Rainer Stuhlmann liest in Sankt Augustin Ex-Superintendent: "Es ist ein Wunder"

SANKT AUGUSTIN · Ex-Superintendent Rainer Stuhlmann nimmt die Besucher in Sankt Augustin mit auf eine Reise nach Israel - und beseitigt dabei viele gängige Klischees.

 Rainer Stuhlmann im Paul-Gerhard-Haus.

Rainer Stuhlmann im Paul-Gerhard-Haus.

Foto: Thomas Heinemann

Es sind die kleinen Dinge, kleine Schritte und Veränderungen, die große Barrieren abbauen. Diese Erfahrung hat Rainer Stuhlmann immer wieder gemacht. Und diesen "Weg der kleinen Schritte" gibt der ehemalige Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Mülldorf und Niederpleis den Lesern seines neuen Buches nur zu gern und mit Herzblut mit auf den Weg.

"Zwischen den Stühlen" heißen seine "Alltagsnotizen eines Christen in Israel und Palästina", die im Januar im Verlag Neukirchener Aussaat erschienen sind. Am Montagabend stellte er sie auf Einladung der Bücherstube Sankt Augustin und seiner Heimatgemeinde im Paul-Gerhard-Haus in Niederpleis vor.

Der ehemalige Kölner Schulreferent und frühere Superintendent des Kirchenkreises An Rhein und Sieg hatte sich im Jahr 2011 für zunächst zwei Jahre als Studienleiter in "Nes Ammim" verpflichtet - ein 1963 von Christen aus den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz gegründetes Dorf bei Akko im Norden Israels. Dort lernen Besucher jüdische Traditionen kennen und begeben sich zugleich in den Dialog über die Wurzeln des Christentums.

Aus dem Dorf ist über die Jahre eine wichtige Keimzelle für Verständnis, Toleranz und Dialog zwischen Christen und Juden geworden - immer mehr aber auch für den innerisraelischen Dialog zwischen arabischen und jüdischen Israelis, berichtete Stuhlmann. Statt zwei Jahren blieb er nunmehr bald fünf Jahre. Und auch das Verhältnis der Christen, Juden und Muslimen vor Ort habe sich gewandelt.

Eine Begegnung fürs Leben

"Wir Christen lernen dort zum Beispiel von Juden, unsere eigene Religion besser zu verstehen", sagt Stuhlmann. Einzig die Frage, wer der Messias ist, sei strittig, "aber darum streiten wir heute nicht mehr, wir warten ab. Christen wie Juden." Denn es gehe längst nicht mehr darum, dass eine Religion über die andere triumphiere: "Triumphieren soll der Messias. Und nicht die, die auf ihn warten."

Doch nicht nur der spannende und sich wandelnde Dialog unter den Religionen in Israel findet sich in seinem Buch "Zwischen den Stühlen" wieder.

Spannend und inspirierend sind auch Rainer Stuhlmanns Erlebnisse als Deutscher in Israel. Als 17-Jähriger reiste Stuhlmann erstmals nach Israel und traf dort beim Baden in einem See auf den einzigen Überlebenden einer im Holocaust getöteten jüdischen Familie aus Deutschland ausgerechnet aus seiner Heimatstadt. Das Gespräch bleibt Stuhlmann laut eigener Aussage ein Leben lang in Erinnerung.

"Es ist wie ein Wunder"

Anders sind die Erfahrungen, die der Theologe als Deutscher heute in Israel macht: "Ich werde überall mit Herzlichkeit empfangen, es gab und gibt kein einziges schlechtes Wort."

Eine Offenheit, die Stuhlmann spürbar berührt: "Es ist wie ein Wunder: Israelische Juden und nicht-jüdische Deutsche sind dialogfähig geworden." Ein Dialog, der aus kleinen Schritten bestand und besteht und damit große Hürden abgebaut hat. Und wiederum ein Beispiel für den "Weg der kleinen Schritte", den sich Stuhlmann auch für die innerisraelischen Konflikte wünscht.

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