Dem Rheinländer wird in Meckenheim den Spiegel vorgehalten Die Bäckersfrau ist "normalen Glaubens"

MECKENHEIM · Sprache ist für die Integration von entscheidender Bedeutung. Konrad Beikircher, Jahrgang 1945, hat das schon früh begriffen. Der gebürtige Südtiroler kam vor 50 Jahren zum Studium nach Bonn und eignete sich im Laufe der Jahre die rheinische Mundart an.

Heute gilt er als der rheinische Kabarettist schlechthin und wurde für seine Verdienste um den Erhalt des Dialektes mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 1988 mit der Morenhovener Lupe.

Vor vollem Haus trat er jetzt im Pädagogischen Zentrum Meckenheim auf. "Bin völlig meiner Meinung" heißt sein neues Programm. Das Wesen des Rheinländers, seine Sprache und seine Religion sind Beikirchers Themen. Obwohl er in seiner Kindheit und Jugend davon überzeugt war, dass "hinter München nur Packeis kommt", weiß er heute: "Das Rheinland ist die einzige mediterrane Gegend deutscher Zunge."

Für ihn ist es immer wieder "eine einzige Lust, rheinisch zu sprechen". Zum Beispiel beim Wort "Januar", für das man nach Beikirchers Angaben im Hochdeutschen 764 Muskeln anspannt und damit 364 Kilokalorien verbraucht, was stolzen vier Fruchtzwergen entspricht. Das rheinische "Janewar" dagegen kostet ihn laut eigenen Angaben nur 17 Kilokalorien.

Die Besucher lernen auch die Bönnsche Bäckersgattin Gertrud Roleber kennen, sie ist "normalen Glaubens", ihre Nachbarin Frau Walterscheid dagegen Protestantin. Dafür hat Frau Roleber kein Verständnis. Sie moniert "Kirchtürme, die so aussehen, als wären sie von der Freiwilligen Feuerwehr zum Schläuchetrocknen", und überhaupt fehlen ihr bei den Protestanten die Märtyrer, Heiligenbilder und Reliquien. Mit ihrem Hubert war sie 50 Jahre verheiratet und wusste am Ende schon Wochen voraus, was er sagen würde. Als er krank wurde, engagierte das Ehepaar eine Pflegekraft - "keine deutsche Pflegekraft, das kann sich doch kein Mensch leisten, nein, aus dem Rechtsrheinischen."

Woran es liegt, dass es im Rheinland schöner ist als woanders? Auch darauf hat der Kabarettist und ehemalige Gefängnispsychologe eine Antwort: "Natürlich hängt das auch mit dem normalen Glauben zusammen." Denn gibt es Heilige, gibt es auch "Kirmesse", so wie den 1367 gegründeten Pützchens Markt, laut Beikircher die älteste Kirmes weltweit.

Gedacht werde damit der heiligen Adelheid, die in Beuel ihren Wanderstab in die Erde stieß und damit ein Wunder provozierte: Ein "Pütz", sprich ein Brunnen sprudelte aus dem Boden. Als das Wasser der Heiligen ins Gesicht spritzte, konnte die sehr kurzsichtige Frau plötzlich wieder sehen, und zwar bis zum Michelsberg in Siegburg. Ihr Schwager erkannte sofort die wirtschaftliche Tragweite des Geschehens, "das war nämlich der heilige Fielmann". Bis heute stammt die Kontaktlinsenflüssigkeit bei Fielmann vom Pützchen, so der Wahl-Bonner.

Pointiert bis süffisant, aber niemals verletzend bietet Beikircher den Zuschauern eine liebevoll-komische Innenansicht rheinischer Gemütslagen. Und wer wissen will, warum die landschaftliche Schönheit im Rechtsrheinischen verortet ist, erhält an diesem Abend die Antwort: "Damit man vom Linksrheinischen darauf gucken kann."

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