Betrag 18 Jahre lang nicht angepasst Erhöhung des Essensgeldes sorgt für Streit

SANKT AUGUSTIN · 18 Jahre lang hatte es die Stadtverwaltung versäumt, ihre Beiträge für das Mittagessen in Kindergärten den tatsächlichen Kosten anzupassen. Nun sollen die Eltern rund 190 Euro mehr pro Kind und Jahr zahlen.

Im Jugendhilfeausschuss brachte das nicht nur den Elternvertreter auf die Palme, sondern auch die Politik. Fragen nach Schuld und Haftung für den teuren Schaden in der Stadtkasse durch die Fehlbeträge über bald zwei Jahrzehnte standen im Raum. Ebenso Vorwürfe wegen eines mehrfach fehlerhaften Vergabeverfahrens.

Auch unterschiedliche Rechtsauffassungen über die Beteiligung der Eltern durch die Verwaltung und eine Beschlussvorlage für den Ausschuss, der wegen bereits abgeschlossener Verträge fast nichts mehr ändern kann, führten zu einer sehr emotionalen Debatte. Die Politik hat die Untersuchung des Vorgangs angeordnet.

Zum 1. August 1997, also noch zu D-Mark-Zeiten, war das Essensgeld zuletzt auf umgerechnet 40,90 Euro monatlich angepasst worden. Seit der Änderung des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) im Jahr 2008 sei die Zahl der Übermittagsbetreuungen mit Mittagessen "explodiert" , erklärte Sandra Clauß, Leiterin des städtischen Fachbereichs Kinder, Jugend und Schule.

Der Bedarf stieg derart, dass das Catering europaweit ausgeschrieben werden musste. Sechs Fachbereiche seien in die Kalkulation und Prüfung der Kosten einbezogen worden. Das Ergebnis: ein neuer Monatsbeitrag in Höhe von 56,70 Euro. Clauß machte deutlich, dass der langjährige Fehler der Verwaltung für "die Eltern Glück war, denn die haben über viele Jahre das Essen auf Kosten der Stadt subventioniert bekommen."

Dass die Anhebung angemessen sei, stellte Hinrich Pich vom Jugendamtselternbeirat (JAEB) in Abrede und übte scharfe Kritik am Vorgehen der Verwaltung: Die Eltern seien in der Sache im August nur in Kenntnis gesetzt, nicht aber beteilig worden, wie es im Kibiz ausdrücklich vorgesehen sei. Und ausgerechnet der Caterer mit dem teuersten Angebot - nach Informationen des General Anzeigers waren drei Angebote eingereicht worden - hatte den Zuschlag bekommen.

Ein Caterer, der nicht einmal konsequent die Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DEG) einhalten wollte, die doch Ausschreibungskriterium waren, monierte Pich. "Das ist vom Anbieter erst nach Abschluss der Ausschreibung nachgebessert worden." Zudem fürchtete sich Pich vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Viele einkommensschwache Eltern würden die Preissteigerung nicht mittragen können und das Mittagessen kündigen.

Der zuständige Beigeordnete Marcus Lübken stellte klar, dass die die Vergabe nach europa- und bundesrechtlichen Vorgaben über dem Landesgesetz mit "rein deklaratorischer Bedeutung" stehe. Die Beteiligung der Eltern bei der Ausschreibung sei weder vorgesehen noch notwendig gewesen. "Rechtlich ist die Ausschreibung gelaufen, und sie ist auch nicht mehr aufzuhalten."

Viel Zündfeuer für die von Eltern im Auditorium verfolgte, sehr emotionale Debatte, in der auch politisches Gepolter mit persönlichen Angriffen auf die Verwaltungsspitze nicht fehlte. Die SPD forderte die Untersuchung des Verwaltungsfehlers ein, im Rechnungsprüfungsausschuss und notfalls auch durch die Kommunalaufsicht. "Das ist ein Fall, den man der Eigenschadensversicherung mitteilen müsste", resümierte SPD-Fraktionschef Marc Knülle. Auch CDU-Fraktionschef Georg Schell sah Anlass, die Rechnungsprüfer in der Sache zu bemühen.

So stand am Schluss weniger die Anpassung der Essensgelder zur Diskussion als deren zukünftige Höhe, die sich, wie vorgeworfen, aus der angezweifelten Vergabe an den neuen Caterer ergibt. Zu viele offene Fragen, die der Ausschuss zunächst geklärt wissen will. Am 1. Dezember soll der Rechnungsprüfungsausschuss den Fall prüfen, parallel dazu das Rechnungsprüfungsamt der Verwaltung. Dann soll ein Unterausschuss im Dezember über die Erhöhung beraten und seine Entscheidung dem Stadtrat für dessen Sitzung am 8. Dezember empfehlen.

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