Schreibwerkstatt in Niederkassel Chance zur Verständigung

NIEDERKASSEL · Bei einer Schreibwerkstatt in Niederkassel sollen Einheimische und Flüchtlinge sowie Jung und Alt zueinanderfinden - allerdings ist die Finanzierung noch unklar.

Es ist ein Thema, das Jung und Alt bewegt und das verbinden könnte. Es ist Vergangenheit und Gegenwart. Und es ist mit traumatischen Ereignissen für die Betroffenen verbunden. Außerdem ist es ein Thema, das aktuell die Menschen bewegt - das Thema Flucht.

Ganz gleich, ob als Vertriebene aus Ostpreußen nach dem Zweiten Weltkrieg oder aber als Flüchtlinge vor den religiösen Fanatikern in Syrien oder im Irak: Die Menschen, die es trifft oder getroffen hat, haben viel zu erzählen. Und es lohnt sich, ihre Geschichten aufzuschreiben. Das wollen die Kölner Schriftstellerin Mirijam Günter und Betriebswirt Fabian Gail aus Niederkassel erstmals gemeinsam in einer Schreibwerkstatt in Niederkassel tun.

Die beiden möchten Generationen zusammenführen, Geschichten festhalten und Biografien veröffentlichen. Das Projekt "Generation Flucht", das vom 5. bis 12. April geplant ist, soll helfen, dass mehr Verständnis gegenüber Flüchtlingen entsteht, dass Gemeinsamkeiten entdeckt und traumatische Erlebnisse in Worte gefasst werden.

Wie das geht, wird Schriftstellerin Mirijam Günter den Workshop-Teilnehmern vermitteln. Zusammenbringen möchte Fabian Gail interessierte Senioren und Jugendliche aus Niederkassel und der näheren Umgebung. Um den Geschichten ein Gesicht zu geben, sind auch Fotografen mit im Boot. Martin Menke und Johannes Bidmann werden zum einen den Workshop und zum anderen die Gesichter der Teilnehmer fotografieren. Beides soll am Ende mit den Biografien in einer Ausstellung einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert werden.

Die Kölner Schriftstellerin Günter leitet seit 2006 Workshops für Jugendliche am Rand der Gesellschaft. Begonnen hat sie damit in der Siegburger Justizvollzugsanstalt. Der dortige Seelsorger habe sie angesprochen, erinnert sich Günter. Nach diesen Workshops arbeitete sie auch mit Jugendlichen in Förder- oder Hauptschulen sowie in der Jugendpsychiatrie oder den Berufsbildungswerken deutschlandweit.

Auch mit jungen Flüchtlingen und Senioren hat Günter bereits ein Schreibprojekt in Paderborn absolviert. Ihre Erfahrung dabei: Die Jugendlichen hätten nicht gedacht, dass es in Deutschland auch Menschen gäbe, die wüssten, was Trümmer seien. Das Wort Verlust habe in der gesamten Zeit eine große Rolle gespielt.

Die begrenzten sprachlichen Möglichkeiten hingegen seien nie das Hauptproblem gewesen. Günter ist sich sicher, dass auch die Jugendlichen aus Niederkassel nach dieser einen Woche sehr stolz auf sich und ihr Werk sein werden. "Ich achte darauf, dass wir fröhlich sind", denn die latente Traurigkeit der Flüchtlinge sei ja ohnehin da.

Bei Fabian Gail entstand die Idee dieses Projektes durch Senioren selbst. Bei einem Treffen mit Senioren der evangelischen Kirchengemeinde "haben sie mir erzählt, dass sie das alles auch miterlebt haben, was sich heute wiederholt". Deshalb sind Günter und Gail sicher: "Das Projekt ist eine wunderbare Chance zur Verständigung zwischen Alt und Jung und zwischen Deutschen und Ausländern."

Wenn am Ende ein normales nachbarschaftliches Verhältnis dadurch entsteht, haben die beiden erreicht, was sie wollen. Schließlich gehe es darum, die Menschen durch persönliche Kontakte zu beurteilen und sie nicht in eine Schublade zu stecken, ohne sie überhaupt zu kennen.

Getragen wird das Projekt von der Bürgerstiftung Niederkassel, die auch bereits gespendet hat, ebenso wie der Pfadfinderstamm Wikinger. Unterstützung gibt es auch von dem ökumenischen Arbeitskreis Flüchtlingshilfe, denn die Schreibwerkstatt kann in den Räumen der Kirche durchgeführt werden. Jetzt fehlen den beiden Initiatoren noch die finanziellen Mittel von insgesamt ungefähr 2500 Euro.

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