Juden in Meckenheim und Rheinbach Stadtarchivare haben eine neue Publikation erarbeitet

MECKENHEIM/RHEINBACH · Erst durch eigene Recherchen hat der Australier Colin Davis vom Schicksal seiner Mutter und Großeltern erfahren, denn die Mutter sprach nicht über ihre Vergangenheit. 1939 war Erna Bier, Tochter einer Meckenheimer jüdischen Familie, im Alter von nur 14 Jahren in Begleitung ihres Bruders (17) vor den Nazis nach Australien geflohen.

Ihre Eltern Henriette und Albert Bier blieben in Meckenheim und wurden nach ihrer Deportation 1942 in Minsk ermordet. Ein Foto von Erna Bier und Lieselotte Arensberg, die später ebenfalls dem Holocaust zum Opfer fiel, ist auf dem Umschlag einer neuen Publikation abgebildet, die am Dienstag im Herrenhaus der Burg Altendorf vorgestellt wurde.

"Ihre Namen werden bleiben" titelt die Dokumentation zur Geschichte der Meckenheimer und Rheinbacher Juden und ihrer Friedhöfe. Herausgeber sind die beiden Stadtarchivare Ingrid Sönnert und Dietmar Pertz, die mit Liebe zum Detail und detektivischem Spürsinn in zwei Jahre langer Arbeit zahlreiche Fakten zusammengetragen haben. Unterstützt wurden sie von Kreisarchivarin Claudia Arndt sowie Eli Harnik und Gabriele Wasser vom Verein für Geschichte und Kultur der Juden der Rheinlande.

Gemeinsam waren die Stadtarchivare auch einer Verwechslung auf die Spur gekommen. Mindestens drei der Grabsteine, die heute auf dem Rheinbacher jüdischen Friedhof stehen, gehören eigentlich nach Meckenheim. 1942 waren die Grabmale von den jüdischen Friedhöfen beider Städte vom gleichen Steinmetz abgeräumt worden. Als man sich 1946 bemühte, die Steine wieder aufzustellen, waren fälschlicherweise Meckenheimer Grabsteine nach Rheinbach gelangt. Während vom Meckenheimer jüdischen Friedhof, der sich am Rande der Stadt befand, vor allem wertvolle Steine abgeholt worden waren und heute von 56 identifizierten Gräbern 29 einen Grabstein haben, sei der Rheinbacher Friedhof, um als Parkplatz für einen Kfz-Betrieb dienen zu können, "buchstäblich platt gemacht worden", berichtete Rheinbachs Archivar Pertz. Dort stehen heute nur 13 Steine.

Im jüdischen Glauben sei nur der wirklich tot, der vergessen sei, sagte Wilfried Johnen, Geschäftsführer des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein. Das Buch sei - ebenso wie die Stolpersteine in Meckenheim und hoffentlich auch bald in Rheinbach - ein scharfes Werkzeug gegen das Vergessen, so Johnen. Die Auslöschung der jüdischen Gemeinden sei ein herber Verlust - "mit ihnen wäre unser kulturelles Leben noch viel reicher", sagte Landrat Frithjof Kühn. "Es ist Ihnen ein beeindruckendes Ausrufezeichen der historischen Forschung in unseren Städten gelungen", lobte Meckenheims Bürgermeister Bert Spilles.

Das Buch sei zum rechten Zeitpunkt erschienen, betonte Rheinbachs Bürgermeister Stefan Raetz, denn in seiner Stadt werde gerade intensiv über die Gedenkkultur diskutiert. Unter den Gästen waren auch der Meckenheimer Holocaust-Überlebende und Kunstmaler Manfred Weil mit seiner Frau Alisa sowie die Landtagsabgeordnete Ilka von Boeselager.

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