Mülldorfer "Gärten der Nationen" Blumen, Gemüse und Integration

SANKT AUGUSTIN · Sie sitzt mitten auf ihrer Parzelle auf einem weißen Plastikstuhl, hat ein Messer in der Hand und säubert konzentriert das Gemüse. Für Fatma Sari hat die Gartensaison ganz offensichtlich schon begonnen.

 Säubert den Porree: Fatma Sari auf ihrer Parzelle

Säubert den Porree: Fatma Sari auf ihrer Parzelle

Foto: Michael Lehnberg

Sie winkt freundlich, lacht und grüßt. Deutsch spricht sie nicht so gut. Was macht sie da? "Porree sauber". Es ist ein früher Abend in Mülldorf in den "Gärten der Nationen". Mit ihrem Mann hat die türkische Frau eine Parzelle in der neuen Anlage gepachtet. Das kostet nicht sehr viel. "Aber viel Gemüse", sagt sie. Will heißen: Die Parzelle bringt ihrer Familie reichlich Ertrag.

Nebenan hat es sich die kurdische Familie Kedik gemütlich gemacht. Tische und Stühle sind platziert im Unterstand, der auch einen Container beherbergt, wo die Arbeitsgeräte und all die anderen Sachen, die man zum Gärtnern braucht, verstaut werden. Auf einem kleinen Beistelltisch dampft heißer Tee in einem Samowar. Die Stimmung ist gut, und der fremde Reporter schnell ein Freund.

"Alles schön hier: Schöne Beete, schöne Menschen, schöne Gemüse, schöne Blumen, schöne Familie", freut sich Imam Kedik und unterstreicht gestenreich, dass es ihm gefällt in der Anlage, die eigens dafür angelegt worden ist, damit Menschen verschiedener Nationen und Kulturkreise miteinander gärtnern.

Nicht nur Pflanzen, sondern auch das gegenseitige Verständnis soll wachsen und Vorurteile abgebaut werden: Idylle und Integration an einem Ort der Begegnung, auf 75 bis 150 Quadratmetern großen Parzellen. "Im Gegensatz zu anderen Kleingärten gibt es hier keine hohen Zäune und eigene Hütten", sagt Christoph Düsterdich. "Bei uns geht es um die Gemeinschaft und die Integration", so der Vereinsvorsitzende.

Imam Kedik erklärt so gut er kann auf deutsch, was er schon vorbereitet und noch vor hat. "Hier die Erdwälle: Da kommen Auberginen, Paprika, Tomaten rein", sagt er. Der Knoblauch wächst schon, Petersilie auch. "Mitte Mai alles gepflanzt."

Familie Kedik ist fast jeden Tag auf ihrer Parzelle. Auch an diesem Abend. Sie treffen sich mit Freunden, tauschen sich mit den anderen Pächtern aus, so gut es eben geht bei den vielen unterschiedlichen Nationalitäten, darunter neben Türken, Deutsche, Polen, Iraner und Russen. Heute sind sie nahezu alleine auf dem gesamten Areal, das sich inklusive der Gemeinschaftsflächen auf 20 000 Quadratmeter erstreckt. 9000 Quadratmeter sind reines Gartenland.

Etwas mehr als 100 davon beackert Arslan Dersin, der auch aus der Türkei kommt und Kurde ist. Er ist einer der wenigen, der heute in seinen Garten gekommen ist. "Es ist noch nicht viel los derzeit", sagt er. Gerade hat er ein Beet mit Wasser gesprengt. "Da habe ich schon Kartoffeln gepflanzt." Vor der Hochhauskulisse an der Ankerstraße bearbeitet er mit seiner Schüppe den Boden. Salat hat er schon im Angebot. "Probieren Sie mal." Schmeckt ein bisschen säuerlich, aber gut und vor allem frisch.

Arslan Dersin will neben Kartoffeln wieder viel Gemüse ernten in diesem Jahr. Kürbisse, Paprika, Auberginen, Zucchini, auch Zwiebeln und Rucola. "Alles sehr lecker, alles bio", sagt er. Auch Him- Stachel- und Brombeere gibt es. "Ausgesät wird aber erst Anfang Mai." Im vergangenen Jahr habe er zu früh angefangen. Dann sei Hagel gekommen Mitte Mai, der die jungen Pflanzen kaputt gemacht habe. "Ich musste wieder von vorn anfangen." Was er dieses Jahr verhindern will, denn auch seine Tagetes, Primeln und Stiefmütterchen sollen schön blühen.

Umgegraben hat er seine Parzelle schon. "Jetzt gehe gehe ich noch mit der Fräse durch." Vergangenes Jahr habe er eine sehr gute Ernte gehabt. "Das konnten wir alles gar nicht essen", sagt der Niederpleiser, der von Anfang an dabei ist im Verein "Gärten der Nationen". Das mache einfach Spaß. Immer nach Feierabend kommt er auf seine Parzelle. Oft auch samstags und sonntags. Und was zu viel geerntet wird, verschenkt er. "Ich versorge meine Nachbarn mit", sagte der Vater von drei Kindern, die auch mithelfen. "Leider nicht beim Umgraben", schmunzelt er, nimmt sich die Schüppe und macht genau das. Ziemlich allein auf weiter Flur. Nur Familie Kedik am anderen Ende der Anlage trinkt noch Tee.

Noch sind auf vielen Parzellen die weißen Tische und Plastikstühle zusammengestellt und mit einer Folie abgedeckt. Das wird nicht mehr lange so sein. "Hier wird bald wieder viel mehr Leben sein", ist sich Arslan Dersin sicher. Auch auf den Beeten, die jetzt noch wie Kraut und Rüben aussehen.

Gärtnern

Kleingärtner zu werden, ist gar so schwer nicht. Immerhin gibt es in ganz Nordrhein-Westfalen fast 120.000 Kleingärten, die in weit mehr als 1600 Kleingartenanlagen zusammengefasst sind. Im Landesverband Rheinland der Gartenfreunde sind derzeit 26 Kreis- und Stadtverbände sowie 35 Vereine organisiert. Bewirtschaftet werden rund 47.000 Kleingärten in 809 Anlagen. Der Kleingärtner-Verein Siegburg etwa betreibt fünf Anlagen mit 265 Gärten auf insgesamt 81.279 Quadratmetern. Die einzelnen Gärten haben eine durchschnittliche Größe von 300 Quadratmetern. Wer Mitglied werden möchte, kann beim Vorsitzenden Andreas Gosemann,Tel. 01 72/ 9 67 28 30, einen Termin vereinbaren. Aufnahme nur an den Sprechtagterminen. Zurzeit gibt es freie Gärten in den Anlagen Rossbonnen, Wahnbachtalstraße und Waldfrieden. Weitere Infos auf www.kgv-siegburg.de.

Die Anlage "Gärten der Nationen" ist indes keine Kleingartenanlage. Dort können nur Parzellen über den Verein gepachtet werden. Es geht um das gemeinsame Gärtnern. Gartenhäuser oder -lauben sind dort nicht erlaubt. Der Verein ist unter der Rufnummer Tel. 0 22 41/90 53 942 zu erreichen. Sprechzeiten sind montags 18 bis 19 Uhr, donnerstags 19 bis 20 Uhr. Weitere Infos auf www.garten-der-nationen.de.

Gartenwerkstatt

"Von jungem Gemüse und wilden Kräutern" lautet der Titel einer Gartenwerkstatt für Kinder von sechs bis zwölf Jahren, die in den Gärten der Nationen von April bis Juni angeboten wird. Zehn Termine sind dafür vorgesehen. Treffpunkt ist jeweils montags von 16.15 bis 17.30 Uhr am Vereinshaus Ankerstraße. Der Workshop kostet 85 Euro. Anmeldungen: Lucia Quadt unter 0 22 41/84 457717, E-Mail: naturart@t-online.de .

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