Interview mit Gerd Köster "Der FC ist fast beängstigend seriös"

RHEINBACH · Der Kölner Sänger Gerd Köster im Gespräch am Wochenende über seinen Auftritt in Rheinbach und seine Liebe zur Südstadt und zum 1. FC Köln.

 Im Café Sur in der Südstadt: "Das ist mein Büro", sagt Gerd Köster.

Im Café Sur in der Südstadt: "Das ist mein Büro", sagt Gerd Köster.

Foto: Hans-Peter Fuß

Der Mann braucht kein Instrument. Sein Instrument ist seine Stimme. Und die knarzt, quietscht, säuselt, brummt oder zischt seine Texte zur Musik seines alten Kumpels Frank Hocker. Vorwiegend Blues, aber auch Folk und Country. Gerd Köster, 57, ist der kölscheste unter allen kölschen Sängern, signiert Platten mit "Jächt". Der in Nippes Geborene singt und spricht Dialekt. Sein Sprachwitz kennt keine Kompromisse. Halbhochdeutsches Studenten-Kölsch, wie er es nennt, mag er überhaupt nicht.

Gesprächstermin im Café Sur mitten in der Kölner Südstadt. Frühlingssonne. Man kann wieder draußen sitzen. Köster trinkt Milchkaffee, die E-Zigarette im Anschlag. Eine Woche vor seinem Konzert in Rheinbach redet er über sein Veedel, die neue CD "Kumm jangk" und über den 1. FC Köln. Mit Köster sprach Hans-Peter Fuß.

Warum treffen wir uns gerade hier?
Gerd Köster: Das Café ist quasi mein Büro. Ich wohne ja hier um die Ecke und bin öfters hier. Der Inhaber ist ein Argentinier, ein Vizeweltmeister.

Hat er die Endspielniederlage inzwischen verdaut?
Köster: Ich denke schon. Er hat eingesehen, dass der deutsche Sieg insgesamt verdient war.

Sie rauchen E-Zigarette....
Köster: Ich habe bis vor einem Jahr 30 Selbstgedrehte geraucht. Nikotin-Kaugummi schmeckt nicht, das Pflaster bringt nix. Die Ärzte sollten mal propagieren, wie gut die E-Zigarette für die Volksgesundheit ist.

Sie leben schon 30 Jahre in der Südstadt. Was hält Sie hier?
Köster: Die Sprache, die Leute. Ich bin aber nicht stolz darauf, in Köln geboren zu sein. Denn das war Zufall, kein Verdienst. Ich finde die Südstadt sehr lebenswert. Trotz allem Driss, den man kritisieren könnte. Aber den findet man auch anderswo. Hier lebt ein buntes Gemisch aller möglichen Leute: Musiker, Kulturschaffende, alte Kölner Straßenköter.

In Ihren Liedern beschreiben Sie immer wieder skurrile Typen der Marke "Sackjeseech". Gibt es in Köln mehr davon als anderswo?Köster: Nein, das glaube ich nicht. Beispielsweise Typen, die glauben, sie wären der King, obwohl sie noch nix geleistet haben, gibt es überall.

Haben die Figuren reale Vorbilder?
Köster: Manchmal ja. Der Typ, der gerne Falschparker aufschreibt, wohnt hier um die Ecke. Andere Figuren setze ich quasi aus Bruchstücken verschiedener Charaktere zusammen. Ich mache mir Notizen, halte Beobachtungen fest oder verwerte Zeitungsmeldungen. Daraus entstehen dann oft Jahre später meine Texte.

Haben Sie ein zwiespältiges Verhältnis zu Ihrer Heimatstadt? Vor Jahren haben Sie auf der CD "Dreckelije Krätzje" davon geträumt, wie schön "Kölle ohne Kölsche" sein könnte.
Köster: Nein, ich mag die Stadt. Ich lebe gerne hier. Aber auch in Köln ist die Mutter aller Arschlöcher immer schwanger.

Sie mögen den Karneval nicht besonders?
Köster: Der Karneval an sich ist in Ordnung. Die Teilnahme am Sitzungskarneval hat mir mein Nervenarzt aber strengstens verboten. Als Kölner schäme ich mich oft für das, was einem im Fernsehen als kölsches Brauchtum verkauft wird. Dieses knubbelige unechte Kölsch, damit es auch jeder im Land versteht! Außerdem ist der Sitzungskarneval verballermannt.

Welchen Humor schätzen Sie?
Köster: Da bin ich nicht festgelegt. Die einzige Kategorie ist: Lustig oder nicht lustig. Ich bin auch dagegen, bestimmte Personengruppen auszuschließen. Humor hat immer Opfer. Auch Behinderte machen Witze über ihre Behinderungen. Warum sollte man sie ausschließen? Erst das wäre diskriminierend.

Wie kamen Sie zur Musik?
Köster: Die Stones waren der Urknall. Obwohl ich als Junge die Texte nicht verstand, wusste ich: Da ist irgendwas anders als bei anderen Bands. Ich war 1970 als 13-Jähriger beim Stones-Konzert in Köln. Dabei teilte Mick Jagger dem Publikum mit, dass Jimi Hendrix gerade gestorben war.

Welche Stücke der Stones haben Sie besonders elektrisiert?
Köster: Das waren Gimme Shelter, Wild Horses und fast alle andern Songs aus der Zeit zwischen 1968 und 1973.

Welche Musik hören Sie heute gerne?
Köster: Ry Cooder, Dr. John, Arcade Fire, Paul Weller, Icke & Er, Augsburger Puppenkiste, Radiohead und viele andere.

Was bekommen die Zuhörer in Rheinbach geboten?
Köster: Eine Mischung aus kleinen kuriosen Geschichten, Blues, Country, Rock, etwas Ragtime, Lebensfreude, Sarkasmus und Melancholie. Für mich ist das kein Widerspruch, so ist das Leben. Meine Freunde Frank Hocker und Helmut Krumminga an den Gitarren sind auch dabei. Schwerpunkt des Konzerts ist natürlich die aktuelle CD "Kumm jangk".

Hört sich schwer nach kölscher Dialekt-Dialektik an.
Köster: Ja, quasi Gossen-Gegensätze: Jo nä, saach hörens, kumm jangk.

Kennen Sie Rheinbach?
Köster: Nein, das wäre übertrieben. Anfang der 1980er Jahre haben wir mal mit Schroeder Roadshow da gespielt.

In "Leis' rieselt et Hätz" beklagen Sie einen kalten Kapitalismus.
Köster: Das Lied ist ein Ausdruck der Ratlosigkeit. Seit der Kapitalismus frei agieren darf, regiert nur noch die Kohle. Was kann man schon dagegen tun, außer am Tag drei Petitionen gegen irgendwas anzuklicken? Man kann nur versuchen, im privaten und beruflichen Umfeld nicht raubtierhaft miteinander umzugehen.

Auch die neue weichgespülte Konsenskultur bekommt im Lied "Jrön" ihr Fett weg.
Köster: Die Grünen sind doch die neuen Spießer. Welch ein Schwachsinn, Kinderbücher umzuschreiben, weil darin das Wort "Hexe" vorkommt. Das fordern Leute, die in die Toskana und auf Kreta in Urlaub fahren und dort das Leben der einfachen Leute loben, auf diese hier im Veedel aber herabsehen.

Sie beziehen in Ihren Liedern oft politisch klar Position. Sind Sie dazu erzogen worden?
Köster: Nein. Vielleicht ist es eine Trotzhaltung. Meine Mutter hat mich immer dazu angehalten, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Das kann es aber nicht sein, habe ich mir als Kind schon gedacht.

Sie haben 1992 beim Festival "Arsch huh" gegen Ausländerfeindlichkeit teilgenommen. Machen Ihnen Entwicklungen wie "Pro Köln" oder "Pegida" Sorgen?
Köster: Diese Geisteshaltung hat es immer gegeben. Solange es einem selbst wirtschaftlich gut geht, kommt sie nicht so zu Tage. Rassisten gehören auf den Mond geschossen.

2005 haben Sie mit Frank Hocker das Album "Silberhochzeit" rausgebracht, weil Sie seit 25 Jahren zusammen auftreten. Schaffen Sie auch noch die Goldhochzeit?
Köster: Mal sehen. Ich habe ja jetzt mit dem Rauchen aufgehört.

Was ist Ihr nächstes Projekt?
Köster: Wir arbeiten an Live-Mitschnitten für eine CD, die im Herbst erscheinen soll. Außerdem basteln wir an Songs für eine neue Studio-CD. Bis die erscheint, wird es aber noch etwas dauern.

Wie gefällt Ihnen Ihr FC?
Köster: Die Champions League ist noch weit weg. Der FC muss sich an Mainz und Augsburg orientieren. Den Stinke-Fußball, den die zurzeit spielen, habe ich eigentlich immer gehasst. Aber er ist unangenehm für den Gegner. Ich finde den FC im Moment beängstigend seriös, geradezu unkölsch sachlich.

Zur Person

Gerd Köster, 57, stammt aus Köln-Nippes. Bei Grün-Weiß Nippes stand er im Tor, spielte in der C-Jugend-Mittelrheinauswahl mit den späteren Profis Dieter Prestin und Wilfried Hannes. Nach Abitur und Zivildienst in einem Altenheim wird er 1978 Sänger der Band Zarah Zylinder. 1979 wechselt er zur Anarcho-Rockband Schroeder Roadshow, die Anfang der 80er zu den beliebtesten Bands in Deutschland gehört. 1989 starten Köster und Pianist Matthias Keul das Projekt "The Piano has been drinking": Er übersetzt Songs von Tom Waits ins Kölsche. Seit 1996 und der CD "Dreckelije Krätzje" ist Köster mit Frank Hocker unterwegs, unterstützt vom früheren BAP-Gitarristen Helmut Krumminga.

Das Konzert von Köster und Hocker am Freitag, 27. März, 19.30 Uhr, in Rheinbach ist bereits ausverkauft.

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