Niederkasseler Mandolinen-Orchester Richard Neff - Energiebündel und Virtuose

NIEDERKASSEL · Wenn er die Anekdoten aus seiner wechselvollen 60 Jahre währenden Zeit als Dirigent des Niederkasseler Mandolinen-Orchesters rauskramt, ist Richard Neff immer in Bewegung.

 Richard Neff arrangiert die Stücke für das Mandolinenorchester an seinem Klavier.

Richard Neff arrangiert die Stücke für das Mandolinenorchester an seinem Klavier.

Foto: Martina Welt

Mit weit ausholenden Gesten, ungebrochener Heiterkeit und rheinischem Akzent versprüht der 78-Jährige so viel Energie, dass man ihm kaum abnimmt, dass er auch schon mal ans Aufhören denkt. "Das mache ich eigentlich auch nur, wenn ich auf mein Geburtsdatum schaue", meint er lächelnd.

Mit 18 Jahren griff Neff zum ersten Mal zum Taktstock vor dem Niederkasseler Orchester und damit markierte er zugleich den Beginn einer neuen Ära. Er begeisterte die Jugend für die "Geige der Armen", die in der Nachkriegszeit ein sehr weit verbreitetes Instrument gewesen sei.

In den 70er Jahren schließlich erweiterte er das Orchester um E-Bass, Pauke, Klarinetten, Querflöten, Oboe und Fagott sowie um weitere Zupf- und Holzblasinstrumente. Angesichts dieser ungewöhnlichen Besetzung begann für Neff eine arbeitsintensive Zeit, die bis heute anhält, denn Noten für ein Mandolinen-Orchester mit E-Bass und Fagott - das gab es nicht und ist auch heute eine Rarität.

Neff arrangiert Stücke neu, so lange, bis alles stimmt. Ein oftmals nervenaufreibender Prozess, den der Dirigent an seinem Flügel bereits vier Wochen lang immer wieder eingeübt hat, bevor er dann die Notenstapel, die in seiner Handschrift wie gedruckt aussehen, an die Orchestermitglieder verteilt, berichtet Gitarrist und Pressesprecher Walter Küster. "Wenn wir das dann nach fünf Minuten nicht können, wird Richard Neff auch schon mal ungeduldig" und könne seine überbordende Leidenschaft für das neue Stück schwer in Zaum halten, meint er schmunzelnd.

Der gelernte Steinmetzmeister und Bildhauer spielt selbst Klavier, Geige, Trompete, Mandoline und Gitarre. Begonnen hatte seine musikalische Laufbahn mit acht Jahren, als er eine kostbare Geige von seinem Onkel Phillip geschenkt bekam. Die drei Jahre Geigenunterricht bei Richard Boss gefielen ihm jedoch nur mäßig. Vor allem mit der Haltung fühlte er sich überfordert. Schließlich gab es eine Gelegenheit, ein Klavier zu erwerben, erinnert sich Neff. Sein Vater, Peter Neff, fuhr mit einem halben Schwein nach Köln, um das Klavier zu "organisieren". Da war Richard zwölf Jahre alt und genoss fortan Klavierunterricht bei der Musikpädagogin Maria Ritzefeld in Köln.

Auch hier war das tägliche Üben, zu dem ihn seine Eltern im Zimmer einschlossen, nicht so sein Ding und er wäre nicht Richard Neff, wenn er nicht auch dafür eine Lösung gefunden hätte. Besaß er doch ein Tonband, auf dem er die zu lernenden Sequenzen aufnahm und sie immer wieder abspielte, während er sich durch das Fenster auf den nahe gelegenen Fußballplatz verdrückte.

Die Freude am Klavier spielen entdeckte Neff über die Tanzmusik. Heute ist sein Flügel, der fast den gesamten Raum des kleinen Zimmers einnimmt, auch sein Arbeitsplatz, an dem er viele Stunden des Tages verbringt. Außerdem lagern hier Berge von Noten, Instrumente und Urkunden sowie sein Bundesverdienstkreuz, das ihm am 13. Februar 1996 für sein Engagement verliehen wurde.

Ist Neff zufrieden mit seinen Arrangements, kommt Ruth Scheuermann vorbei, um die Noten in den Computer einzugeben. Als besonders bereichernd beschreibt der Dirigent seine Begegnung mit dem aus Zypern stammenden Bariton Pieris Zarmas, der 1978 Mandolinen für eine Plattenaufnahme suchte. Zufällig weilte das Niederkasseler Orchester im gleichen Studio in Rodenkirchen und eine 30-jährige Erfolgsgeschichte begann.

Neff ließ sich auf die neue Musik aus Zypern und Griechenland im 7/8-Takt ein, arrangierte unzählige Stücke und begab sich mit dem Niederkasseler Mandolinen-Orchester fünf Mal auf Konzertreise durch Zypern. "Wir spielten den Zyprioten ihre eigenen Volkslieder vor", freut sich Neff rückblickend.

In den 60 Jahren seiner Dirigentenzeit hat Neff über 900 Stücke für sein ungewöhnliches Orchester lesbar gemacht und will dies auch noch weiterhin tun, egal wo er gerade ist, ob auf Bierdeckeln oder Notenpapier. Die Kreativität des Maestros ist ungebrochen. Eine Kostprobe wird er mit dem Mandolinen-Orchester am 14. Dezember zu seinem 60. Dirigentenjubiläum in der Beethovenhalle in Bonn geben. Einige Stücke des zweistündigen Konzerts wird dann sein Sohn Robert dirigieren - der damit die bereits über viele Generationen bestehende Dirigententätigkeit der Familie Neff fortsetzt.

Mandolinen-Orchester

Das Mandolinen-Orchester wurde 1920 in Niederkassel im Lokal Brodesser (Op dr Eck) als "Mandolinenclub Loreley" gegründet. Die musikalische Leitung ging 1926 zunächst an Phillip Neff, 1946 übernahm dessen Bruder und der Vater des heutigen Dirigenten Peter Neff das Orchester. Seit 1954 ist Richard Neff Dirigent des Orchesters, das er seither um viele Instrumente erweitert hat. Sein Sohn Robert liebäugelt mit der Nachfolge.

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