Vortrag in der Friedenskirche Henning Scherf sieht das Alter als Chance

MECKENHEIM · "Grau ist bunt." So heißt ein Buch von Henning Scherf, und so lautete auch der Titel seines Vortrags in der Friedenskirche. Auf Einladung des Meckenheimer Bürgervereins und des Forums für Senioren sprach der frühere Bremer Bürgermeister vor gut 200 Zuhörern.

 75 Jahre ist er alt, er fühlt sich aber 20 Jahre jünger: Henning Scherf in der Meckenheimer Friedenskirche.

75 Jahre ist er alt, er fühlt sich aber 20 Jahre jünger: Henning Scherf in der Meckenheimer Friedenskirche.

Foto: Wolfgang Henry

75 Jahre ist er alt, fühlt sich aber 20 Jahre jünger. Er forderte das größtenteils aus Senioren bestehende Publikum auf, seine kreativen Potenziale zu entfalten. "Ich entdecke an mir selber, dass ich Sachen mache, die ich früher nicht konnte."

So singt er in einem Chor, ist Lesepate an einer Grundschule mit hohem Ausländeranteil und versucht sich an Acrylbildern. Im vergangenen Jahr unternahm er einen Segeltörn, der ihn und den Rest der Mannschaft um Grönland herum führte.

Den Kapitän und den Skipper begrüßte er unter den Zuhörern. Sein Motto für die Zeit des Ruhestandes: "Ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren!" Weiter plädierte er für Arbeitsangebote auch für ältere Menschen. Viele Senioren wollten zusätzlich noch etwas machen, ob auf Teilzeitbasis oder im Ehrenamt, in ihrem alten Beruf oder in einem neuen Tätigkeitsfeld. Für die Zivilgesellschaft sei das eine große Chance.

Ob Arbeit oder nicht, eine Tagesstruktur sieht Scherf als "lebenserhaltend" an. Man solle sich im Ruhestand Ziele setzen, nicht einfach alles laufen lassen.

"Es ist wichtig, sich auch kleine Sachen vorzunehmen." Zum Beispiel Anrufe, gerne auch über Skype. Er forderte dazu auf, auch neue Kommunikationsformen zu nutzen, um den Kontakt zu weiter entfernt lebenden Kindern und Enkeln aufrecht zu erhalten.

Scherf lebt in einem Wohnprojekt mit Mitbewohnern zwischen 20 und 80 Jahren. Jeder hat seine eigene Einheit, reihum wird mittags gekocht. Genug Platz ist für Besucher wie Kinder und Enkel eingeplant. Die Bewohner haben die Möglichkeit zum Rückzug, trotzdem steht man zusammen.

Sieben Jahre lang pflegte die Hausgemeinschaft zwei erkrankte Bewohner bis zu deren Tod. Klaus, einer der beiden, sei gestorben, während Kinder in seinem Zimmer Verstecken spielten. "So was wünsche ich mir. Ich möchte gern mitten im Leben sein, wenn ich sterbe."

Vor dem Hintergrund seines eigenen Wohnprojekts sah Scherf sich unterschiedliche Wohnformen für ältere Menschen an, so auch Demenz-Wohngemeinschaften. Lebendig erzählte er von demenzkranken Menschen, die er dort kennengelernt hat. In den Wohngemeinschaften habe jeder seine Aufgabe und könne sich einbringen.

Dabei entwickele mancher Demenzkranke ungeahnte Fähigkeiten. So die Frau mit Pflegestufe 2, die dem Pflegedienst jeden Tag eine Torte backe und dem Hauswirtschaftspersonal das Kochen beigebracht habe. Oder der Mann, der nach Jahren wieder angefangen habe, Klavier zu spielen.

Scherf plädiert für mehr generationengemischte Wohnprojekte, in denen jeder seinen Beitrag für die Gemeinschaft leistet. Die demografische Entwicklung sieht er nicht als Katastrophe, sondern im Gegenteil als Chance für die Gesellschaft.

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