C-Flügel des Rheinbacher Gefängnisses Neue Zellen für 31 Millionen Euro

RHEINBACH · Der Anblick könnte gewöhnungsbedürftig und der wahr gewordene Traum aller Ganoven sein: In der Gefängnismauer der Rheinbacher Justizvollzugsanstalt (JVA) klafft eine Lücke in der acht Meter hohen Gefängnismauer.

 Im Inneren des C-Flügels der JVA Rheinbach.

Im Inneren des C-Flügels der JVA Rheinbach.

Foto: Roland Kohls

Drei Mauerelemente fehlen. Schon im nächsten Jahr könnte die ungewöhnliche Perspektive auf die Umwehrung der JVA Realität werden. Der Abriss und Neubau eines ganzen Zellentraktes, freilich ohne das gesamte Gefängnis während der Bauarbeiten zu schließen, erfordert ungewöhnliche Ideen. Für 31 Millionen Euro entsteht an der Aachener Straße der neue C-Flügel des Gefängnisses. Die Kapazität der Rheinbacher Anstalt erhöht sich dann von rund 545 auf rund 600 Gefangene.

Wenn diese Mauern sprechen könnten: 101 Jahr haben die weißen Wände des seit Monaten leerstehenden C-Flügels auf dem Buckel - altweiß an manchen Stellen. Muffig riecht es. Abgegriffen sind Handläufe und Geländer des vierstöckigen Gebäudes. Die dunkelbraunen Holztüren zu den Zellen sehen aus, als seien sie ein Fall für die Denkmalpflege.

Hinter einer solchen Zellentür verbergen sich 7,7 Quadratmeter Tristesse. Außer einer einsamen Kloschlüssel und einem Heizkörper sind die früheren Hafträume leer. Wer aus dem schmalen Fenster blicken will, muss sich schon gehörig auf die Zehenspitzen stellen, um ein Stück vom Himmel zu erhaschen oder in den Innenhof der Haftanstalt zu schauen. Das oberste Stockwerk des C-Flügels tauften die Häftlinge Belletage. Die war nämlich stets nur denjenigen Insassen vorbehalten, die eine günstige Sozialprognose hatten.

Vermutlich ab Ende des Jahres machen sich die Abrissbagger am letzten Altbau der Rheinbacher JVA zu schaffen, um ihn dem Erdboden gleich zu machen. Welch umfangreiche Sicherungen für eine Baustelle im Gefängnis notwenig sind, berichtet Martin Brans, Chef der Kölner Niederlassung des Bau- und Liegenschaftsbetriebs (BLB) NRW, im Gespräch mit dem GA während eines Rundgangs durch den alten C-Flügel.

Als erster Schritt entsteht eine provisorische Mauer, die um die Baustelle herumgezogen wird, sagt Brans. Im Juni soll es losgehen. In sechs Monaten steht das Provisorium, dass mit den üblichen Sicherheitsvorkehrungen wie Stacheldraht und Kameras ausgestattet wird. "Darum wird ein weiterer Zaun gezogen - mit Bewehrung und Sensoren", erklärt Heinz-Jürgen Binnenbruck, Leiter der Rheinbacher JVA.

"Wir wollen natürlich vermeiden, dass aus der Baustelle heraus Fluchthilfe geleistet werden kann", sagt Werner Mohr, Projektverantwortlicher beim BLB für das Großprojekt in der Glasstadt. Spätestens wenn der Neubau des C-Flügels in die Höhe wächst, wuseln bis zu 150 Bauleute von rund 30 Firmen auf der Baustelle herum, rechnet Mohr vor. "Das würde unsere Pforte blockieren", weiß Binnenbruck. Nicht erst seit dem spektakulären Ausbruch des Hahnwald-Mörders Detlef W. vor wenigen Wochen gilt die strenge Regel, dass jedes "Fremdfahrzeug", welches nicht zur JVA gehört, kontrolliert werden muss - unter anderem mit einem Herzschlagdetektor.

Um diese Blockade zu verhindern, erhält die Baustelle eine eigene, mit Wachleuten gesicherte Zufahrt: Vom Loch in der Gefängnismauer geht es über eine provisorische Brücke über den Rotter Bach und einen zusätzlich verstärkten Feldweg zum Kreisel an der Aachener Straße. Und: Jeder, der dort einen Finger rührt, muss einen Baustellenausweis mit Lichtbild bei sich führen. Ein Auszug aus dem Bundeszentralregister wird zuvor von jedem Mitarbeiter eingeholt, der im Gefängnis arbeiten will. Viele der rund 140 Kameras auf dem Gefängnisgelände werden auf die Baustelle gerichtet sein. "Das alles zusammen bedingt die hohen Kosten", weiß Brans.

Im neu entstehenden Zellentrakt sind die Hafträume mit 10,5 Quadratmetern bemessen, anstatt wie bisher 7,7 Quadratmeter. Die installierte Nasszelle ist vom eigentlichen Haftraum ein wenig abgetrennt. Die Fenster sind größer und eher in Augenhöhe angebracht. "Das alles ist kein Luxus", stellt BLB-Chef Brans klar. Die Neuerungen entsprechen den aktuellen Standards. Im Juni 2018 soll alles fertig sein.

Und: Gefangene werden vom Haftraum aus eingeschränkt telefonieren dürfen, berichtet Binnenbruck. "Anrufen darf der Insasse die Oma oder die Ehefrau - seinen Dealer nicht", sagt Binnenbruck. Nebeneffekt: Dann bräuchten die Häftlinge auch keine illegalen Handys mehr. Zudem entstehen im Neubau mehr Räume für Sozialarbeit und Therapien. "Jetzt ist alles gequetscht, vor allem während der Bauphase", weiß Paul Pruß, Leiter der Bauverwaltung in der JVA. Durch die Räumung des C-Flügels sind 85 Gefangene in die JVA Siegburg verlegt worden.

Eine weitere Neuerung: Dem demografischen Wandel Rechnung tragend, entsteht in der JVA eine eigene Abteilung für "Lebensältere", wie Binnenbruck sagt. "Die Zahl älterer Häftlinge nimmt zu." In Detmold gebe es solch eine Sektion bereits, in Rheinbach bald auch.

Sanierung der JVA läuft seit 1997

"Im 18. Jahr" läuft die Sanierung des 1914 gegründeten Rheinbacher Gefängnisses bereits, berichtet Paul Pruß, Leiter der Bauverwaltung in der Rheinbacher Justizvollzugsanstalt (JVA). "Wir haben seit 1997 hier schon so gut wie jeden Stein angefasst", sagt Werner Mohr, Projektverantwortlicher des BLB Köln. Ein Sonderbauprogramm des Landes macht spezielle Fördergelder locker. Im Mai 1999 konnte so bereits die Grundsanierung des A- und des B-Flügels des Gefängnisses abgeschlossen werden, ein Anbau an den B-Flügel ist 2004 fertig geworden.

Insgesamt 50 Millionen Euro flossen seit 1998 alleine in den Ausbau der Rheinbacher JVA. Und es entstehen nicht nur neue Hafträume. Darüber hinaus sind Neubauten der Küche und der Wäscherei sowie Erweiterungen der Arbeitshallen vorgesehen. Auch die Tage der gefängniseigenen Bäckerei, die in einem Nebengebäude des C-Flügels untergebracht ist, sind gezählt: "Am 30. Juni muss die Bäckerei leider schließen", sagt Anstaltsleiter Heinz-Jürgen Binnenbruck. Neben der Küche zauberte keine andere Einrichtung hinter den hohen Gefängnismauern solche Wohlgerüche hervor.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort