Spurensuche im Rheinbacher Stadtwald Aufräumen, bevor die Käfer kommen

RHEIN-SIEG-KREIS · Käme Filmregisseur Peter Jackson auf die Idee, weitere Fantasy-Epen aus der Feder von J. R. R. Tolkien zu verfilmen, wie er es bereits angekündigt hat, so müsste seine Crew nicht bis nach Neuseeland reisen, um spektakuläre Naturkulissen zu finden.

 Arne Wollgarten, Revierleiter im Forstbetriebsbezirk Vorgebirge, vor einer Parzelle nahe der Schmalen Allee bei Witterschlick. Dort wurden viele Bäume durch den Sturm entwurzelt.

Arne Wollgarten, Revierleiter im Forstbetriebsbezirk Vorgebirge, vor einer Parzelle nahe der Schmalen Allee bei Witterschlick. Dort wurden viele Bäume durch den Sturm entwurzelt.

Foto: Roland Kohls

Im Rheinbacher Stadtwald sieht es derzeit an vielen Stellen so aus, als hätten sich mächtige Riesen um machtvolle Schätze gestritten - und dabei manche Bäume umgestupst. Dabei war es Sturmtief Niklas, das in der Region seine Spuren hinterlassen hat. Der General-Anzeiger begab sich auf Spurensuche.

Kreuz und quer liegen die Bäume etwa an der Weiler Kante in Rheinbach. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 150 Stundenkilometern wirbelte Niklas Ende März, Anfang April mehr als zwei Tage lang über Deutschland hinweg. Der außergewöhnlich nasse Winter half dem Sturmtief bei seinem zerstörerischen Werk.

"Die Böden sind aufgeweicht, dadurch hatte der Sturm ein leichtes Spiel - vor allem mit den Fichten", berichtet Rheinbachs Stadtförster Sebastian Tölle und blickt sich um. "Alles, was schief steht, muss weg." Der Diplom-Forstingenieur schätzt, dass allein in seinem Revier rund 1000 Festmeter Holz angefallen sind. "Das ist so viel Nadelholz, wie wir sonst in einem Jahr schlagen."

Als finanzieller Schaden schlagen die umgewehten Bäume aber nicht zu Buche, das Sturmholz lässt sich gut vermarkten. "Die sind uns ins Geld gefallen", heißt es in der Fachsprache. Hintergrund: Da die Mengen an Holz nicht so umfangreich sind, wie beispielsweise beim Orkan Kyrill vor acht Jahren, könne es der Holzmarkt problemlos aufnehmen. "Die Holzpreise sind aktuell gut bis sehr gut", erklärt Tölle.

Das Chaos an der Weiler Kante ist so allumfassend, dass sich mächtige Fällmaschinen - Harvester genannt - seiner annehmen müssen. "Das kann ich den Mitarbeitern nicht antun. Die Bäume stehen noch enorm unter Spannung." Darum sei der Einsatz viel zu gefährlich.

Apropos Gefahr: Der Rheinbacher Stadtförster appelliert an den gesunden Menschenverstand, während eines Sturms - und auch direkt danach - nicht den Wald aufzusuchen. In den Tagen nach Niklas haben die Waldarbeiter ganze Arbeit geleistet. Nach zwei Tagen seien alle Waldwege wieder geräumt gewesen. Doch nicht nur in und um Rheinbach hat es mächtig gerumst.

"Ein Schwerpunkt des Sturmtiefs lag im Vorgebirge", meint Arne Wollgarten, Revierleiter im Forstbetriebsbezirk Vorgebirge und zuständig für den Privat- und Kommunalwald in den Gemeinden Swisttal und Alfter und der Stadt Bornheim.

Beim Privatwald beschränkt sich seine Zuständigkeit auf die Teile, die durch den Landesbetrieb Wald und Holz NRW betreut werden. In einem ersten Schritt seien in der ersten Aprilwoche die Waldwege wieder freigeschnitten worden, so Wollgarten. Noch vor Ostern seien sie wieder für den Erholungsverkehr passierbar gewesen.

In diesen Tagen beginnt der Revierleiter mit seinem Team, die entwurzelten und geknickten Bäume aufzuarbeiten und auf den Markt zu bringen. "Zu 80 bis 90 Prozent ist die Fichte betroffen, weil sie flach wurzelt", so Wollgarten. Die Sturmschäden bewegten sich in Bornheim und Alfter in einer Größenordnung von 2000 bis 2500 Festmeter.

Wollgarten: "Das entspricht einem Drittel des gesamten Jahreseinschlags." Das Holz sei aber nutzbar und werde vermarktet. Erst in den kommenden Jahren mache sich der wirtschaftliche Schaden bemerkbar, vermutet Wollgarten. Denn die entwurzelten Bäume hätten zum großen Teil ihren höchsten Verkaufswert noch nicht erreicht.

Bis Juni werden nun die Schäden beseitigt. Dass Waldarbeiter derzeit gut zu tun haben, hat einen bestimmten Grund: Die Zeit drängt, denn es droht ein Borkenkäferbefall. Bei höheren Temperaturen vermehrt sich das Insekt, im absterbenden Fichtenholz findet es laut Wollgarten ideale Bedingungen vor. Bleiben die toten Bäume zu lange liegen, befallen die Käfer auch gesunde Fichten. "Die Larven des Käfers töten den Baum", berichtet Tölle.

Finden die Schädlinge solch ideale Brutbedingungen, hat das Folgen: "Die können sich dreimal im Jahr vermehren - das wäre dann ein Horrorjahr." Wollgarten und Tölle bitten die Waldbesucher in der Region um Verständnis für die laufenden Arbeiten sowie um erhöhte Wachsamkeit und Vorsicht bei der Waldnutzung - bis alle Sturmhölzer beseitigt sind.

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