GA-Serie "Eine Stunde mit..." Psychologin, Freundin, Fahrerin

SANKT AUGUSTIN · In der GA-Serie „Eine Stunde mit...“ begleiten wir Menschen bei der Ausübung ihres Berufs. Ob Bäcker, Model oder Tierpfleger – sie gewähren uns Einblick in ihren Alltag. Für genau eine Stunde. Heute mit Ayse Aptoula Oglou von "Frauen fahren für Frauen".

 Fährt für Frauen: Ayse Aptoula Oglou aus Sankt Augustin.

Fährt für Frauen: Ayse Aptoula Oglou aus Sankt Augustin.

Foto: Anna Maria Beekes

Im Kofferraum steht Wasser parat - und für den Notfall auch Sekt. In den Seitenfächern liegen Bonbons bereit. Zeitschriften oder die Wunschmusik sind selbstverständlich. "Alles, was eine Frau eben braucht", sagt Ayse Aptoula Oglou und grinst. Es ist kurz nach neun an einem Freitagmorgen, als sie die gepflegte Mercedes-B-Klasse vor einem noblen Einfamilienhaus in Sankt Augustin-Hangelar abbremst.

"Frauen fahren für Frauen" steht auf der Heckscheibe, und: "Limousinenservice". Doch wer denkt, dass es sich bei dem Auto um ein Luxusmobil für verwöhnte Hausfrauen handelt, könnte kaum falscher liegen.

Denn die meisten Frauen, die neben Ayse Aptoula Oglou auf dem Beifahrersitz Platz nehmen, sind alles andere als verwöhnt. Deshalb nehmen sie die Dienste des Sankt Augustiner "Frauen-Taxis" in Anspruch, das für die meisten von ihnen viel mehr ist als nur ein Beförderungsmittel. Zum Beispiel für die 47-Jährige, die vor einer Arztpraxis in Siegburg auf den schwarzen Mercedes gewartet hat, jetzt die Beifahrertür öffnet und die Fahrerin begrüßt.

"Ayse ist nicht nur meine Taxifahrerin, sondern auch eine Freundin geworden", sagt die Frau und drückt der Angesprochenen die Hand. "Wir erzählen uns alles und lachen viel - ich darf nur nicht sagen, dass ich bald sterbe." Die Worte fallen wie spitze Nadeln in die gerade noch so sorglose Atmosphäre des Autos. Das fast immer präsente Lächeln gefriert auf Aptoula Oglous Gesicht, sie sagt leise: "Hör' auf damit, ich will das nicht hören."

Die 36-Jährige weiß, dass die Zeit, die sie mit manchen ihrer Fahrgäste verbringt, begrenzt ist: Viele der Frauen, die den Sankt Augustiner "Limousinen-Service" in Anspruch nehmen, sind Krebspatientinnen, die sich von Aptoula Oglou zu ihren Behandlungen zum Arzt oder ins Krankenhaus bringen lassen.

"Da ist man dann oft nicht nur Fahrerin, sondern auch Psychologe", sagt Aptoula Oglou, inzwischen auf dem Weg zum nächsten Fahrgast, "ich versuche, die Frauen auf andere Gedanken zu bringen". Dass ihr das gelingt, verwundert nicht: Die 36-jährige Mutter zweier Kinder strahlt einen Optimismus aus, der jeden in ihrer Umgebung mitreißen kann.

Aptoula Oglou wollte mit Menschen arbeiten

Nachdem sie eine Ausbildung zur Krankenschwester abbrechen musste, war für die gebürtige Bayerin, die seit einigen Jahren in Sankt Augustin wohnt, klar: "Ich muss trotzdem auf jeden Fall mit Menschen arbeiten." Früher fuhr sie behinderte Kinder morgens zur Schule, jetzt ist sie seit fast fünf Jahren für "Frauen fahren für Frauen" im Einsatz.

Das im Jahr 2009 gegründete Unternehmen hat sich auf Beförderungsleistungen ausschließlich für Frauen spezialisiert - insbesondere Patientenfahrten, die direkt mit der Krankenkasse abgerechnet werden. Aber Aptoula Oglou fährt ihre Kundinnen auch vom und zum Flughafen oder Bahnhof oder zum Einkaufen - Tüten tragen inklusive.

"Viele Frauen ärgern sich über Taxifahrer, manche haben auch Angst oder sogar schlechte Erfahrungen gemacht. Die rufen dann mich an", sagt sie.

So wie die nächste Kundin, die in Sankt Augustin-Ort auf das "Frauen-Taxi" wartet. "Es ist einfach schöner, wenn man weiß, wer einen fährt", erzählt sie. Sie habe es schon erlebt, dass es in "normalen" Taxis dreckig sei oder der Fahrer während der Fahrt mit dem Handy telefoniere.

Dann plaudern die Frauen: über den kleinen Hund der Kundin, über das, was momentan so in der Stadt los ist - und über Männer. Auch die dürfen, anders als der Name vermuten lässt, ins "Frauen-Taxi" einsteigen - "aber nur als Begleiter", sagt Aptoula Oglou mit einem Zwinkern.

Die Geschäftsstrategie liegt im Trend: Auch in anderen Städten, in der Region beispielsweise in Köln und Bergisch Gladbach, gibt es Fahrservices für Frauen, im Internet werden sichere Mitfahrgelegenheit für Frauen angeboten. "Frauen fahren für Frauen", ist vor allem im Rhein-Sieg-Kreis und Bonn aktiv.

Auch die nächste Kundin fährt nicht zum Vergnügen mit: Aptoula Oglou bringt sie nach Bonn ins Krankenhaus, wo sie operiert werden soll. Aptoula Oglou verabredet sich mit ihr für den OP-Tag. "Sie wissen ja, es ist besser, wenn ich ein paar Tage vorher Bescheid weiß", sagt sie und tippt mit dem Finger vielsagend auf ihren vollen Terminkalender.

Die Fahrerin will gerade den Gang einlegen, da klingelt ihr Handy. Der Klingelton: "Happy" von Pharrell Williams. Er passt zu Ayse Aptoula Oglou - außer wenn eine ihrer Kundinnen anfängt, vom Tod zu sprechen.

"Frauen fahren für Frauen" im Netz: www.f-fff.de.

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