Deutsche Atlantische Gesellschaft gründet "Bonner Forum"

Beim Weihnachtsessen in Königswinter sprach Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher über die Bedeutung der deutsch-amerikanischen Beziehungen

Königswinter. Wer im großen Saal des Königswinterer Maritim Hotels am Samstagabend nach einem gelben Pullunder Ausschau hielt, suchte vergebens. Denn der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher hatte zum Weihnachtsessen der Deutschen Atlantischen Gesellschaft (DAG) das für ihn so markante Kleidungsstück zu Hause gelassen.Er kam im neutralen dunklen Anzug. "Ich wollte nicht aufdringlich sein", erklärte er schmunzelnd.

In seiner Festrede zum traditionellen Treffen der Gesellschaft, die sich vornehmlich der Sicherheitspolitik widmet, zeichnete Genscher ein ernüchterndes Bild der atlantischen Allianz: "Man kann nicht sagen, dass wir in der besten aller transatlantischen Welten leben."

In Zeiten, in denen Washington die Stationierung von Abwehrraketen in osteuropäischen Ländern als bilaterale Entscheidung betrachte, sei es wichtig, dass Europa mit einer Stimme spreche und Mitsprache einfordere. Dies sei keine Frage für zweiseitige Vereinbarungen, sondern Sache der ganzen atlantischen Allianz: "Die Amerikaner müssen lernen, dass kein Land so stark ist, dass es ohne Partner auskommt."

Er selbst, so Genscher mit Blick auf die gegenwärtige US-Administration, habe in seiner politischen Arbeit sechs US-Außenminister erlebt "und niemand von denen wäre auf die Idee gekommen, eine Allianz der Willigen auszumachen oder Europa in alt und neu einzuteilen." Im Gegenteil: "Das waren alles Leute, die daran interessiert waren, dass Europa einig ist."

Doch nicht nur die Amerikaner, auch die Europäer selbst sollten sich auf diese Einheit besinnen: "Wir Europäer müssen endlich zu unserer Identität finden" - allerdings keineswegs durch die Gegnerschaft zu den USA, sondern durch die Besinnung auf gemeinsame Werte, Kultur und Geschichte. Die NATO wiederum müsse sich insofern "neu gründen", als sie Antworten auf die Herausforderungen der globalisierten Welt zu entwickeln habe.

Essenziell für die Weltgemeinschaft sei es, den politischen Dialog mit allen Partnern wieder aufzunehmen: "In einer immer enger zusammenwachsenden Welt gibt es keine entfernten Gebiete mehr." So müsse darüber nachgedacht werden, ob etwa das G-8-Treffen noch zeitgemäß sei: "Ist das die ganze Welt? Wo bleiben China, Indien, Afrika?" Auf einigen Kontinenten entstünden neue Kraftzentren, die es einzubinden gelte, statt sie als Gegenpol zu verstehen. Augenscheinlichstes Beispiel: der Klimaschutz. Genscher: "Das geht uns alle an, schließlich haben wir nur das eine Klima."

Nach fünf Jahrzehnten, in denen die bundesweit aktive DAG ihren Sitz in Bonn hatte, wird sie nun ihre Geschäftsstelle nach Berlin verlegen. Die Gesellschaft, der neben interessierten Bürgern auch führende Politiker, ranghohe Offiziere und Medienvertreter angehören, will jedoch in der Bundesstadt einen besonderen Schwerpunkt bewahren und dort wie bisher eine Plattform für überregionale Veranstaltungen bieten.

Sie hat deshalb das "Bonner Forum" gegründet, dessen aus Vizeadmiral a. D. Lutz Feldt, dem ehemaligen Generalmajor Peter J. von Geyso und GA-Chefredakteur Joachim Westhoff bestehende Leitung vom Vorstand der Gesellschaft kooptiert wird.

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