Jugendgewalt in der Region Wenn eine Auseinandersetzung zum Trauma wird

REGION · Ein Rheinbacher Schüler ist von zwei Altersgenossen krankenhausreif geprügelt worden. Er leidet noch heute unter den Folgen. Übergriffe unter jungen Menschen sind keine Seltenheit.

 Kein Fall mit Seltenheitswert: Gewalt unter Jugendlichen auf dem Schulhof oder auch abseits davon.

Kein Fall mit Seltenheitswert: Gewalt unter Jugendlichen auf dem Schulhof oder auch abseits davon.

Foto: dpa

Gewalt auf dem Schulweg, Mobbing in der Schule - viele Schüler klagen über Attacken ihrer Altersgenossen. Der General-Anzeiger schildert ein Beispiel aus Rheinbach und spricht mit einem Fachmann über Wege aus der Gewaltspirale.

Den 30. August 2014 wird Frank R. (Name von der Redaktion geändert) nicht so schnell vergessen. An diesem Samstag trifft sich der 16-jährige Rheinbacher gegen 18 Uhr mit etwa 25 gleichaltrigen Freunden auf dem Schulhof einer Rheinbacher Schule. Sie wollen dort den 16. Geburtstag eines Freundes feiern. Die Jungs und Mädchen stehen zusammen, plaudern, essen und trinken etwas.

Gegen 21 Uhr kommen zwei Gäste, die nicht eingeladen sind: ein 17-Jähriger und ein 14-Jähriger. Die Atmosphäre bleibt zunächst ruhig, obwohl die beiden unter den Jugendlichen im Viertel als Schläger bekannt sind. Gegen 23.30 Uhr verlässt Frank R. die Gruppe und geht um die Ecke des Schulgebäudes, um seinen Vater anzurufen, der ihn abholen soll. Doch zum Anruf kommt es nicht. Denn die beiden nicht Eingeladenen sind Frank gefolgt. Als der gerade die programmierte Nummer seines Vaters drücken will, schlägt der 17-Jährige ihn ohne Vorwarnung ins Gesicht. So die Darstellung des Opfers.

Eine brennende Zigarette im Gesicht ausgedrückt

Schon zwei Mal zuvor waren die beiden aneinandergeraten. Zum ersten Mal bei einer Schaumparty im Monte-Mare-Bad, als der 17-Jährige einen Ball abbekommt. Ob er Stress wolle, habe der 17-Jährige ihn darauf gefragt, erinnert sich Frank. Der nächste Streit lief dann nicht mehr nur verbal ab. Bei einem zufälligen Zusammentreffen im Freizeitpark habe der 17-Jährige ihm vorgeworfen, seinen Freund "komisch" angeguckt zu haben. Er drückte Frank seine Zigarette im Gesicht aus.

Zurück zum 30. August: Noch geschockt vom Schlag hört Frank den Befehl des 17-Jährigen: Er soll sich vor ihm niederknien. Auf Frank macht der Schläger einen betrunkenen Eindruck. Weil er nicht niederknien will, wird er zu Boden geschubst. Beide Jungs treten nach Darstellung von Frank auf ihn ein. Dann geht ein dritter Junge, der die beiden Angreifer kennt, dazwischen und beendet die Gewalttat. Darauf rennen die Schläger weg. Gegen 23.40 Uhr ruft Frank seinen Vater an. Der trifft wenige Minuten später ein und ist geschockt: Sein Sohn blutet aus dem Mund, die Lippe ist geschwollen, Zähne sind abgebrochen, die Kleidung völlig dreckig. Der Vater bringt seinen Sohn nach Hause. Mit Hilfe von Schmerztabletten kann Frank halbwegs schlafen.

Am Sonntagmorgen fährt der Vater ihn in ein Bonner Krankenhaus. Dort stellt der Arzt abgebrochene Zähne, ein Nackentrauma, Hämatome an den Schultern, den Rippen und im Gesicht sowie einen Kieferschiefstand fest. Frank geht zwar am darauffolgenden Dienstag wieder zur Schule, ist aber bis heute in ärztlicher Behandlung. Um den Schief-stand des Kiefers zu korrigieren, wird er eine Schiene tragen müssen. Ein Zahn wird absterben.

Der ältere Angreifer ist kein unbeschriebenes Blatt

Noch am Sonntag nach dem Vorfall erstattet der Vater bei der Polizei Anzeige gegen die ihm namentlich bekannten Angreifer. Dort ist der Ältere der beiden kein unbeschriebenes Blatt. Die Bonner Polizei hat die Ermittlungen gegen die Beschuldigten "wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung" laut Pressestelle abgeschlossen und die Ergebnisse an die Bonner Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Zum Stand des Verfahrens war dort mit Hinweis auf die noch laufenden Ermittlungen nichts zu erfahren.

Zwei Tage nach der Attacke entschuldigt sich der 14-Jährige bei Frank per SMS. Was er gemacht habe, sei ein großer Fehler gewesen. Der ältere Beschuldigte lasse sich anwaltlich vertreten und behaupte, so Franks Vater, dass Frank den Vorfall durch eine beleidigende Äußerung provoziert und den ersten Schlag ausgeführt habe. Dieser versichert jedoch, dies treffe nicht zu.

Was Franks Familie bedrückt, sind Informationen, dass mögliche Zeugen des Vorfalls unter Druck gesetzt worden sein könnten mit dem Ziel, nicht auszusagen. Die Familie möchte nun auf juristischem Wege erreichen, dass die Täter zumindest die Arztkosten von bisher gut 1000 Euro bezahlen. So schlimm die Vorfälle für jeden einzelnen Betroffenen auch seien, sagt Polizeisprecher, Frank Piontek, statistisch sei kein Anstieg der von Jugendlichen ausgehenden Gewaltdelikte zu verzeichnen, weder im gesamten linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis, noch speziell in Rheinbach.

Piontek: "2013 waren Jugendliche an zehn Körperverletzungsdelikten in Rheinbach beteiligt. In diesem Jahr verzeichnen wir bislang keinen signifikanten Anstieg. Die Fallzahlen bewegen sich in etwa auf Vorjahresniveau." Die Polizei mache jugendliche Gewalttäter "sehr deutlich" durch eine "Gefährderansprache" auf die strafrechtlichen Konsequenzen ihres Handelns aufmerksam.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort