Interview mit Sankt Augustins Bürgermeister Klaus Schumacher "Es läuft wie am Schnürchen"

Sankt Augustin · Sankt Augustins Bürgermeister Klaus Schumacher über die Stadtentwicklung, Finanzen und regionale Zusammenarbeit.

 Wachsen und gedeihen: Der Huma-Neubau und das Zentrum in Sankt Augustin.

Wachsen und gedeihen: Der Huma-Neubau und das Zentrum in Sankt Augustin.

Foto: Michael Lehnberg

Die Stadt Sankt Augustin ist für Bürgermeister Klaus Schumacher ein wichtiger Teil der Gesamtregion. Er sieht sie mit Blick auf die Stadtentwicklung für die Zukunft gut aufgestellt. Konkurrenzdenken liegt dem 57-jährigen Christdemokraten fern. "Jeder hat hier seinen Part", meint Schumacher und plädiert dafür, sich mehr auf die Gemeinsamkeiten zu besinnen. Das neue Huma-Einkaufszentrum werde Strahlkraft für die Region entwickeln. Über das Zentrum, die Haushaltslage und die Aussichten für die Zukunft der zweitgrößten Stadt im Rhein-Sieg-Kreis sprachen mit dem Bürgermeister Michael Lehnberg und Dominik Pieper.

Sie haben einen schönen Ausblick aus ihrem Bürofenster auf die sich drehenden Kräne im Zentrum.
Klaus Schumacher: Ja, es ist wirklich schön, das zu beobachten. Ich gehe gerne ganz bewusst eine Etage tiefer auf das Dach und fotografiere, um die Entwicklung für mich zu dokumentieren, immer von der gleichen Stelle.

Die Entwicklung im Zentrum ist wirklich rasant, oder?
Klaus Schumacher: Wir haben das Glück, dass der Huma-Neubau 2014 in die Umsetzung gekommen ist. Das läuft wie am Schnürchen. Es sind aber auch zwölf, 13 Jahre ins Land gegangen, um dahin zu kommen. Bis heute haben wir viel bewegt im Zentrum. Wir verzichten aber derzeit darauf, die weiteren Flächen im Zentrum, etwa die Grundstücke an der Haltestelle Kloster, ohne ein Gesamtkonzept zu vermarkten. Einige Flächen werden ja auch, wie der provisorische Parkplatz des Huma, vorübergehend anders genutzt. Im Moment haben wir genug zu stemmen. Die Hochschule will ja dieses Jahr auch mit dem Erweiterungsbau beginnen. Außerdem werden noch zwei Seniorenheime gebaut.

Wird das Image Sankt Augustins durch den neuen Huma gewinnen?
Klaus Schumacher: Es wird sicher interessanter werden. Ich glaube auch, dass die ganze Diskussion um den Huma-Neubau die ganze Region befruchtet. Wir sind schon der Meinung, wenn der Huma fertig ist, dass er ein Magnet sein wird, nicht nur, um ein Einkaufserlebnis zu bieten, sondern auch für uns als Wissensstadt. Da kann sich auch in ganz anderen Bereichen wie Forschung, Wissenschaft oder Dienstleitung etwas entwickeln.

Sie meinen, das hat positive Effekte auf die Wirtschaftsförderung?
Klaus Schumacher: Auf jeden Fall. Wir haben ja im Zentrum-West auch noch viele freie Flächen im Angebot, etwa die Fläche hinter dem Zentrum Richtung Menden, den Bebauungsplan 112 "Butterberg". Wir haben die Kinderklinik im Blick, die sich mit dem Gedanken trägt, einen Teil abzureißen und neu zu bauen, weil sie sich vergrößern muss. Da könnte dann der B-Plan einen Gesundheitsstandort ausweisen. Da gibt es noch Potenzial. Wir sind sehr gut aufgestellt und wissen, wo unser Profil liegt.

Und der neue Huma wird wieder zu einem Kundenmagneten und mehr Kaufkraft binden können.
Klaus Schumacher: Ja. Wir haben eine Kaufkraftbindung von unter 50 Prozent. Das ist für eine Stadt wie unsere nicht hinnehmbar. Uns geht es nicht darum, anderen etwas wegzunehmen. Wir wollen nur unsere Kaufkraft in einem größeren Maße binden. Siegburg etwa hat eine Kaufkraftbindung von 170 Prozent.

Siegburg und Troisdorf klagen gegen den neuen Huma. Wie sehen Sie das?
Klaus Schumacher: Grundsätzlich kann ich die Sorgen der beiden Nachbarstädte ja nachvollziehen. Gleichwohl nicht deren Argumentation, dass die Städte Nachteile haben, so wie sie von den beiden Bürgermeistern prognostiziert worden sind. Die jüngste Entwicklung hat gezeigt, dass das nicht stimmt. Nach Siegburg sind zusätzlich gute Marken gekommen, auch nach Troisdorf. Das zeigt, dass der neue Huma keine Beeinträchtigung sein wird.

Konkret geht es bei der Klage ja um die 17 000 Quadratmeter Textilfläche. Ist das nicht doch ein bisschen viel mit Blick auf den Online-Handel?
Klaus Schumacher: Dem ist vom Investor Hurler ja Rechnung getragen worden. Es wurde mitten im Verfahren noch mal umgeplant, weil kleine Geschäftsflächen notwendig geworden sind. Deshalb wird es dort statt 90 nun 140 Geschäfte geben. Und es nicht zu viel für fast 60 000 Einwohner. Wir haben die Verpflichtung, unseren Bürgern ein entsprechendes Angebot vorzuhalten. Siegburg hat die gleiche Zahl an Quadratmetern im Bekleidungssektor, ist aber wesentlich kleiner. Außerdem haben wir unsere Flächen für den Handel im Zentrum freiwillig im Masterplan beschränkt. Weiterer großflächiger Einzelhandel ist nicht mehr vorgesehen.

Dennoch möchte sich Sankt Augustin mehr hin zu einer Einkaufsstadt entwickeln wie Siegburg es ist. In den einzelnen Ortsteilen passiert auch viel. Ist das eine Art Runderneuerung für ein neues Image?
Klaus Schumacher: Das ist eine Stärkung unseres Images, das man in Sankt Augustin gut und gerne lebt. Wir wollen in den Ortsteilen die Grundversorgung, die es früher ja schon gab, wieder ertüchtigen. Die Versorgung in den Dörfern war vielfältiger und ist verschwunden. Das müssen wir wieder aufbauen. Da muss jede Stadt zusehen, wie sie das erreicht. Da ist keine Konkurrenz der Städte untereinander.

Aber Sankt Augustin muss doch auch innerhalb der Region konkurrenzfähig sein, oder?
Klaus Schumacher: Wir sind konkurrenzfähig und bleiben es auch. Wobei wir uns als Stadt Sankt Augustin in einer Gemeinschaftsregion sehen, schon im Hinblick auf die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Wir können aber leider nicht alle Ausgründungen in Sankt Augustin halten, weil wir das Potenzial nicht haben. Aber wir können diese jungen Firmen oft in der Region halten, darum geht es. Firmen etwa, die die Nähe der Hochschule suchen, sind in der Region genauso gut untergebracht wie in Sankt Augustin. Wir wollen durch unser Tun die Gesamtregion weiter nach vorne bringen und werden sicher nie mit der Tourismusstadt Königswinter oder mit Siegburg und seinem Flair konkurrieren können. Und Siegburg könnte uns umgekehrt nicht als Hochschulstandort Konkurrenz machen.

Inwieweit schränkt Sie das Haushaltssicherungskonzept bei der Entwicklung der Stadt ein?
Klaus Schumacher: Das schränkt uns ein in der Ertüchtigung der bestehenden Infrastruktur: Schulen Kindergärten, Sportplätze, Parkanlagen, Verwaltungsgebäude oder Schwimmbäder. Das fällt uns schwer, weil unser Kreditrahmen gedeckelt ist. Es ist auch nicht einfach, die zusätzlichen neuen Aufgaben zu stemmen, wie etwa Ü 3-, U 3-Ausbau oder die Einrichtung von Ganztagsschulen.

Wie steht es mit der Inklusion?
Klaus Schumacher: Inklusion ist sicher auch jetzt noch ein zusätzliches Thema, an das große Erwartungen gestellt werden. Das, was das Land an Fördermitteln einsetzt, ist aber leider nicht ausreichend, um die Idee der Inklusion umzusetzen. Es betrifft aber alle Städte und Gemeinden. Das geht nicht nur Sankt Augustin so.

Sehen Sie eigentlich noch Einsparmöglichkeiten?
Klaus Schumacher: 90 Prozent der Ausgaben sind verpflichtend, darauf haben wir keinen Einfluss. Wenn ich mir die sogenannten freiwilligen Ausgaben angucke, lässt sich theoretisch noch etwas einsparen, aber praktisch eigentlich nicht. Das würde bestehende Sozialstrukturen gefährden, und das möchte niemand.

Nun haben einige Kommunen ja die Grundsteuer B entdeckt, um zu deutlich mehr Einnahmen zu kommen. Wäre eine Erhöhung auch für Sie ein probates Mittel?
Klaus Schumacher: Wir planen eine schrittweise und moderate Erhöhung im Haushaltssicherungskonzept bis 2022, um die derzeitige Situation aufzufangen. Sollten wir aber auf einen Nothaushalt zusteuern, in dem die Handlungsspielräume der Stadt im freiwilligen Bereich noch weiter eingeschränkt werden als sie jetzt bereits sind, kann es sein, dass wir die Grundsteuer noch mal heranziehen. Aber derzeit sagen wir, wir machen es moderat.

Hat die Stadt genügend Unterkünfte für die Flüchtlinge?
Klaus Schumacher: Wir konnten nicht damit rechnen, dass sich die Flüchtlingszahlen so schnell nach oben entwickeln. Allein im vergangenen Jahr haben wir 165 neue Flüchtlinge dazu bekommen. Die Asylverfahren können auch nicht immer schnell abgeschlossen werden. Es werden deshalb immer mehr. Derzeit sind es rund 330 Menschen. Die Bürger unterstützen uns aber so, dass wir es schaffen, die Menschen nicht in Notunterkünften unterbringen zu müssen. Viele Privatleute sind da sehr aktiv und bieten Wohnraum an. Außerdem hoffen wir, dass die Bundesregierung die Kommunen finanziell mehr unterstützt, da es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.

Gibt es denn überhaupt irgendwo eine Notunterkunft?
Klaus Schumacher: Wir haben eine Turnhalle bereitstehen. Das ist für Sankt Augustin auch nicht Neues. Vor 30 Jahren war ich bei der Stadt selbst noch zuständig für die Unterbringung der Spätaussiedler, da konnten wir es nicht schaffen, ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen und hatten sogar zwei Turnhallen belegt. Im Gegensatz zu damals, wo wir mit deutsch und russisch zweisprachig arbeiten konnten, haben wir es heute mit 22 verschiedenen Nationalitäten zu tun. Bei manchen Nationalitäten gibt es auch noch unterschiedliche Sprachen, im Arabischen etwa. Die Anforderungen an die Betreuung sind also auch aufgrund der vielen unterschiedlichen Kulturkreise heute weitaus höher.

Sie sagen gerne "am liebsten geht es Ihnen gut". Wie gut geht es Ihnen denn mit den neuen Mehrheitsverhältnissen im Stadtrat?
Klaus Schumacher: Es ist eine ganz interessante Phase. Mit festen Mehrheiten zu arbeiten, war vermeintlich einfacher. Jetzt läuft es sachbezogener mit den wechselnden Mehrheiten, und jede Fraktion muss sich genau überlegen, was sie beantragt. Es wird da eher realistisch als populistisch zugehen im Stadtrat. Aber das gehört auch dazu. Ob es schwieriger wird, kann ich noch nicht sagen. Es wird anders sein. Ich habe aber keine Sorge, dass die Verwaltung mit ihren Ideen und Vorschlägen Probleme bekommt.

Treten Sie im noch einmal zur Wahl an?
Klaus Schumacher: Ich habe jetzt noch fünfeinhalb Jahre vor mir, wir haben eine tolle Stadtentwicklung. Es ist zu früh, sich darüber Gedanken zu machen. Da lassen wir doch noch ein bisschen Zeit ins Land gehen.

Zur Person

Klaus Schumacher ist seit 1999 Bürgermeister der Stadt Sankt Augustin. Bei der damaligen Kommunalwahl gewann er gegen die Amtsinhaberin Anke Riefers. Schumacher war zuvor selbst bei der Stadtverwaltung tätig - als Sozialarbeiter, ehe er zum Eisenbahnbundesamt wechselte. Der Christdemokrat wurde dreimal - 2004, 2009 und 2014 - bereits im ersten Wahlgang in sein Amt wiedergewählt. Er ist 57 Jahre alt, in zweiter Ehe verheiratet und hat aus seiner ersten Ehe zwei Kinder. Schumacher lebt in Menden und ist passionierter Biker und bildender Künstler.

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