Interview mit Alexander Kerkow "Billige Angebote sind nicht immer die Besten"

RHEINBACH · Mitarbeiter des DRK, der Johanniter Unfallhilfe und des Malteser Hilfsdienstes (MHD) rufen am Samstag, 29. März, zu einer kreisweiten Demonstration auf. Was MHD, DRK und Johanniter genau umtreibt, wollte Axel Vogel von Mitorganisator Alexander Kerkow, stellvertretender Leiter der Rettungswache Rheinbach des Malteser Hilfsdienstes, wissen.

Um 10 Uhr treffen sich Teilnehmer vor der Siegburger Feuerwache, um dann zum Kreishaus zu ziehen, wo es um 12.15 Uhr eine Abschlusskundgebung gibt. Damit wollen rund 350 Rettungskräfte im Rhein-Sieg-Kreis ihre Sorgen und Nöte öffentlich machen, angesichts einer immer noch im Raum stehenden, EU-weiten Ausschreibung der rettungsdienstlichen Leistungen.

Herr Kerkow, Sie haben erneut in einem offenen Brief an Landrat Frithjof Kühn Bedenken gegen eine Ausschreibung formuliert. Warum ist ein in anderen Bereichen gängiges Verfahren, das etwa für mehr Wettbewerb sorgen soll, hier nicht zielführend?
Alexander Kerkow: Im Gegensatz zu Ausschreibungen wie Bauleistungen sind rettungsdienstliche Leistungen auf Dauer angelegt. Wie wir an Fällen wie dem WCCB sehen, sind billige Angebote nicht immer die Besten. Wir im Rettungsdienst qualifizieren unsere Mitarbeiter über Jahre hinweg. Wir schaffen Perspektiven, dass etwa im Falle von Arbeitsunfähigkeit andere Aufgaben durch Mitarbeiter übernommen werden können. Wir bieten die Möglichkeit, Strategien zu erlernen, um mit belastenden Einsätzen umzugehen.

Aber auch der Rettungsdienst muss sich doch Effektivitätsbemühungen stellen.
Kerkow: Wir stellen uns nicht gegen Transparenz, Gleichheit und Wettbewerb. Im Bereich des Krankentransportes sind die Gebühren seit zwölf Jahren konstant. Obwohl in dieser Zeit tarifliche Lohnerhöhungen und Spritpreiserhöhungen anstanden. Erreicht haben wir dies durch bessere Auslastung der Fahrzeuge und die Bereitschaft der Kollegen, kurzfristige Spitzen durch Mehrarbeit aufzufangen. Zum Thema Gleichheit kann ich nur sagen, dass wir im Vergleich zu anderen Bereichen der Gefahrenabwehr wie Polizei und Feuerwehr seit Jahren nicht gleich behandelt werden. Der Kreistag hat dies in seiner Resolution vom 27. Juni 2013 ebenfalls festgestellt. Unsere Kollegen erleben in ihren Einsätzen tagtäglich das Leid und den Tod von Menschen. Wir im Rettungsdienst sollen uns aber nun alle vier Jahre einem Ausschreibungsverfahren stellen. Das kann nicht sein.

Warum sollte etwa ein Anbieter aus den Niederlanden den Dienst qualitativ weniger effizient anbieten können, als ortsansässige Organisationen?
Kerkow: Reden wir hier über den Bereich der Ortskenntnis. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein neuer Anbieter sich in den ländlichen Bereichen des Rhein-Sieg-Kreises ebenso auskennt, wie unsere erfahrenen Kollegen. Sicherlich können neue Kollegen dies auch erlernen, aber welche Zeit legen wir dafür zugrunde? Im Rettungsdienst geht es um Sekunden und Minuten. Wir legen großen Wert auf die Tatsache, dass junge Kollegen von Erfahrenen lernen. Das kann nicht ausgeschrieben werden, stellt aber für uns einen elementaren Teil der Qualität im Rettungsdienst dar. Der Arbeitsplatz Rettungswagen ist nahezu identisch mit einer Intensivstation im Krankenhaus. Wir arbeiten im Team, kennen uns und müssen nicht bei jedem Einsatz erneut klären, wer welche Aufgaben übernimmt. Als jüngstes Beispiel möchte ich die Bombendrohung an einer Realschule in Troisdorf nennen. Innerhalb von Minuten waren zusätzliche Rettungsmittel besetzt. Glaubt der Rhein-Sieg-Kreis wirklich, dass dies ein Anbieter leistet, welcher lediglich profitorientiert agiert? Ehrenamtliche Tätigkeit bei fallenden Löhnen, hier ist ein Zusammenbruch bewährter Strukturen vorprogrammiert.

Das Europa-Parlament hatte unlängst eine Ausnahmeregelung zum europäischen Vergaberecht beschlossen. Doch der Kreis betonte, weiterhin zur Ausschreibung rettungsdienstlicher Leistungen verpflichtet zu sein. Wie bewerten Sie die Situation
Kerkow: Die Europäische Union hat die Möglichkeit geschaffen, elementare Teile der Daseinsfürsorge aus dem sonst geltenden Vergaberecht herauszunehmen. Das Argument der Verwaltung ist, dass diese Regelung noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist. Der Landrat hat unserer Argumentation bei der Übergabe von 2000 Unterschriften gegen die Ausschreibung, im August 2013, größtenteils Recht gegeben und in seinen Erklärungen darauf verwiesen, dass nicht nur der Preis, sondern auch Qualitätskriterien eine Rolle spielen. Wir sind voller Sorge, dass dieser Aussage leider keine Taten folgen.

Zur Person

Alexander Kerkow ist 39 Jahre alt, wurde in Rheinbach geboren, ist verheiratet, hat zwei Kinder und arbeitet seit 1994 beim Malteser Hilfsdienst. Zunächst absolvierte er 1996 die Ausbildung zum Rettungsassistenten in Werdau, bei Zwickau. Hauptberuflich als Rettungsassistent ist er seit 1998 auf der Rettungswache in Rheinbach tätig. Es folgten Weiterbildungen wie zum Lehrrettungsassistent und zum organisatorischen Leiter Rettungsdienst. Derzeit ist Kerkow stellvertretender Wachleiter der Rettungswache Rheinbach und Dozent an der Malteser Schule Bonn.

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