Neue Technik für Plantagen in Meckenheim und Rheinbach Windrad schützt Blüten vor Frosttod

MECKENHEIM · Erst vibriert das Handy nur kurz. Einen winzigen Wimpernschlag später reißt ein schriller Klingelton Obstbauer Michael Manner mitten in der Nacht aus allen süßen Träumen: Eine SMS ist angekommen. Draußen in seinen Obstplantagen rund um Meckenheim ist es trotz Zeitumstellung noch stockfinster.

 Vorstellung der mobilen Windmaschine: Michael Manner (links) und Ralf Nörthemann von der Landwirtschaftskammer schauen zu.

Vorstellung der mobilen Windmaschine: Michael Manner (links) und Ralf Nörthemann von der Landwirtschaftskammer schauen zu.

Foto: Axel Vogel

Die frühmorgendliche Kurzmitteilung stammt nicht von einem Familienmitglied und ist auch kein Tarifangebot seines Mobilfunkanbieters - die SMS stammt von der Frostwarnmaschine, die in seiner Plantage steht. Denn: Klirrende Minusgrade sind das Letzte, was seine Obstbäume derzeit ertragen können. Um gegen Frostschäden gewappnet zu sein, setzen Manner und seine Kollegen aus der Region jetzt erstmals auf die Dienste einer mobilen Windmaschine.

Bis zu elf Meter hoch sind die PS-starken Helfer mit dem sechs Meter langen Propeller. Wenn der sich dreht, erinnert das Geräusch an einen startenden Hubschrauber - nur nicht ganz so laut.

"Es handelt sich um eine mobile, baugenehmigungsfreie landwirtschaftliche Maschine, deren Lärmpegel ab 650 Meter Abstand von Kern-, Dorf- und Mischgebieten die zulässigen 45 Dezibel nicht überschreitet", berichtet Ralf Nörthemann, Betriebsberater für Obstbau bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Köln.

In jedem Frühjahr, wenn die Blütezeit naht, verfolgen die Obstbauern die Wettervorhersage mit besonderer Sorgfalt. Denn in etwa einem von drei Jahren kommt es im Raum Meckenheim aufgrund von Frost während der Blüte zu mehr oder weniger starken Schäden.

"Die können von wenigen erfrorenen Blüten über Fruchtdeformationen bis hin zum totalen Ernteausfall in einigen Lagen führen, was für die betroffenen Obstbaubetriebe einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zur Folge hat", weiß Nörthemann. Um diesen Einbußen vorzubeugen setzt auch Lothar Krämer, Obstbauer aus Meckenheim, ebenso wie seine Kollegen Dirk Schwichtenberg aus Flerzheim und Johannes Nachtwey aus Gelsdorf jetzt auf die Kräfte des Propellers.

"In der Blüte sind wir Leidensgenossen. Für uns alle ist es entscheidend, dass wir Äpfel bekommen", meint Krämer. "Bis zur Blüte sind es noch drei Wochen", vermutet er. Mit Bauchgrimmen denken seine Kollegen und er ans Jahr 2013. Bis zu 60 Prozent der Ernte gingen seinerzeit in einer frostigen Nacht kaputt.

Derweil kommt der Motor der Windmaschine, der rund 200 Pferdestärken hat, auf Touren. Erst ein paar Meter von dem auf einem Lkw-Anhänger montierten Gerät entfernt wird klar, wie kraftvoll der Austausch von kalten, bodennahen Luftschichten und den wärmeren in der Höhe vonstatten geht.

"Die Windmaschinen können bis zu 70 000 Quadratmeter frostfrei halten", so Nörthemann. Die dabei produzierte Windströmung reicht etwa 150 Meter weit. Einen Dauerlauf der Propeller müssen Anwohner oder Spaziergänger in Meckenheim, Rheinbach oder Gelsdorf nicht befürchten.

"Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass diese Maschinen im Schnitt etwa 15 Stunden pro Jahr eingesetzt werden müssen, um den Frost zu bekämpfen", sagt der Obstbauberater. Nicht nur die Blüten seien frostanfällig, auch die jungen Früchte. Mit der neuen Technik betreten die Landwirte kein Neuland: In den USA, Neuseeland und Chile ist das Verfahren seit 30 Jahren erprobt.

2014 absolvierte eine mobile Windmaschine - allerdings eines anderen Herstellers - in der Obstversuchsanstalt in Klein-Altendorf einen Frosttest und bewies deren Wirkung eindrucksvoll, so Nörthemann.

Michael Manner hat sein Windrad so eingestellt, dass es anspringt, sobald das Thermometer an einem trockenen Morgen auf unter 1,5 Grad Celsius sinkt. "Bei 3,5 Grad schaltet sich die Maschine automatisch ab", sagt der Obsthofchef. Nur: Ruhiger schlafen kann er dadurch nicht. "Nein, ich gehe schon gucken." Vor den Eisheiligen Mitte Mai schlafe ein Apfelanbauer sowieso nicht durch.

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