Rheinbachs Musikschulchef Claus Kratzenberg "Man muss Muße für die Muse haben"

Das Gespräch am Wochenende: Rheinbachs Musikschulchef Claus Kratzenberg erzählt in einem Interview über außergewöhnliche musikalische Talente.

 Posaune und Klavier unterrichtet Claus Kratzenberg, Leiter der Musikschule Meckenheim, Rheinbach und Swisttal.

Posaune und Klavier unterrichtet Claus Kratzenberg, Leiter der Musikschule Meckenheim, Rheinbach und Swisttal.

Foto: Roland Kohls

Die Auszeichnung "Musiker des Jahres" der Musikschule Meckenheim, Rheinbach und Swisttal zweimal im Leben zu bekommen, hat nichts damit zu tun, dass die Konkurrenz fehlt: Schließlich spielen 1200 Mädchen und Jungen, Frauen und Männer ein Instrument in der Musikschule.

Janik Nagel (13) und Paul Tintelnot (14) aus Rheinbach bekommen am kommenden Montag, 28. September, den Preis nach 2013 bereits zum zweiten Mal. Wie viel Übung den Meister macht, um beim Bundeswettbewerb mit Höchstpunktzahl zu glänzen, wie die beiden jungen Musiker, berichtet Claus Kratzenberg, Leiter der Musikschule, im Gespräch mit Mario Quadt.

Wie motivieren Sie junge Menschen, Musik zu machen?
Claus Kratzenberg: Das Entscheidende ist die Leidenschaft für die Sache. Unsere Lehrer legen sehr viel Engagement an den Tag, Musik mit dem Herz zu vermitteln. Dabei ist wichtig, immer die individuelle Förderung der Schüler im Fokus zu haben. Es laufen viele Gespräche der Lehrer mit Schülern und Eltern - über die musikalische Entwicklung, aber auch die menschliche. Dahinter steht das Bewusstsein, dass unsere Arbeit die Menschen positiv verändert. Wir wollen nicht nur Bespaßung betreiben, sondern eine nachhaltige Entwicklung.

Wie oft proben junge Musiker wie Janik Nagel und Paul Tintelnot, um auf Bundeswettbewerbsebene derart zu glänzen?Kratzenberg: Das muss gar nicht so oft sein. Janik übt nicht mehr als eine Stunde pro Tag. Er ist unheimlich fokussiert, hat gleichzeitig eine hohe Spielfreude und sehr viel Begabung. Das kommt aus dem Inneren. Wenn es später mal um ein Musikstudium geht, sind es ein paar Stunden pro Tag.

Wie ändern sich heute die Musikinteressen? Sind manche Instrumente auch in der klassischen Ausbildung populärer als früher?Kratzenberg: Die Interessen haben sich schon verändert. Ich bin als Klavier- und Posaunenlehrer begeistert von der Fülle an Literatur, die kindgerecht aufgearbeitet ist. In der Tat gibt es eine Tendenz vom Klassischen in viele andere Richtungen. Ich kann aber nicht sagen, dass die Leistungen zurück gegangen sind, obgleich die Kinder immer weniger Zeit haben. Man braucht Muße zur Muse, das ist eine Herausforderung.

Gibt es eine Art Elitenförderung?
Kratzenberg: Die Begabtenförderung ist eine eigene Abteilung unserer Schule. Ab 14 Jahren kann man sich bewerben. Es gibt eine Aufnahmeprüfung, später ein zweites Instrument, dazu Theorie und Musiklehre. Derzeit sind zwölf von 1200 Kindern in der Begabtenförderung. Wenn die Musikschulen immer weiter zurückgefahren werden und nur noch auf den Dollar geguckt wird, fällt die Breitenausbildung, die nach wie vor wichtig ist, leider weg.

Welche Unterschiede gibt es in der Arbeit mit jungen und älteren Musikern?
Kratzenberg: Die Herausforderung an den Unterricht ist gleich: Bei beiden ist Geduld und Liebe nötig. Das Hauptproblem bei Älteren ist manchmal die Ungeduld. Ich kann mit meiner Erfahrung jede Handbewegung am Instrument erklären. Wenn jemand sechs Bewegungen machen muss, um eine gewisse Passage zu spielen, bringen wir ihm - beim Klavier etwa - jede Bewegung einzeln bei. Rechte Hand, linke Hand, dann das Pedal - das sind parallele Bewegungselemente, die eine absolut mentale Höchstleistung darstellen. Mit Kindern kann man spielerischer umgehen, das macht es manchmal leichter. Die Spielfreude muss bei beiden geweckt werden.

Wann ist eine gute Zeit, um mit Musik zu beginnen?
Kratzenberg: Möglichst früh. Früher sagten wir, mit acht oder neun Jahren lässt sich mit Klavier beginnen. Heute sagen wir: mit vier oder fünf Jahren. Das hängt von der Begabung und vom Elternhaus ab. Um die Entwicklung zu fördern, bieten wir kleine Instrumente an: eine kleinere Querflöte mit gebogenem Mundstück oder ein kleines Fagott. Wir gucken uns die Kinder ganz genau an, man muss jeden individuell fördern.

Welche Rolle spielt das Musizieren in Ihrem Leben?
Kratzenberg: Es ist schwer, als Musikschulleiter noch die Zeitfenster zu finden, Musik zu machen. Ich spiele bei den Tomburg Winds und auch in der Big Band - Posaune oder Tenorhorn. Privat begleite ich verschiedene Chöre. Früher habe ich auch viele Dozentenkonzerte gemacht. Wir haben die ganze Literatur rauf und runter gespielt.

Das Konzert mit Preisträgern des Regional-, Landes- und Bundeswettbewerbs "Jugend musiziert" 2015 in Rheinbach beginnt am Montag, 28. September, 19 Uhr, in der Aula der Grundschule Sankt Martin, Bachstraße 19. Der Eintritt ist kostenlos.

Zur PersonClaus Kratzenberg (62) ist seit rund einem Jahr Leiter der Musikschule Meckenheim, Rheinbach und Swisttal. Zuvor war er fünf Jahre lang stellvertretender Chef. Der verheiratete Vater von zwei musikalischen Kindern (28 und 24), der in Wachtberg lebt, studierte Musik und Englisch, um Gymnasiallehrer zu werden. Doch als er von einer Stelle bei der Musikschule hörte, entschied er sich, Musikschullehrer zu werden.

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