27-jähriger "Kleber" verurteilt Angeklagter klebte Schlösser mit Sekundenkleber zu

RHEINBACH · Wegen vierfacher Sachbeschädigung an öffentlichen Gebäuden wurde ein 27-jähriger Bonner vor dem Rheinbacher Amtsgericht am Dienstag zu hundert Tagessätzen zu je zehn Euro - zusammen also 1000 Euro - sowie im Vergleich mit der geschädigten Gemeinde Swisttal im Adhäsionsverfahren zur Zahlung von 6000 Euro verurteilt.

 Mit Plakaten suchte die Polizei nach dem "Kleber".

Mit Plakaten suchte die Polizei nach dem "Kleber".

Foto: Roland Kohls

Aufgrund eines ärztlichen Attestes räumte Richter Jan Fante in Übereinstimmung mit dem Staatsanwalt dem an einer psychiatrischen Erkrankung leidenden Angeklagten, der darüber hinaus 2013 auch schwerwiegend an Krebs erkrankt war, verminderte Schuldfähigkeit ein. Ansonsten wären beim Tatbestand der so genannten gemeinschädlichen Sachbeschädigung bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe möglich gewesen, wie der Staatsanwalt erläuterte. Er betonte auch den entstandenen hohen Sachschaden, den die Nebenklagevertreterin der Gemeinde Swisttal mit 8524 Euro bezifferte. Dies sei "nur die Spitze des Eisbergs völlig sinnloser Handlungen", so der Staatsanwalt.

Insgesamt 61 Fälle hatte die Bonner Polizei aufgelistet, in denen ab März vergangenen Jahres im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis Schlösser vor allem öffentlicher Gebäude mit Sekundenkleber zugeklebt und damit unbrauchbar gemacht worden waren. Der Schwerpunkt der Aktivitäten lag in der Gemeinde Swisttal, wo insgesamt 30 Delikte gezählt wurden. In Rheinbach waren es fünf Fälle, in Alfter zwölf, in Bornheim waren es 14 Fälle.

Dazu zählten Vereins- und Sportlerheime, Schulen, Sportanlagen und Kindergärten, aber auch die Schlösser von Privathäusern und der Katholischen Kirche in Buschhoven (GA berichtete). "Ob die alle dem Angeklagten zuzuschreiben sind, steht in den Sternen", sagte Richter Fante. Angeklagt waren gestern neun Fälle an Gebäuden in Swisttal, von denen der 27-Jährige lediglich vier Fälle einräumte, die ihm anhand von Aufnahmen nachgewiesen werden konnten. Was Richter Jan Fante vom Angeklagten wissen wollte: "Die Frage, die uns alle bewegt: wie kommt man auf so einen Schwachsinn?" Die Antwort des 27-jährigen Bonners: "Ich habe das im Fernsehen gesehen, in Gerichtsshows." Was der Richter nicht unkommentiert ließ: "Ich habe ja schon immer gewusst, dass die völlig nutzlos sind und sogar kontraproduktiv."

Was dem Richter unerklärlich war, war die Diskrepanz zwischen der krankheitsbedingten Antriebslosigkeit und der nächtlichen Aktivität des 27-Jährigen, nachts mit dem Fahrrad in Bonn los und durch den Kottenforst nach Swisttal zu fahren. "Es war nicht so, dass ich jedes Mal Kleber in der Tasche hatte, wenn ich unterwegs war", sagte der Angeklagte. Er habe auch nicht genau geplant, zum Beispiel in Heimerzheim die Schlösser der Schulen zuzukleben.

Der Verteidiger versuchte eine Erklärung mit der persönlichen und krankheitsbedingten Situation des jungen Mannes und dessen Perspektivlosigkeit. "Es wäre vielleicht eine Erklärung, dass er einmal ein Ausrufezeichen setzen und größere Aufmerksamkeit bekommen wollte", sagte der Verteidiger. Ähnlich sah es der Vater des Angeklagten: "Ich habe nur die Erklärung mit seiner schwerwiegenden Erkrankung, die vor 20 Jahren noch ein Todesurteil gewesen wäre." Richter Jan Fante bat den Vater eindringlich, auf die weitere Behandlung seines Sohnes hinzuwirken, damit dieser nicht "ins alte Muster" zurück falle.

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