Volkshochschul-Exkursion Auf den Spuren der GIs

RHEINBACH/REMAGEN · Das, was später in die Weltgeschichte eingehen sollte, dürfte an jenem 7. März 1945 zwischen 7 und 8.20 Uhr seinen Anfang genommen haben.

 Mahnmal und Stätte der Erinnerung: Die Remagener Brückentürme heute, die Ziel der Exkursion war. Die Teilnehmer machten dich dabei auf den Weg auf jener Route, auf der die US-Truppen am 7. März 1945 nach Remagen vorstießen.

Mahnmal und Stätte der Erinnerung: Die Remagener Brückentürme heute, die Ziel der Exkursion war. Die Teilnehmer machten dich dabei auf den Weg auf jener Route, auf der die US-Truppen am 7. März 1945 nach Remagen vorstießen.

Foto: Axel Vogel

Zu dieser Zeit begann die Einheit des deutschstämmigen US-Leutnants Karl H. Timmermann ihren Vorstoß von Meckenheim aus in Richtung Rhein. Einige Stunden später gelang Timmermanns Soldaten, womit kaum ein führender US-Militär im Zweiten Weltkrieg gerechnet hatte: die Eroberung der Ludendorff-Eisenbahnbrücke in Remagen, der einzig intakt gebliebenen Brücke über den Rhein.

Wenige Kilometer Luftlinie entfernt vom Ausgangspunkt jener berühmten Ereignisse, trafen sich 70 Jahre später auf den Tag und fast die Uhrzeit genau 20 Exkursionsteilnehmer am Rheinbacher Bahnhof.

Die Volkshochschule (VHS) Meckenheim-Rheinbach-Swisttal führte aus ihrer Themenreihe "Vor 70 Jahren - als der Krieg nach Deutschland kam" nach Fahrten in den Hürtgenwald und das Gebiet der Ardennenoffensive 1944 nun schon die dritte Exkursion durch.

Der Leiter der VHS, Adrian Grüter, hatte für die Spurensuche am Samstag einen Fachmann eingeladen. Der pensionierte Bundeswehroffizier Peter Baus aus Rheinbach, der neben der VHS auch für Bundeswehr und Volksbund Exkursionen zu den Schlachtfeldern der Weltkriege leitet, nahm die Teilnehmer mit auf jene Route, auf der die US-Truppen an jenem 7. März 1945 nach Remagen vorstießen.

Als sich die Teilnehmer gegen 9 Uhr vor einem kleinen Bus am Rheinbacher Bahnhof sammeln, ist der Zweite Weltkrieg weit weg. Noch. Denn Exkursionsleiter Baus startet rasch eine höchst interessante Zeitreise. Dabei hilft ihm eine große Lagekarte vom März 1945, die er an einer Laterne festmacht.

Zu sehen sind die Truppenbewegungen der Amerikaner, welche die Wehrmacht nach deren gescheiterter Ardennenoffensive auf breiter Front in Richtung Rhein zurückdrängen. Im Zuge des Vorstoßes der US-Truppen wurden die in Vormarschrichtung liegenden Städte und Ortschaften von taktischen Luftstreitkräften der US-Armee bombardiert und schwer zerstört.

Vorstoß Richtung Remagen
So auch Rheinbach und Meckenheim, zuletzt am 2. und 5. März 1945. Schwere Bombenangriffe hatte es zuvor vor allem auf Rheinbach gegeben, dessen Bahnhof ein wichtiger Umschlagplatz für Nachschub war. Zudem befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft ein Feldflugplatz für Jagdflugzeuge, im Stadtwald lag nach Wissen von Baus ein Munitionsdepot der Wehrmacht sowie eine Feuerstellung des V2-Raketensystems.

US-Truppen besetzten am 6. März Rheinbach und das benachbarte Meckenheim. Von dort aus brach am Morgen des 7. März auch Timmermanns Einheit, die A-Kompanie des 27. Panzerinfanterie-Bataillons, auf. Ihr Auftrag lautete, erzählt Baus: "Vorstoß zum Rhein in Richtung Remagen." Auf der Straße, die die GIs in langen Kolonnen mit Panzern und gepanzerten Fahrzeugen genommen hatten, war auch die Exkursion von Baus unterwegs. Über Adendorf und Arzdorf ging die Fahrt bis nach Fritzdorf, wo es damals zu einem ersten Gefecht kam: Deutsche Truppen hatten eine Straßensperre errichtet und feuerten auf die US-Truppen.

Aufhalten konnte das die Amerikaner aber eben so wenig wie weiterer Widerstand in Överich und Niederich. Militärfachmann Baus erklärt, warum: "Bei den wenigen verbliebenen deutschen Truppen handelte es sich um schwache Alarm- und Volkssturmeinheiten von geringem Gefechtswert."

Zum Beispiel verfügte der Kampfkommandant von Remagen zur Verteidigung der Brücke neben der dort eingesetzten Pionierkompanie nur über 36 Soldaten, eine Abteilung des Reichsarbeitsdienstes, den Volkssturm Remagen und andere zusammengewürfelte schlecht ausgerüstete Gruppen von Soldaten rückwertiger Dienste.

Die Brücke ist noch intakt
Gegen 10 Uhr erreicht Baus mit seiner Gruppe dann über die Birresdorfer Straße (L 79) das Waldschlösschen, ein ehemaliges Ausflugslokal oberhalb Remagens. Hier machten auch die Amerikaner an jenem 7. März etwa zur selben Zeit Halt. Einen Steinwurf von der ehemaligen Schänke entfernt, öffnet sich im Wald ein Aussichtspunkt, der einen weiten Ausblick auf das Rheintal eröffnet. Von dort versuchten damals auch amerikanische Soldaten, sich ein Lagebild zu machen.

Beim Blick durchs Fernglas erkannten sie zu ihrer großen Verwunderung: Die Ludendorffbrücke war noch intakt, anders als alle anderen Rheinbrücken in der Umgebung. "Es ist für die Verteidiger militärisch immer eine schwierige Frage, wann der richtige Zeitpunkt für eine Sprengung ist", erklärt Peter Baus. Die Brücke war zur Sprengung vorbereitet, aber die deutschen Brückenverteidiger wollten sie laut Baus "so lange wie möglich als Rückzugsweg für Wehrmachtsverbände offenhalten".

Sofort setzten die US-Befehlshaber die Kompanie von Leutnant Timmermann zur Eroberung der Brücke in Marsch. Die Volkshochschulgruppe macht sich ebenfalls dorthin auf, um sich von Baus im Schatten der Brückenpfeiler in Remagen erklären zu lassen, was am 7. März 1945 genau geschah.

Am "Jubiläumstag" zieht es auch viele andere Interessierte, wie etwa die Liebhaber von alter US-Militärtechnik, an den geschichtsträchtigen Ort. Sie treffen sich am Rheinufer mit restaurierten Jeeps und Trucks. Mit solchen Fahrzeugen dürften Timmermann und seine Leute damals gegen 15 Uhr in Richtung Brücke gefahren sein.

Die deutschen Truppen hatten sich über die Brücke auf das Ostufer des Rheins, in den Tunnel unter der Erpeler Ley, zurückgezogen. Zwar war es gegen 14.35 Uhr noch gelungen, die Zufahrtsrampen zur Brücke zu sprengen. Aber die nur 20 Minuten später erfolgte Hauptsprengung schlug fehl, führt Baus aus. "Die Brücke hob sich ein Stück weit aus ihrem Lager, um dann wieder unbeschadet zurückzusacken." Warum die Sprengung misslang, gibt bis heute Rätsel auf.

Timmermann nutzte die Gunst der Stunde zu einem Angriff, worauf die Verteidiger gegen 17.30 Uhr kapitulierten. So wurde letztlich "ein soldatisch gut gemachter Handstreich, aber strategisch schlecht vorbereiteter Angriff von Erfolg gekrönt", meint Exkursions-Teilnehmer Reinhard Stumpf, ein pensionierter Militärhistoriker aus Rheinbach. Der Handstreich ermöglichte den Amerikanern auf alle Fälle, innerhalb von 24 Stunden 8000 Mann mit Panzern und anderen schweren Waffen über den Rhein zu führen, ergänzt Baus.

Auch wenn die Brücke wenig später - am 17. März 1945 - plötzlich und ohne Feindeinwirkung in sich zusammenbrach, möglicherweise wegen vorheriger Beschädigungen, ist Teilnehmerin Jutta Mebold froh, dass diese so lange intakt geblieben ist. Die 73 Jahre alte Meckenheimerin hatte aus ganz persönlichen Gründen an der Zeitreise teilgenommen.

Sie vermutet, dass die Brücke von Remagen ihrem Vater, der als Soldat in Metz der Fahnenflucht beschuldigt worden war, in den letzten Tagen des Krieges den Rückweg in Richtung Osten ermöglich hatte. Für ihre Familiengeschichte wäre damit der viel zu spät erfolgte Sprengungsbefehl ein Segen gewesen.

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