Flüchtlinge in Rheinbach Wohnhäuser nehmen nächste Hürde

RHEINBACH · Rheinbacher Ausschuss votiert einstimmig für neue Heimstätte auf einem Teil des Spielplatzes an der Keramikerstraße

Die Vorbereitungen für den Tag X laufen auf Hochtouren, auch wenn niemand im Rheinbacher Rathaus weiß, wann dieser Tag sein wird. Denn dass sich die Stadt für die Erstaufnahme von Flüchtlingen wappnen muss, ist für Peter Feuser, Fachbereichsleiter für Stadtmarketing, Ordnung und Soziales, nur eine Frage der Zeit. Über drastisch steigende Flüchtlingszahlen und den beabsichtigten Bau eines Wohnhauses für Flüchtlinge auf einem Teil des Spielplatzgeländes an der Keramikerstraße berichtete Feuser während der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Generationen, Integration und Soziales.

Hintergrund: Die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft für den Rhein-Sieg-Kreis mbH (GWG) ist nach Gesprächen mit der Verwaltung bereit, auf dem städtischen Grundstück als Projekt zum sozialen Wohnungsbau die Gebäude zu errichten, in denen rund 50 Menschen leben können (der GA berichtete). Nach der Fertigstellung mietet die Stadt die Gebäude komplett zur Unterbringung von Flüchtlingen. Später, wenn eines Tages die Wohnungen nicht mehr für diesen Zweck benötigt werden, sollen sie für studentisches Wohnen in der Hochschulstadt zur Verfügung stehen.

Etwa ein Drittel der bisherigen Spielplatzfläche soll bebaut werden. Der Spielplatz gehe nicht verloren, er werde lediglich eingeschränkt, sagte Feuser. Trotz des geplanten Gebäudeensembles soll der bestehende und viel genutzte Verbindungsweg erhalten bleiben, der Basketballplatz und ein Spielhügel werden versetzt, so der Fachbereichsleiter. Der Baubeginn ist im März 2016 vorgesehen. Im "Laufe des nächsten Jahres", so Feuser, solle das Gebäudeensemble eröffnet werden. Wegen der dramatischen Zuspitzung der Flüchtlingssituation habe auch die Stadt Rheinbach hausintern einen Krisenstab gebildet (siehe Kasten). Ein großes Problem bei der möglichen Ankunft von bis zu 150 Flüchtlingen zur Erstaufnahme sei deren medizinische Versorgung.

Zwar stelle die medizinische Erstversorgung der Ankömmlinge eine Aufgabe des Kreises dar, doch der habe signalisiert, mit dieser Pflicht schon jetzt überlastet zu sein. Darum habe die Verwaltung bereits mit regionalen Ärzten Kontakt aufgenommen, um möglicherweise auf deren Dienste zurückgreifen zu können. Zur vorgeschriebenen Tuberkuloseuntersuchung müssten beispielsweise alle erwachsenen Asylsuchenden geröntgt werden. "Ich frage mich, wie die Verwaltung in die Lage sein wird, die Sicherheit der Bevölkerung bei der Gesundheitsvorsorge sicherzustellen?", fragte Bernd Beißel (CDU). Es seien schließlich solche Themen, die dazu führen könnten, dass die positive Akzeptanz für diese derzeitige Mammutaufgabe schlagartig abnimmt. "Die Hilfsbereitschaft ist groß, aber irgendwann ist die Schwelle überschritten, die in eine Entwicklung führt, die wir nicht wollen", meinte der Christdemokrat vielsagend.

Mit Blick darauf, dass das Land NRW derzeit rund zehn Prozent mehr Flüchtlinge aufnimmt, als es muss, kritisierte Reinhard Ganten (UWG) die Landesregierung: "Wir können nicht nachvollziehen, wie diese Auffassung des Landes zustande kommt", sagte Ganten. "Wir stehen erst am Anfang einer Riesenaufgabe", fand Kurt Brozio (CDU). Damit sich die Willkommenskultur nicht ins Gegenteil verkehre, müssten die Flüchtlinge gerechter verteilt werden - innerhalb der Europäischen Union und innerhalb Deutschlands.

Über ihre "Bauchschmerzen" beim beabsichtigten Bauprojekt sprach Jana Rentzsch (FDP). Nicht der Bauplatz, ein Spielplatz, stößt den Liberalen sauer auf, sondern die ihrer Meinung nach mangelhafte Bürgerbeteiligung bei dem Projekt. "Wie kann eine Beteiligung stattfinden, wenn wir jetzt schon Beschlüsse fassen?", fragte Rentzsch. Dem widersprach Feuser: "Wir können die Bürger erst beteiligen, wenn wir Beschlüsse haben." Wenn das Vorhaben von den Ausschüssen den Segen erhalten habe, werde die Verwaltung alle Interessierten informieren. Und: Wenn nach den Voten der Ratsgremien das Bebauungsplanverfahren beginnt, würden die Bürger ebenfalls nach ihrer Meinung gefragt.

Noch im Jugendhilfeausschuss - wenige Tage zuvor - hatte die FDP gegen die Pläne zur Bebauung der laut Liberalen "grünen Lunge des Rheinbacher Nordens" votiert. Das Areal liege den Bürgern besonders am Herzen und mache nicht nur für Familien mit Kindern einen wichtigen Teil ihrer Freizeitgestaltung aus, berichtete die Rheinbacher FDP in einer Pressemitteilung. Darüber hinaus sei es eine wertvolle Begegnungsmöglichkeit für langjährige und neu hinzugezogene Anwohner, den angrenzenden Kindergarten, das naheliegende Kinderheim und die Studenten der Fachhochschule. Aus Sicht der Freidemokraten müssten darum geeignete Alternativen zu einer unumkehrbaren Überbauung des Spielplatzes gefunden werden. In der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses votierte die FDP allerdings für das Projekt.

Dietmar Danz (SPD) warb dafür, die Aufgabe der Flüchtlingsaufnahme beherzt anzugehen: "Es handelt sich um eine Ausnahmesituation, um die wir uns kümmern müssen", fand der Sozialdemokrat. Ausschussvorsitzender und Kreistagsmitglied Folke große Deters (SPD) erinnerte daran, dass die Sozialdemokraten im Kreistag eine rasche Sondersitzung des Kreissozialausschusses beantragt haben. In dieser, so große Deters, solle der Kreis verpflichtend erklären, die Gesundheitsüberprüfung der Flüchtlinge zu übernehmen und sie nicht den Kommunen zu überlassen. "Auch wenn wir wissen, dass es Probleme beim Personal gibt." Sollten diese Engpässe bestehen bleiben, müsste mit Honorarkräften gearbeitet werden.

Mit Blick auf die vielen ehrenamtlichen Flüchtlingshelferkreise erklärte große Deters: "Wir sind uns einig, dass wir stolz sind, was hier in Rheinbach passiert." Einstimmig votierte der Ausschuss für den Bau des Wohnhauses. Nach dem Planungsausschuss steht das Gebäudeensemble noch im Haupt- und Finanzausschuss zur Debatte, bevor sich der Rat damit beschäftigt.

Stadt Rheinbach bringt zwei Millionen Euro für Flüchtlingsbetreuung auf

Wie dramatisch sich die Flüchtlingssituation derzeit zuspitzt, berichtete Fachbereichsleiter Peter Feuser jetzt im Rheinbacher Sozialausschuss. Waren im Februar vergangenen Jahres 77 Asylsuchende nach Rheinbach gekommen, laut aktuellsten Zahlen 243 Flüchtlinge - aus 25 Nationen, insbesondere aus Albanien, Syrien und dem Irak. Untergebracht seien diese in städtischen Liegenschaften in Wormersdorf und Am Getreidespeicher, in angemieteten Objekten an der Kriegerstraße und der Keramikerstraße sowie im städtischen Forsthaus, angemieteten Hotelzimmern oder Privatwohnungen. Neu hinzu kommt das jetzt fertig gestellte "Haus Herzig" in Wormersdorf, in dem bis zu 40 Menschen wohnen könnten.

Sollte die Stadt Rheinbach verpflichtet werden, innerhalb weniger Stunden und Tage Unterkünfte für bis zu 150 Flüchtlinge bereitzustellen, sind die Sporthalle der Gemeinschaftshauptschule, die Halle des Städtischen Gymnasiums und die Sporthalle des Berufskollegs infragekommende Objekte. Zwei Millionen Euro bringt die Stadt alleine in diesem Jahr für die Betreuung von Flüchtlingen auf - das Land habe zugesagt, 40 Prozent davon zu übernehmen, so Feuser.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort