Kathrin Hennes Abiturientin war ein Jahr als Jugendleiterin in Südamerika tätig

MECKENHEIM/BUENOS AIRES · An ein solches Übermaß an Gelassenheit muss sich Kathrin Hennes erst gewöhnen. Erneut ist der Bus, mit dem sie in der Millionenmetropole Buenos Aires zur Arbeit fahren will, an ihr vorbeigefahren.

 In Patagonien genießt Kathrin Hennes die Weite Argentiniens.

In Patagonien genießt Kathrin Hennes die Weite Argentiniens.

Foto: Hennes

Was hierzulande ob der Verspätung auf der Arbeitsstelle zur Gardinenpredigt der Extraklasse geführt hätte, ist in Argentinien kein Anlass, die gottgegebene Grundgelassenheit in Gefahr zu bringen. Als eine Art "Engel im Armenviertel" war die 20 Jahre alte Abiturientin aus Meckenheim in der 14-Millionen-Stadt tätig. Jetzt kehrte sie vom einjährigen freiwilligen Friedensdienst zurück.

Im Jugendzentrum "El Apoyo" (Die Unterstützung) macht Hennes mit den 6 bis 20 Jahre alten Kindern und Jugendlichen Hausausgaben, Musik, Spiele, Sport-AGs. Sie bastelt oder verhilft beim Frisierkursus zu elegantem Schick. "Die waren superkreativ", sagt Hennes im Gespräch mit dem General-Anzeiger.

Gut zuhören können muss die Jugendleiterin in der Katholischen und der Evangelischen Kirche Meckenheims ebenfalls. "Man bekommt viel vom Leid der Kinder mit." Besonders am Anfang ihrer Zeit sei es ihr schwergefallen, mit der Fülle von familiären Schicksalsgeschichten klarzukommen.

"Es geht einem viel durch den Kopf." Es sind Erzählungen von Armut, Drogen, Schießereien und Gewalt. "Ich konnte ihnen mehr ins Leben sehen als etwa meinen Nachbarn in Meckenheim."

Die Furcht, Opfer von Überfällen zu werden, war im Armenviertel, in dem sie arbeitete, geringer als in manch städtischem Arealen. Was Kathrin Hennes nach zwölf Monaten auf einem fremden Kontinent mitnimmt, ist die Offenheit der Menschen und deren Gelassenheit beim Blick aufs Leben.

"Hier gibt man sich die Hand, in Argentinien einen Kuss auf die Wange", sagt sie. "Das war ich nicht gewohnt." Gewöhnt hat sie sich an Matetee, das bitterlich schmeckende Getränk, das Argentinier bevorzugt im ausgehöhlten Kürbis zubereiten. "Er ist sehr bitter, aber es geht - mit Keksen nebenher."

Hennes' schwarzer Gürtel im Judo hilft ihr bei der Aufrechterhaltung der eigenen Gelassenheit, und der Sport ist für sie idealer Ausgleich. "Judo ist ein Teil meines Lebens. Dabei kann ich alles rauslassen und den Kopf freibekommen." Sie ist dankbar für den reichen Schatz an Erfahrungen, weint aber nicht um Argentinien.

"Für eine begrenzte Zeit kann ich mir vorstellen, dort zu leben, aber nicht für den Rest des Lebens." Dafür sei die alltägliche Gewalt zu präsent. Bald nimmt Hennes ein Studium (Wirtschaft und Philosophie) in Bayreuth auf. Nach dem Abschluss will sie sich den Themen Entwicklungsarbeit und Nachhaltigkeit widmen.

"Die Argentinier können nicht so leben, wie sie leben, weil wir leben, wie wir leben." Ein gern gepflegtes Klischee schafft Hennes aus der Welt: Argentinier tanzen nicht den ganzen Tag Tango. Wenn, dann tun sie es oft für die Touristen. "Jugendliche interessieren sich null für Tango."

Info

Am Mittwoch um 19.30 Uhr referiert Kathrin Hennes im Katholischen Familienbildungswerk, Kirch-platz 1. Der Eintritt ist frei.

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