Lesung mit Judith Merchant in Sankt Augustin Der Horror einer Hochzeit

SANKT AUGUSTIN · Die aus Sankt Augustin stammende Autorin Judith Merchant las am Donnerstagabend aus ihrem neuen Roman "Die Lügen jener Nacht" vor.

 Mit improvisiertem Mikroständer: Judith Merchant stellt "Die Lügen jener Nacht" vor.

Mit improvisiertem Mikroständer: Judith Merchant stellt "Die Lügen jener Nacht" vor.

Foto: Holger Arndt

Für viele Menschen ist sie der wichtigste Tag im Leben, ein unvergleichliches Erlebnis: die eigene Hochzeit. Sie kann aber auch der blanke Horror sein. Zum Beispiel für frisch Getrennte, die eingeladen sind und sich der Feier nicht entziehen können. Das könnte Stoff für eine Tragikomödie sein. Judith Merchant hat daraus einen Roman mit Thriller-Anleihen gestrickt. Er heißt "Die Lügen jener Nacht" und ist gerade erschienen. Die Bonner Autorin las daraus am Donnerstag vor rund 40 Besuchern in der Sankt Augustiner Bücherstube.

Für Judith Merchant war es ein Heimspiel, schließlich ist sie in Sankt Augustin aufgewachsen und hat dort auch am Rhein-Sieg-Gymnasium das Abitur gemacht. In dem Geschäft von Karl-Heinz Matheis am Markt kaufte sie einst ihre Jugendbücher.

"Die Lügen jener Nacht" ist der erste Roman der 38-Jährigen, die bereits 2009 für einen Kurzkrimi den renommierten Friedrich-Glauser-Preis erhalten und inzwischen bei Knaur zwei Siebengebirgskrimis veröffentlicht hat. Diese drehen sich um Kommissar Jan Seidel und seine Großmutter, die gemeinsam Kriminalfälle lösen.

Das neue Buch sollte ursprünglich auch auf diese beiden Figuren zugeschnitten sein, berichtete Judith Merchant. Doch das war unvereinbar mit der Grundidee, eine Protagonistin ins Rennen zu schicken, für die eine Hochzeitsfeier zum schwarzen Tag gerät. "Die Geschichte hätte sonst zu viele verschiedene Blickwinkel gehabt", sagte die Autorin, die an der Uni Bonn Dozentin bei den Literaturwissenschaftlern ist.

Also konzentrierte sie sich auf ihre Hauptfigur Mimi Rosenow, eine Frau in den Dreißigern, die eine Einladung zu einer Hochzeit erhält. Ehemalige Studienfreundinnen, die sie lange nicht gesehen hat, bedrängen sie, zur Feier nach Bonn zu kommen. Weil ihre Beziehung in Trümmern liegt, tut sich Mimi schwer, stimmt aber zu. Ein Fehler - nicht nur wegen ihrer Abneigung gegen die Feier. Als ein Mord passiert, beschleicht sie das Gefühl, dass man ihr die Tat in die Schuhe schieben will.

Judith Merchant interessierte an dieser Konstellation "vor allem diese Figur der Mimi, die nicht weiß, ob sie ihrer Wahrnehmung trauen kann". Damit verwoben ist das Thema "Erinnerung" - konkret jene Kluft, die manchmal zwischen den abgespeicherten Bildern im Kopf und dem tatsächlich Erlebten liegt.

Bei allen psychologischen Elementen fehlt es dem Buch nicht an kriminalistischer Würze: Judith Merchant hat sich Giftpflanzen gewidmet. Eisenhut oder Aronstab sind hübsch anzusehen, bergen aber Gefahren für Leib und Leben. "Einige dieser Pflanzen stecken in Blumensträußen, die - ganz ohne Warnung - in Blumenläden verkauft werden", so die Autorin, die auf ihrer aktuellen Lesetour auch in Wien Station macht.

Judith Merchant: Die Lügen jener Nacht, Knaur, München 2014, 444 Seiten, 14,99 Euro

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