Flutkatastrophe Niederkassler Arzt half im Katastrophengebiet auf den Philippinen

NIEDERKASSEL/BONN · Es war ein Freitag, als der Taifun "Haiyan" über die Philippinen zog. Am 8. November traf er mit 380 Stundenkilometern auf die Stadt Tacloban und überflutete die Küste. Mehr als 5700 Tote sind bis heute gemeldet, rund 1800 Menschen werden noch vermisst. Der in Niederkassel-Rheidt ansässige Arzt Michael Brinkmann arbeitet für die Hilfsorganisation Humedica und reiste ins Katastrophengebiet. Seit einigen Tagen ist er zurück, abgeschlossen hat er mit dem Einsatz aber noch nicht.

 Unter notdürftigen Bedingungen behandelte Michael Brinkmann in Tacloban und der Umgebung Verletzte, darunter auch viele Kinder.

Unter notdürftigen Bedingungen behandelte Michael Brinkmann in Tacloban und der Umgebung Verletzte, darunter auch viele Kinder.

Foto: Repro: GA

Bei der Ankunft in Tacloban sei er zunächst von der Wucht der Zerstörung betroffen gewesen. "Vom Flughafen war nur noch die Landebahn vorhanden, vom Gebäude selbst standen nur die Stahlträger", sagt Brinkmann. In den Straßen stapelten sich Lastwagen, Leichensäcke zierten das Stadtbild, in der Luft lag der Verwesungsgeruch. "In dem Moment bekommen die Zahlen dort ein Gesicht, eine Gestalt", sagt der Bonner.

Die Philippinen waren sein 13. Einsatz in Kriegs- oder Katastrophengebieten, seinen ersten hatte Brinkmann 1991 während des Golfkrieges im Irak. "Die Menschen in Tacloban waren am Anfang traumatisiert, die Kinder ängstlich und zurückhaltend", erinnert er sich. Doch dies löste sich im Verlauf der zwei Wochen, in denen Brinkmann auf den Philippinen war. "Für die Kinder nehme ich immer Seifenblasen mit, um sie neugierig zu machen." Das hatte Erfolg. "Schon bald konnten sie wieder lachen und sprangen herum."

Brinkmann ist Vater zweier Kinder (elf und 15 Jahre alt), jeder Einsatz eine Familienangelegenheit. "Meine Frau und ich klären die Kinder immer über die Einsätze auf", sagt der Allgemeinmediziner. Auch Sorgen und Ängste werden dann angesprochen. "Wir versuchen die Sorgen wegzuwischen. Sind sie aber zu groß, bleibe ich zu Hause", erklärt er. Er sei froh, dass seine Familie dies mitmache.

Seit einigen Tagen ist er nun zurück. "Aber man kann nicht einfach abschließen nach dem Einsatz. Vielen Menschen vor Ort kann mit den Möglichkeiten dort nicht geholfen werden", sagt Brinkmann. Einer dieser Fälle liegt nun in Form einer Krankenakte auf seinem Tisch im Wohnzimmer. "Ich traf dort auf einen 17-Jährigen mit Herzfehler." Die Herzklappe ist zu eng und raubt ihm die Luft. Eine Operation ist in Tacloban nicht möglich. "Da kann man nicht einfach drüber hinweggehen", sagt der Arzt und kümmert sich in Deutschland um Möglichkeiten, ihn hier kostenlos operieren zu lassen.

Auch wenn er schon belastendere Einsätze beispielsweise in Haiti oder Afghanistan hatte, so stieß er auch in Tacloban an seine Grenzen. "In manchen Situationen ist die Hilflosigkeit einfach zu groß", sagt er und erinnert sich an einen 50-jährigen Philippiner, der zehn Tage begraben unter einer Palme in seiner Hütte lag. "Wir waren in einer kleinen Schule, die Gegebenheiten vor Ort waren notdürftig." Auf einer Trage musste der Mann behandelt werden. Seine kleinen Söhne standen neben dem Verletzten. "Du weißt, dass dem Vater nicht geholfen werden kann, er wohl querschnittsgelähmt ist und nie mehr laufen kann. Und mit einem Rollstuhl ist es dort schwierig."

Als Vater bedrückt ihn diese Situation besonders. "Aber man kann dort nicht zwei Wochen todtraurig sein", sagt er heute. Mit gemischten Gefühlen sei er dann wieder zurück nach Deutschland geflogen. "Einzelne Fälle bleiben noch im Kopf." Doch hier in Deutschland wartete seine Familie auf ihn - bis die nächste Katastrophe kommt und Brinkmann wieder seine Tasche packt.

Ein Video vom Einsatz der Humedica-Ärzte in Tacloban gibt es unter www.humedica.org.

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