Prozess gegen Onkel aus Lohmar Tödlicher Missbrauch: Staatsanwalt geht von Mord aus

LOHMAR/BONN · Mit schmerzverzerrtem Gesicht sieht die Mutter den Angeklagten an, als Oberstaatsanwalt Robin Faßbender erklärt, warum der 53-Jährige für den tödlichen Missbrauch ihrer sechsjährigen Tochter am 6. April in Lohmar wegen Mordes verurteilt werden soll.

Obwohl sie wusste, was Faßbender im Plädoyer zur Sprache bringen würde und sie ihre Einwilligung dazu gab, kann sie es kaum ertragen: Faßbender geht noch einmal näher auf den vom Angeklagten gedrehten Film der Tatnacht ein, um dessen Haltung und zielgerichtetes Vorgehen zu belegen.

In diesem längsten Video mit Missbrauchshandlungen an seinen beiden Nichten, so Faßbender, sei der 53-Jährige erstmals entblößt zu sehen, und er kündige an: Er werde das Kind vergewaltigen. Deshalb habe er der Nichte eine Dosis K.o.-Tropfen gegeben, von der er genau gewusst habe, dass sie lebensgefährlich war. Denn wie der Angeklagte selbst im Prozess stolz erklärt habe, habe er gründlich geforscht über das narkotisierende Mittel, das er bei beiden Mädchen immer wieder eingesetzt habe, um sie zu missbrauchen.

Für die diesmal geplante massivste Handlung habe der Mann sicher sein wollen und den Tod des Kindes in Kauf genommen, ist Faßbender überzeugt. Um zu verdeutlichen, wie der Angeklagte das Kind nur als Objekt benutzte, zitiert Faßbender dessen Worte in dem Film, in dem die Sterbephase laut Rechtsmedizinerin bereits in der elften Minute begann. In der 12. Minute sagt der Mann: "Ich hoffe, sie atmet noch, sonst habe ich ein Problem." Wenig später: "Scheiße, sie atmet nicht mehr, jetzt habe ich ein Problem." Nach "rüden" Reanimationsmaßnahmen, so Faßbender, die Worte: "Das wär's jetzt gewesen. Schön weiteratmen." Schließlich: "Du willst doch wohl hier nicht sterben." Und kurz vor Filmende: "Mir doch egal, ich geh jetzt eine rauchen." Dann habe er das Kind weiter missbraucht. Faßbender ist sicher: "Er hatte sich damit abgefunden, dass das Kind sterben könnte."

Für den Ankläger steht fest: Der Mann muss wegen heimtückischen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu lebenslanger Haft und wegen seiner Gefährlichkeit für Kinder zu Sicherungsverwahrung verurteilt werden. Die besondere Schwere der Schuld müsse festgestellt werden. Damit beantragt Faßbender die höchstmögliche Strafe.

In bewegenden Worten erklärt die Mutter anschließend, warum sie trotz der Belastung am Prozess teilnimmt: "Es ist der letzte Kampf, den ich für mein Kind führen kann." Sie beschreibt ihr Entsetzen über diesen "teuflischen Vertrauensbruch" des Schwagers, den sie und ihre Kinder so mochten: "Mein Hirn versteht die Taten, aber meine Seele wehrt sich." Sie habe es nicht geglaubt, ihn sogar noch getröstet und am Abend nach der Festnahme zu seinen Töchtern gesagt: "Jetzt sitzt der Arme unschuldig im Gefängnis." Die Polizei habe ihr aus seinem Geständnis vorlesen müssen, damit sie es glauben konnte. "Die Niedertracht wird für mich immer unerträglich sein", sagt sie. Und fragt: "Wem soll man jemals wieder vertrauen?"

Bitter stellt sie fest: "Vor solch hinterhältigen Verbrechen kann ich meine Kinder nicht beschützen." Opfer seien auch die Töchter des Angeklagten, die sich nun fragten, ob der Vater sie auch missbraucht habe. Und dann erinnert sie sich an das letzte Mal, als sie ihr Kind lebend sah auf dem Weg zum geliebten Onkel: "Mit strahlendem Gesicht verließ sie mich, warf mir noch eine Kusshand zu und verschwand um die Ecke." Im Namen ihrer Kinder bittet sie um Gerechtigkeit. "Auch wenn ich weiß, dass es keine gerechte Strafe gibt. Denn nichts wird ihn im Ansatz spüren lassen, was meine Tochter und ich tagtäglich durchmachen."

Nachdem Verteidiger Martin Mörsdorf eine Strafe wegen Missbrauchs und fahrlässiger Tötung beantragt hat, erklärt der Angeklagte: "Ich bereue die Taten aus tiefsten Herzen. Mein Gewissen wird lebenslänglich damit belastet sein." Seine Schwägerin blickt ihn starr an. Das Urteil wird am 28. November gesprochen.

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