Interview mit Rheinbacher Gleichstellungsbeauftragten Mechthild Schneider: "Ich möchte Frauen ermutigen"

RHEINBACH · Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, vermeintlich rollentypische Ausbildungsberufe und Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts sind Themen, mit denen sich Mechthild Schneider auskennt. Die 56-Jährige ist Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rheinbach. Anlässlich des Weltfrauentags an diesem Sonntag, 8. März, sprach mit ihr Gerda Saxler-Schmidt.

 Mit dem Flyer für den Frauengesundheitstag: Mechthild Schneider.

Mit dem Flyer für den Frauengesundheitstag: Mechthild Schneider.

Foto: Axel Vogel

Im Jahr 2015 haben Frauen die gleichen Rechte wie Männer, sie haben das aktive und das passive Wahlrecht, sie können Ärztin, Pilotin, Soldatin, Chemie-Professorin werden. Brauchen wir da noch den Weltfrauentag oder auf lokaler Ebene Gleichstellungsbeauftragte?
Mechthild Schneider: Formalrechtlich sind Frauen in Deutschland gleichgestellt, Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts sind verboten. Aber tatsächlich ist Gleichstellung noch lange nicht Realität. In Führungspositionen zum Beispiel sind Frauen noch in der Minderheit. Die Selbstverpflichtung von Unternehmen hat nicht funktioniert. Auch in der Stadtverwaltung Rheinbach sind Frauen in Führungspositionen eine Minderheit. Auf der Ebene der Fachbereichsleitung gibt es bei uns zurzeit keine Frau, auf der Ebene der Fachgebietsleitung sind von 14 Stellen nur drei von Frauen besetzt. Etwas besser sieht es auf mittlerer Ebene aus: von 29 Sachgebietsleitungen sind 21 von Männern und acht von Frauen besetzt.

Was sind die Gründe dafür, dass sich in Führungspositionen kaum Frauen finden?
Schneider: Es gibt Vermutungen, dass Frauen zu zurückhaltend sind, dass sie sich selbst zu sehr hinterfragen. Oft spielt auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Rolle. Ich möchte Frauen ermutigen, dass sie sich bewerben und sich mehr zutrauen im Bereich Führungspositionen. Nach dem Prinzip der Selbstähnlichkeit wählen Männer bei Bewerbungen eher Männer aus. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Frauen Eingang in Führungspositionen finden und Verantwortung übernehmen. Dann werden gleiche Chancen in Unternehmen und Organisationen selbstverständlicher.

Laut der Bundeszentrale für politische Bildung wählen noch immer mehr als 50 Prozent aller Mädchen sogenannte typische Frauenberufe wie Friseurin oder Hotelfachfrau, die nur gering entlohnt werden. Der Girls' Day will Mädchen für vermeintlich typische Männerberufe interessieren. Mit Erfolg?
Schneider: Der Girls? Day ist ein wichtiger Baustein, der Mädchen neue Perspektiven eröffnet. Jedes dritte Mädchen strebt ein Praktikum oder einen Ausbildungsplatz in dem kennengelernten Beruf an. Es braucht aber Zeit, die traditionellen Berufsbilder aufzulösen. Gut ist, dass inzwischen über den Boys? Day umgekehrt Jungen ihre sozialen Kompetenzen entdecken und sich auch in diesen Berufen orientieren.

Sie sind nicht Frauenbeauftragte, sondern Gleichstellungsbeauftragte. Worin liegt der Unterschied?
Schneider: Das macht keinen wesentlichen Unterschied, beide setzen sich ein für das gleichberechtigte Miteinander der Geschlechter. In Nordrhein-Westfalen ist es Aufgabe von Gleichstellungsbeauftragten, Frauen zu fördern, um bestehende Benachteiligungen abzubauen. Es gilt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer gleichermaßen zu etablieren.

Welche Aufgaben haben Sie als Gleichstellungsbeauftragte? Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
Schneider: Basierend auf dem Landesgleichstellungsgesetz habe ich Aufgaben im verwaltungsinternen und im externen Bereich. Intern wirke ich zum Beispiel mit bei personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen, bei Stellenausschreibungen, Auswahlverfahren und Vorstellungsgesprächen. Ich berate Beschäftigte, zum Beispiel bei Fragen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zu Fortbildungs- oder Aufstiegsmöglichkeiten. Extern gehört es zu meinen Aufgaben, Themen, die für die Gleichstellung relevant sind, in die Öffentlichkeit zu bringen, Bewusstseinsprozesse anzustoßen und Kooperationen mit anderen Akteuren herzustellen. Gerade die Öffentlichkeitsarbeit ist ein wichtiger Bereich, dazu zählen auch Veranstaltungen wie der Rheinbacher Frauengesundheitstag.

Und das alles mit einer Teilzeitstelle?
Schneider: Ja. Da muss man Profi werden im Schwerpunkte setzen.

Mit welchen Anliegen kommen Frauen zu Ihnen?
Schneider: Die liegen oft im beruflichen Bereich wie vor dem Wiedereinstieg. Es sind auch Konflikte am Arbeitsplatz, Sozialleistungen und Existenzsicherung. Aber auch Situationen von häuslicher Gewalt. Für solche Erstgespräche sind wir eigens geschult, vermitteln dann aber in der Regel weiter an Beratungsstellen. Ebenso bei familiären Konflikten. Ich bin auch schon aufmerksam gemacht worden auf sexistische Werbung, bei der die Art der Darstellung der Frau nichts mit dem Produkt zu tun hatte. Da galt es dann, dazu aufzufordern, die Werbung zu ändern.

Welchen besonderen Herausforderungen sehen sich Frauen bei der Rückkehr in den Beruf nach der Familienzeit gegenüber?
Schneider: Frauen sind nach der Familienphase oft verunsichert, was ihre Qualifikationen anbelangt. Auch in der Frage, wann ist der richtige Zeitpunkt, wann sind die Kinder alt genug. Der Wiedereinstieg verändert alles in den Familien. Bezogen auf den Beruf ist es oft die Frage, ob die Frau in den alten Beruf zurückkehren oder etwas ganz Neues ausprobieren soll. Zu klären sind etwa Arbeitszeiten, Mobilität und Einkommensvorstellungen.

Sie haben mit anderen das Frauennetzwerk aufgebaut. Welche Vorteile bringt es?
Schneider: Als ich das Frauennetzwerk 2011 initiiert habe, war es wichtig, Frauen ein Forum zum Austausch, zur Vernetzung und zur Kooperation zu bieten. Es ist ein offenes Netzwerk, kein Verein, jede Frau ist willkommen, unabhängig von Alter und Lebenssituation. Es geht darum, Kooperationen und Plattformen zu schaffen und Frauenpositionen in allen Lebensbereichen zu stärken. Umgekehrt bin ich dankbar für Impulse, die aus dem Netzwerk in meine Arbeit kommen. Aus dem Netzwerk ist zum Beispiel der Frauen-gesundheitstag entstanden, der am Samstag, 14. März, von 11 bis 17 Uhr bereits zum vierten Mal stattfindet, jetzt in der Haupt- und Gesamtschule. Dieser Tag ist eine Informations- und Austauschplattform, aus der dann auch wieder Kooperationen und Vernetzungen entstehen.

Zur Person

Mechthild Schneider ist seit 2002 Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt Rheinbach. Nach einer Verwaltungsausbildung hat die heute 56-Jährige ein berufsbegleitendes Studium in Erziehungswissenschaften und Sozialen Verhaltenswissenschaften absolviert und den Magister im Fach Erziehungswissenschaft angeschlossen. Schon im Studium konnte sie in der Berufspädagogik Erfahrungen zur Situation von Frauen und Mädchen auf dem Arbeitsmarkt und im Beruf sammeln und hat die Arbeit von und mit Interessenvertretungen kennengelernt.

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