Merzbacher Traktorfan Reinhard Sellentin Im Takt des blubbernden Bulldogs

RHEINBACH-MERZBACH · Ein blauer Koloss wippt im Garten von Reinhard Sellentin auf seinen Reifen leicht hoch und runter. Der Lanz Bulldog D9506 läuft sich im Leerlauf warm und blubbert dabei. Grau-schwarzer Qualm kommt aus dem Schallfänger - einem Auspuff mit Geräuschdämpfung -, der vorne links neben dem Motor gen Himmel ragt. Mit einem Grinsen auf den Lippen, verschränkten Armen vor der Brust und den Oberkörper leicht nach hinten geneigt präsentiert Sellentin schweigend sein Schätzchen.

 Reinhard Sellentin (links) mit zwei seiner vier Traktoren der Marke Lanz. Gert Butschek hilft beim Restaurieren und Instandhalten regelmäßig aus. Beide sind seit Jahren Schlepperfans.

Reinhard Sellentin (links) mit zwei seiner vier Traktoren der Marke Lanz. Gert Butschek hilft beim Restaurieren und Instandhalten regelmäßig aus. Beide sind seit Jahren Schlepperfans.

Foto: Ariane Fries

Denn der Ackerluft-Bulldog ist eine Rarität und unter Treckerfans sehr beliebt. Der 57-Jährige besitzt gleich vier Fahrzeuge der Marke Lanz: Zu dem D9506 mit 45 PS von 1939 kommt noch ein D6006 mit 60 PS von 1958, ein D2806 mit 28 PS von 1952 und ein Eilbulldog unbekannten Alters, den Sellentin noch liebevoll als "Schrotthaufen" bezeichnet. Das sei sein Projekt für die Rente.

"Lanz-Traktoren werden heute nicht mehr gebaut", weiß der Experte. Mitte der 50er Jahre wurde der Hersteller von der amerikanischen Firma John Deere aufgekauft. Bald schon verschwand das Namens-Etikett, das für robuste Maschinen stand, von der Karosse der Schlepper. "Die wollten damals nur die Kundschaft von Lanz haben", ist sich Gert Butschek sicher. Der 73-Jährige hilft Sellentin bei der Restaurierung und Instandhaltung der Trecker. Außerdem gehören beide der Interessengemeinschaft der Treckerfreunde Merzbach an.

Butschek hat bei Lanz gelernt, kennt die Arbeitsmaschinen also in- und auswendig. Selbst besitzt er 17 Traktoren verschiedener Hersteller. Über die Bulldogs gerät er regelrecht ins Schwärmen: "Das ist der Traum aller Treckerfans." Aber warum?, fragt sich der Laie. Die Geräte sind wuchtig, ihre Schnauze eher eckig und weit entfernt von weichen, runden und filigranen Linien. "Es ist das Martialische, was den Bulldog auszeichnet", meint der Landmaschinenmechanikermeister. Sellentin nickt zustimmend. "Den kannste mit allem fahren. Der ist robust und hat eine einfache Technik", so Butschek weiter.

Sellentin vertraut der Technik sogar so sehr, dass er mit dem Bulldog und angehängtem Wohnwagen auch schon in den Urlaub gefahren ist. Sieben Stunden habe er für die etwa 100 Kilometer bis zu einem Campingplatz bei Dasburg gebraucht. 100 Liter Diesel für die Hin- und Rückfahrt schluckte der Schlepper auf dem Weg. "Das war der schönste Urlaub, den ich je gemacht habe", erzählt er mit blitzenden Augen. Als nächstes Reiseziel steht Frankreich mit dem Eiler, wie der D6006 auch genannt wird, auf dem Plan. Bis dahin fährt Sellentin mit Ehefrau Bernadette zum Picknick. Oder holt Brennholz, bringt Schutt und Grünzeug weg oder präsentiert ein Gefährt im Flerzheimer Karnevalszug. Jeder Grund ist ein willkommener Grund, um einen der Traktoren anzuschmeißen.

Der Ursprung von Sellentins Leidenschaft liegt in seiner Kindheit. Als Zweijähriger sei er immer seiner Mutter zu Hause entwischt. Ziel war ein Feld, das sein Vater beackerte. "Er hat einem Bauern in Peppenhoven ausgeholfen", erinnert sich der gelernte Kfz-Mechaniker. Auf dem Beifahrersitz war er dann glücklich und zufrieden. "Das charakteristische Blubbern des Einzylinders ist im Kopf geblieben", sagt er.

Jahrzehnte später entdeckte Sellentin den 45er in Kardorf. "Eigentlich wollten wir einen Rasenmäher kaufen", sagt er und lacht. Bei dem Anblick war sofort das Geräusch wieder da. Beides landete letztendlich in Merzbach. Für 9000 Mark wechselte der Bulldog damals den Besitzer. "Heute könnte ich den nicht mehr bezahlen", ist Sellentin sicher. 15.000 Euro aufwärts koste das Modell nun- unrestauriert versteht sich.

Für seine Traktoren hat Sellentin eigens eine eigene kleine Halle auf seinem Grundstück gebaut. Auf die Frage, ob es noch ein Modell gäbe, dass er gerne hätte, schweigt er kurz, ehe er antwortet: "Mehr Trecker passen nicht in meine Garage."

Treckerfreunde Merzbach

Reinhard Sellentin und Gert Butschek gehen regelmäßig zu den Treffen der Treckerfreunde Merzbach. Einmal im Monat besprechen sie und rund 20 weitere Traktorfans Problemchen und Erfolge rund um die Landmaschinen. Die Interessengemeinschaft hat sich Ende der 90er Jahre gefunden, als Gründungsmitglied Wilfried Krings einen Traktor aus den 30er Jahren erbte. Gemeinsam können die Treckerfreunde die landwirtschaftliche Geschichte vom Flegel bis zur Dreschmaschine der 50er Jahre mit ihren Maschinen zeigen. Neugierige Gäste sind immer willkommen.

Treffpunkt ist die Gaststätte "Alt-Merzbach", Merzbacher Straße 45, am letzten Mittwoch im Monat ab 19 Uhr.

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