Kriegsende in Rheinbach Bis zum Mittag war der Krieg vorbei

RHEINBACH · Vor 70 Jahren fuhren die Amerikaner ins kaum noch bewohnte Rheinbach ein.

 Einfahrt eines Rot-Kreuz-Jeeps in die Münstereifeler Straße in Rheinbach.

Einfahrt eines Rot-Kreuz-Jeeps in die Münstereifeler Straße in Rheinbach.

Foto: Stadtarchiv Rheinbach

Bitterkalt war die Nacht und stürmisch obendrein, der Regen wollte nicht enden. Schwarze Wolkenfetzen hingen am Himmel über Oberdrees am noch jungen Morgen des Tages, an dem in Rheinbach der Zweite Weltkrieg vorbei war. Morgen vor 70 Jahren fuhren amerikanische Soldaten in die nach schweren Bombenangriffen Wochen zuvor kaum noch bewohnte Glasstadt.

Peter Loben aus Oberdrees fühlt sich unwohl in seiner Haut - nicht nur der alles andere als anheimelnden Temperaturen wegen. Zusammen mit einem Kumpel vom Volkssturm harrt der spätere Oberdreeser Gemeindevorsteher in der Nacht zum 6. März 1945 an der Panzersperre am Ortsausgang nach Essig aus. Beide fühlen sich verlassen, haben Angst, wie Loben später niederschreibt.

Es muss kurz nach Mitternacht gewesen sein, als ein Panzer auf sie zurollt. "Ich bin der letzte deutsche Panzer, dann kommen die Amis", ruft der fliehende Wehrmachtssoldat dem Duo zu, berichtet Peter Mohr, profunder Kenner der Geschichte Rheinbachs, im Gespräch mit dem GA. Gegen 3 Uhr hören Loben und sein Kumpel das dumpfe Rasseln von Panzerketten sowie Stimmengewirr. Sie verlassen ihre Panzersperre.

Oberdrees kommt unter Feuer

Dieses Mal sind es Panzer amerikanischer Bauart, die ihr Kommen ankündigen. Oberdrees kommt unter Feuer - etwa mit Phosphorgranaten. Ein Bewohner stirbt, der Brand kann gelöscht werden. Um 5.15 Uhr, so die Erinnerung Lobens, trifft er auf einen Deutsch sprechenden Amerikaner, der nach deutschen Soldaten fragt und befiehlt, dass die Oberdreeser sofort aus Kellern und Bunkern in die Kirche kommen sollen. Nach der Durchsuchung des Dorfes dürfen um 8 Uhr alle Frauen und Kinder, um 10 Uhr dann die Männer in ihre Häuser zurück.

Zur selben Zeit beginnen die US-Truppen, auf Rheinbach vorzurücken. Deutsche Artillerie beschießt Oberdrees, nach Mohrs Erkenntnis von Buschhoven aus. "Die letzten Kriegstoten sind eine Großmutter, ihre Tochter und zwei Enkel", so Mohr. In der Kernstadt selbst leben nach den schweren Bomben- und Tieffliegerangriffen im Januar kaum noch Menschen. Viele flohen in umliegende Ortschaften - bis nach Kommern, erinnert sich Zeitzeugin Gertrud Limbach, mit der Mohr 2010 spricht.

Blick in die Pfarrchronik

In der Pfarrchronik, die Stadtarchivar Dietmar Pertz aufgehoben hat, notiert Rheinbachs Pfarrer Josef Bertram, dass die Einwohner die Nacht auf den 6. März in den Kellern verbracht haben. "Immer wieder wurde die Stille der Nacht zerrissen von dem Dröhnen der Geschütze, das immer näher kam", schreibt Bertram. Am Morgen bereiteten sich sehr viele Katholiken in den Kellern durch die heilige Kommunion auf die schweren Stunden vor. "Aber gegen Erwarten erfolgte die Besetzung der Stadt ohne besondere Schrecken", so der Gottesmann.

Der Volkssturm habe völlig versagt, und gegen 11 Uhr standen die amerikanischen Soldaten plötzlich in den Straßen, schildert der Pastor. Noch vor dem Mittag ist der Krieg vorbei. "Der Bevölkerung fiel es wie ein Alb von der Seele, dass sie jetzt wenigstens nicht mehr unter den Fliegerangriffen würde zu leiden haben." Was Mohr auffällt: Auf das Ende der Nazi-Diktatur kommt der damalige Dechant nicht zu sprechen - wohl noch unter dem Eindruck, dass ihm die Nazis Zeit seines Wirkens auf die Finger guckten.

Gertrud Limbach erinnert sich an den einen Satz, den sie ihr Lebtag nicht vergessen sollte: "Guten Tag, für Sie ist nun der Krieg beendet. Sie dürfen zurück nach Rheinbach in ihre Wohnungen gehen", sagt ein junger US-Offizier in akzentfreiem Deutsch zu ihr.

Der erste Aufruf des amerikanischen Ortskommandanten an die Rheinbacher

An die Bevölkerung, zugesandt mit der Bitte, die Bekanntmachung während des Sonntagsgottesdienstes zu verlesen:

Die Militärregierung übt ihre Tätigkeit in dem eroberten Teil Deutschlands aus.

Viele der jetzigen Verordnungen mögen streng erscheinen und vielleicht sind sie es auch. Aber bis die Rheinbacher Bevölkerung zeigt, daß ihr mehr Freiheit gebührt, bleiben die Bestimmungen, wie sie jetzt sind.

Man weiß, daß die Felder bestellt werden müssen, daß Transportmittel benötigt werden, um Nahrungsmittel und sonstiges herbeizuschaffen, daß die ärztliche Betreuung gesteigert werden muß, daß das Krankenhaus wieder in Ordnung gebracht und daß die Wasserversorgung ebenfalls wiederhergestellt werden muß. Der Viehbestand muß gehütet werden, die hygienischen Zustände sind schlecht, Nahrungsmittel und Kleidung müssen aus den jetzt von alliierten Truppen besetzten Häusern geholt werden und dergleichen Nöte mehr.

Alle diese Dinge sind wichtig und können in kurzer Zeit gebessert und behoben werden.

Militärische Erfordernisse gingen erst vor, doch bald können die anderen Wünsche berücksichtigt werden. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, daß jedermann alle Gesetze, Verordnungen und Bekanntmachungen genau befolgt, damit umso schneller mehr Freiheit gewährt werden kann.

Euer Bürgermeister braucht Eure Mitarbeit. Gebt sie ihm. Denkt daran, daß die amerikanischen Soldaten als Eroberer, nicht aber als Unterdrücker kommen.

Der Bürgermeister Rheinbach,

dem 17.3.45

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