Wandel der deutsch-israelischen Begegnungen Der Austausch trägt nachhaltig Früchte

SANKT AUGUSTIN · Die Städtepartnerschaft Sankt Augustins mit Mewasseret Zion kam nicht von ungefähr. Durch den in den 1980er Jahren aufgebauten Schüleraustausch des Rhein-Sieg-Gymnasiums (RSG) wurden Kontakte geknüpft, Brücken gebaut und Freundschaften geschlossen, die im Jahr 2002 in die Partnerschaft mündeten.

 Podiumsgespräch: Der Freundeskreis Mewasseret Zion hat zum Thema deutsch-israelischer Jugendaustausch geladen.

Podiumsgespräch: Der Freundeskreis Mewasseret Zion hat zum Thema deutsch-israelischer Jugendaustausch geladen.

Foto: Heinemann

Heute ist der Austausch wichtiger Bestandteil des Schullebens am Gymnasium, und auch die Ganztagsschule Menden hat 2014 einen Schüleraustausch nach Israel aufgebaut.

Ein Austausch, der sich verändert hat, berichteten die Teilnehmer des Podiumsgesprächs "Begegnungen im Wandel - Was bedeutet (für) uns der deutsch-israelische Jugendaustausch?". Die Deutsch-Israelische Gesellschaft und der Freundeskreis Mewasseret Zion hatten zu diesem besonderen Gespräch in die Stadtbücherei eingeladen.

Neben Gustel Houtrouw, der als Lehrer von 1987 bis 2010 den Austausch am Rhein-Sieg-Gymnasium koordinierte, und seiner Nachfolgerin Verena Bergfeld, hatten auch Walter Haas, Mitbegründer des deutsch-israelischen Gewerkschaftsjugendaustausches, Stephanie Overhage, Schulleiterin der Gesamtschule Menden, Monika Baltes, Austauschteilnehmerin im Jahr 1968, Mike Lukasch, Austauschteilnehmer 1996, sowie Nadine Merle Stanko, Austauschteilnehmerin im Jahr 2009, auf dem Podium Platz genommen. Mit dabei war auch Yoram Winter, Leiter des Schüleraustausches an der Highschool in Mewasseret Zion.

Damals wie heute, das machten die Podiumsteilnehmer klar, habe der Austausch besonders nachhaltige Früchte getragen und die Menschen auf ganz vielen Ebenen erreicht. Das war schon 1968 so, als Monika Baltes von ihrer Schule in Köln für einen Israelaustausch vorgeschlagen wurde. Da war der Sechs-Tage-Krieg in Israel gerade ein Jahr vorüber, und die Eltern waren wenig vom Reisefieber der damals 17-Jährigen begeistert. "An einem Wochenende wurden wir vorbereitet, lernten israelische Lieder und Tänze, damit wir mit den Jugendlichen tanzen konnten", erinnert sie sich. Vier Wochen war sie in Israel, zwei davon als Mitbewohnerin und Mitarbeiterin in einem Kibbuz.

Der Höhepunkt der Reise, die Begegnung mit Ben Gurion, dem ersten Ministerpräsidenten Israels, im Kibbuz Sede Boker, hat sie bis heute genau vor Augen.

In Sankt Augustin wurde die Brücke nach Israel erstmals im Jahr 1987 geschlagen. "Das schöne daran ist, dass diese Entwicklung von Bürgern und nicht von Behörden ausgegangen ist", erinnerte Gustel Houtrouw, der mehr als 30 Mal nach Israel reiste. Mit ein Anstoß für den regen Austausch gab ein Vorfall mit einem Schüler, der mit deutsch-nationalem Liedgut aufgefallen war, wenngleich das Thema immer wieder in nahezu allen Schulfächern durchgenommen worden sei. "Wir haben uns entschlossen, Austausch und Begegnungen zu schaffen, um Ressentiments abzubauen."

So haben die Begegnungen an den authentischen Orten der Judenverfolgung im Dritten Reich die Teilnehmer auf beiden Seiten enorm verändert, sagt Houtrouw rückblickend: "Es ist kaum zu beschreiben, was da geschehen ist." Gemeinsames Weinen, gemeinsames Lachen und das Wissen darum, dass das Gegenüber sich mit dem Thema tiefgründig beschäftige, habe dafür gesorgt, "dass es mit der kollektiven Scham vorbei war und durch das Bewusstsein für Verantwortung ersetzt wurde." Denn, da ist sich der langjährige Leiter des Schüleraustauschs sicher: "Man hatte in den Jahren vorher zwar kognitiv sehr viel gelernt, aber emotional zu wenig - und das ging nur durch Begegnungen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort