früh zur Welt gekommen seien.

Die Treffen und Gespräche mit Fachleuten und Betroffenen sollen auch für die Mütter ein wichtiger Teil der Bewältigung der psychischen Belastung sein. Oft dauere es Jahre, um die Ausnahmesituation nach der Geburt zu bewältigen. Und jeder Schnupfen lasse neue Ängste hochkommen, versucht die Leiterin des Nachsorge-Teams des Bunten Kreises in Sankt Augustin, Alexandra Bilz, die Unterschiede zu "normalen Geburten" zu skizzieren.

Frühchentreffen in Sankt Augustin

Der offene Treff wird von dem Projekt "Elternstart NRW" des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport finanziert. Alle Eltern mit Frühchen haben bis zum ersten Lebensjahr Anspruch darauf, an diesem Treffen teilnehmen zu können. Für den rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis gibt es nur in Sankt Augustin dieses Angebot. Die ersten fünf Termine können kostenfrei wahrgenommen werden.

Der Bedarf an einem solchen Treffen wurde im Arbeitskreis "Frühe Hilfen" der Stadt Sankt Augustin thematisiert und konnte dann auf kurzem Weg umgesetzt werden. Angeboten wird das Treffen von der Lebenshilfe und durchgeführt von der Nachsorgeschwester des Bunten Kreises.

Die Treffen finden jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat von 9.30 Uhr bis 11 Uhr an der Bonner Straße 68 a im Dachgeschoss statt. Anmelden kann man sich bei Katrin Franz unter 0176-10599023.

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