Kinderklinik Sankt Augustin Seelsorger begleiten Patienten und Eltern durch schwere Zeiten

SANKT AUGUSTIN · Mit Gott und Glauben, mit Kreuzigung und Auferstehung kennt David sich bestimmt noch nicht ganz so gut aus. Und doch mag sich der aufgeweckte Sechsjährige auf seine Art und Weise schon mit dem Tod beschäftigt haben. Notgedrungen sozusagen.

 Seelsorger Hartwig Schüpp (links) begleitet den einmonatigen Phineas und seinen Vater.

Seelsorger Hartwig Schüpp (links) begleitet den einmonatigen Phineas und seinen Vater.

Foto: Axel Vogel

Die Ärzte haben bei David im vergangenen Oktober Krebs diagnostiziert, berichtet seine Mutter. Hinter der 38-Jährigen und ihrem Sohn liegen viele dunkle Stunden und zahllose Aufenthalte in der Kinderklinik Sankt Augustin. "Die Krankheit hat unser ganzes Leben umgekrempelt", schildert die dreifache Mutter. Halt und Zuspruch, so sagt sie, fand die Frau ausgerechnet in der Klinik.

Irgendwo auf der Krankenstation, zwischen Visiten und Chemotherapien, zwischen tiefer Verzweiflung und aufkeimender Hoffnung hatte sich Brigitte Sondermeier David und seiner Mutter vorgestellt. "Zu wissen, dass sie da ist, tat einfach gut", so die 38-Jährige. Dabei vermeidet es die 61-jährige evangelische Pfarrerin, "sich aufzudrängen". Mit ihrem katholischen Kollegen, Diakon Hartwig-Maria Schüpp (59), arbeitet sie in der Krankenhausseelsorge der Kinderklinik. Die beiden Seelsorger bieten ihre Dienste als Zuhörer und Begleiter an. Egal, ob Christen, Muslimen oder Menschen, die ohne Glauben sind.

Ganz sicher ist die Kinderklinik ein Ort, wo reichlich Bedarf an Hilfe und Unterstützung besteht. "Hier kommt man als Patient nicht wegen einer Blinddarmerkrankung hin", erklärt Schüpp. Aus der ganzen Welt werden kleine Patienten in Sankt Augustin behandelt, die an gravierenden Herzproblemen leiden oder Krebs haben.

Schüpp ist es ein Bedürfnis, dort als Kirche Flagge zu zeigen, wo Menschen in Not sind. Eine Kinderklinik sei dabei ein besonderer Ort, findet Pfarrerin Brigitte Sondermeier: "Es gibt nichts, was Eltern so sehr Angst macht wie eine ernst zu nehmende Erkrankung ihres Kindes." Deshalb wollen beide Seelsorger niedrigschwellige Angebote für kleine Patienten und deren Eltern anbieten. Damit die Familie Halt findet, so Schüpp, "den Krankenhausaufenthalt durchzustehen".

Das führt die beiden Seelsorger oft an Grenzen. Kann es einen Gott geben, wenn der es zulässt, dass ein Säugling mit einem Herzfehler auf die Welt kommt? Kann es mit der viel gepriesenen Güte Gottes in Einklang stehen, dass ein Säugling wie der einmonatige Phineas über Sonden und Schläuche mit einer Art Überwachungsmonitor verbunden ist? Genau das dürften sich die Eltern von Phineas fragen. Sie sind aus Lünen gekommen, damit ihr Sohn in der Kinderklinik von Spezialisten behandelt werden kann.

Schüpp hat inzwischen den Kontakt zu dem 25-jährigen Vater aufgenommen. Ganz ungezwungen, Fußball war das Einstiegsthema. Als der Schalke-Fan hörte, dass die Familie aus Lünen kommt, war klar: "Der Vater ist Anhänger des Erzrivalen Borussia Dortmund", so Schüpp. Doch auch mit den Sorgen dieser Familie vor Augen glaubt Schüpp: "Gott ist hier bei den Menschen." Sonst könnte er all das Leid nicht ertragen.

Wie kann man Betroffenen in der Situation helfen, wie Fragen der Eltern nach dem Sinn der Erkrankungen ihrer Kinder beantworten, die möglicherweise unheilbar sind? Pfarrerin Sondermeier glaubt, dass man nicht unbedingt Antworten finden muss. Sie zitiert den Dichter Rainer Maria Rilke, der einer Freundin schrieb: "Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein." Viel wichtiger sei es ihr wie auch Schüpp, das Leid der Familien "mit auszuhalten".

Oft heißt das, ohne Worte bis zum Ende mitzugehen, mitunter bis zum Tod; oft aber auch Zeuge kleiner Wunder zu werden. So wie bei David, mit dem Brigitte Sondermeier jetzt das Merkspiel "Nanu" in der "Silberinsel", einem Entspannungsraum der Kinderklinik, spielen kann.

Auch wenn der kleine Kopf von David noch fast kahl ist, seine Haare erst langsam wieder wachsen, zeigt sich der Junge fit: Er gewinnt ein Spiel nach dem anderen gegen die Pfarrerin. Zwar ist noch ein Tropf sein ständiger Begleiter, durch den die Flüssigkeit der Chemotherapie durch die Schläuche in seinen Körper rinnt. Doch der Sechsjährige hofft, das Gerät bald für immer los zu sein. "Im Sommer ist hoffentlich alles überstanden", ist die Mutter guten Mutes. Sondermeier hört es und schmunzelt still.

Hilfe für die Familien

Wenn ein Kind ins Krankenhaus kommt, stellen sich viele Fragen. Für betroffene Familien beginnt eine belastende Zeit. Der Alltag gerät aus den Fugen, die Sorge um das Wohlergehen des Kindes steht an erster Stelle. In der Situation bieten sich die Seelsorger in der Kinderklinik Sankt Augustin als Gesprächspartner an.

Diakon Hartwig Schüpp von der katholischen Kirche und seine evangelische Kollegin, Brigitte Sondermeier, haben ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der kleinen Patienten wie auch ihrer Eltern. Dabei unterliegen alle Gespräche der Schweigepflicht. Die Seelsorger suchen den Kontakt zu den Familien, sind aber auch über die Rezeption zu erreichen. Zudem laden sie jeden Mittwoch von 12.15 bis 12.30 Uhr zum Mittagsgebet in den Andachtsraum ein.

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