Konzert in Rheinbach Mal rotzig frech, mal sentimental

RHEINBACH · In der kleinen Aula des Sankt-Joseph-Gymnasiums ging am Freitag ein großes Konzert über die mit klassizistischen Versatzstücken umrahmte Bühne. Nach zwei Zugaben erhoben sich gegen 22.15 Uhr alle Besucher im Saal und applaudierten Gerd Köster, Frank Hocker und Helmut Krumminga minutenlang, während sich die Künstler vor dem Publikum verbeugten.

 Ein außergewöhnliches Konzert in der Aula des Rheinbacher Sankt-Joseph-Gymnasiums: (v.l.) Gerd Köster, Frank Hocker und Helmut Krumminga.

Ein außergewöhnliches Konzert in der Aula des Rheinbacher Sankt-Joseph-Gymnasiums: (v.l.) Gerd Köster, Frank Hocker und Helmut Krumminga.

Foto: Axel Vogel

Das Trio aus Köln hatte in der Tat ein außergewöhnliches Konzert gegeben. Beeindruckend, wie sich Hocker und Krumminga an den Gitarren ergänzten, virtuos zu Hause in allen Stilrichtungen. Ob triefender Blues wie bei "Hasch", Country oder Flamenco-Adaptionen, sie schufen ein Klanggebilde, in dem Köster sich gesanglich austoben konnte. Und das tat er dann auch. Mal rotzig frech in seinen Texten, mal sentimental. Der frühere Frontmann der 80er Anarcho-Rockband Schroeder Roadshow, der 1989 das Projekt "The Piano has been Drinking" mit eingekölschten Tom-Waits-Songs aus der Taufe hob und damit großen Erfolg hatte, gehört immer noch zu den besten deutschen Sängern. Auch wenn er auf der Bühne nicht mehr rumturnt wie früher - dies tut seiner Präsenz keinen Abbruch. Stimme, Mimik und Gestik ziehen die Zuhörer unmittelbar in die Songs hinein.

"Kumm jangk" ist das Motto des Konzerts, wie der Titel der aktuellen CD, frei übersetzt: Hau doch ab, lass mich in Ruhe. Köster singt mal rauchig verwegen, mal flüstert er geradezu, mal brummt er den Blues, mal schreit er, mal flötet er seine Texte. Die sind stellenweise ursprünglich derb, oft aber auch liebevoll. Melancholie schwingt häufig mit, Ratlosigkeit über den verrückten Lauf der Welt. Aber immer ist in den Liedern Platz für Kösters unvergleichlichen Sprachwitz. Er singt in ungebügeltem Kölsch Geschichten aus der Stadt, die er liebt, obwohl ihm manche Gewohnheiten und Typen in dieser Stadt zuweilen schwer auf die Nerven gehen. So zum Beispiel im ersten Stück des Abends. Da geht es um einen jungen Mann, der "En Kölle dä King" sein will, aber nichts auf die Reihe kriegt: "Ich stonn unger Strom, han keine Stecker, han dousend Dröum, äver keine Wecker."

Kösters Begrüßungsfrage ans Rheinbacher Publikum in Anspielung auf die örtliche JVA "Seid ihr Einheimische oder Freigänger?" blieb unbeantwortet. Sarkastisch spannt er in "Kuss em Wind" den Bogen von der Kindheit bis zum Einsatz eines Freundes als Soldat in Afghanistan: "Schriev, dat hä nix mieh kapiert, hät die Note von Gimme Shelter om Röcke tätowiert." Dagegen hat er selbst einen Super-Lauf: "Mir han se schon drei Johr kei Fahrrad jeklaut." Und sein Arzt stellt ihm ein gutes Gesundheitszeugnis aus: "Du häls noch durch bis der FC Meister es", was für Staunen im sportkundigen und gesetzestreuen Publikum sorgt. Im Lied "Im Fejefeuer ungerm Fluss" geht es um Heucheleien bei Beerdigungen: "Pastur Neu käut singe Käu, hätt dich nit jekannt, Haupsaach Schuld und Reu." Schließlich: "Ich bliev noch jet he, bei dinger Witwe."

Der lebenslange Optimismus vieler Kölner ist für Köster "eine Form des Informationsmangels", manche hätten sich die "Sackgasse, in der sie leben, achtspurig ausgebaut", sagt er und stimmt "Deideidei, loss mer jet singe" an. Gar nicht gut zu sprechen ist Köster auf "Klugscheißer aus der ehemals grün-alternativen Ecke, die zum Lachen nicht mal in den Keller gehen, weil dort das Großraumbüro der Antidiskriminierungsbeauftragten eingerichtet ist". Dazu stellt er im Lied "Jrön" fest, dass Speumanes statt Blotwoosch jetzt Tofuwoosch bevorzugt, "överall nur lauwärme Tön', die janze Welt is jrön".

Ein musikalischer wie humoristischer Höhepunkt ist der Slow-Blues "Hasch", in dem er die schlimmen Erfahrungen eines Mannes mit bewusstseinserweiternden Substanzen schildert. Schon wieder so ein zynischer Text, werden manche Kritiker sagen. Denen antwortet Köster: "Zynisch? Unsere Texte sind nicht zynisch. Zynisch ist es, ein alkoholfreies Bier Jever Fun zu nennen." Nach "Ruse un Rään", einer Liebesgeschichte ohne Happy-End, folgte die lässige Kölsch-Version des wunderbaren Tom-Waits-Songs "Long Way Home" (Ömwääch heim"). Der Klassiker "Rude Jolf" beendet ein Konzert, das Organisator Bernd Schumacher zu Recht mit dem Attribut "super" versah und eine Wiederholung im nächsten Jahr in Aussicht stellte.

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